Wie konserviert man Dreck? – Die Flutkatastrophe im Museum

Das Haus der Geschichte will die Jahrhundertflut für kommende Generationen dokumentieren. Besonders schwierig: Die verschlammten Objekte sollen so bleiben, wie sie sind.
Die Restauratorin Julia Weispfennig,  arbeitet im Depot an einer Puppe, die im Ahrtal angeschwemmt wurde.
Die Restauratorin Julia Weispfennig, arbeitet im Depot an einer Puppe, die im Ahrtal angeschwemmt wurde.Foto: Federico Gambarini/dpa
Epoch Times10. Juli 2022

Eine schlammverkrustete Puppe, ein dreckiger Spaten, ein braunverschmiertes Papst-Porträt: Das Haus der Geschichte in Bonn hat rund 400 Gegenstände zur Jahrhundertflut zusammengetragen. „Wir sammeln Objekte, die die Katastrophe in ihren verschiedenen Facetten dokumentieren“, sagt Sammlungsdirektor Manfred Wichmann. Privatleute und Einrichtungen haben Dinge zur Verfügung gestellt, die von den Folgen des Hochwassers zeugen, das im Juli 2021 ganze Landstriche in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verwüstete.

An einem zugeknoteten weißen Stoffbeutel warnt ein Schild: „Flutobjekt! Sehr fragil!! Bitte nur hier (Zipfel) anfassen“. In dem Beutel: Ein rechter Schuh. Objekte wie dieses oder die Puppe, die wahrscheinlich einem Kind gehörte und im Ahrtal in Rheinland-Pfalz angespült wurde, zeigen auf besondere Weise die emotionale Seite des Geschehens: „Es handelt sich um ein Ereignis, das auch viele menschliche Tragödien mit sich brachte“, sagt Wichmann.

Genau deswegen mussten die Museum-Mitarbeiter bei der Suche nach Objekten sehr sensibel vorgehen. Einerseits hatten die Bewohner der Flutgebiete großes Leid erfahren. Andererseits sei klar gewesen, dass nicht lange Zeit blieb, um die Gegenstände im Originalzustand zu bekommen – also mitsamt dem Schlamm. „Normalerweise ist Schmutz der größte Feind im Museumsdepot. Hier ist es genau umgekehrt: Der Schmutz prägt die Besonderheit der Objekte“, sagt Wichmann.

Noch nie Schmutz zuvor konservieren müssen

Doch wie schafft man es, die bräunlich-grauen Verkrustungen an den Gegenständen so haltbar zu machen, dass sie nicht nach einer gewissen Zeit abfallen? „Das ist wirklich eine große Herausforderung. Wir hatten vorher noch nie den Fall, Schmutz konservieren zu müssen“, sagt Restauratorin Julia Weispfennig. Auf die Puppe zum Beispiel habe sie eine Art feinen Nebel aufgebracht, in dem sich ein Festigungsmittel befand. „Aber da gibt es keine Patentlösung.“ Jedes Objekt müsse individuell betrachtet und – je nach Oberflächenbeschaffenheit – unterschiedlich behandelt werden.

Ein Wäschetrockner mit braunen Schmutz-Sprenklern stammt nach Angaben von Wichmann nicht aus einem Haushalt, sondern von der Bundesbank: Deren Mitarbeiter hätten darin nasse Geldscheine getrocknet, die von Bewohnern der Flutgebiete oder überschwemmten Banken stammten. Viele Scheine waren jedoch nicht mehr zu retten: Davon zeugt ein ganzer Karton voller beschädigter Euro-Scheine mit einem ursprünglichen Gesamtwert von rund 10.000 Euro – jetzt allerdings alle entwertet.

Die Flut-Objekte würden nun nach und nach konserviert und dann in die Online-Datenbank des Hauses der Geschichte eingestellt, erläutert Wichmann. Eine Ausstellung zum Thema Flut sei zumindest in absehbarer Zeit nicht geplant. Einzelne Objekte würden auch an andere Museen ausgeliehen oder in eigene Ausstellungen integriert. Momentan ist schon ein vom Schlamm verkrusteter Gaszähler aus dem Flutgebiet in der Schau „Heimat. Eine Suche“ im Haus der Geschichte zu sehen. (dpa/red)



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