1200 Jahre alte Glocke erklingt wieder

Einst waren die Uighuren ein reiches Volk, trieben Handel und erbauten prachtvolle Gebäude. Doch mit dem Angriff der Kirgisen vor 1200 Jahren ging ihre Kultur und Hauptstadt unter - und mit ihr eine bronzene Glocke. Archäologen brachten diese nun wieder zum Klingen.
Titelbild
Die Palaststadt von Karabalgasun im Orchontal (Foto: Marc Riemer, DAI Bonn)
Epoch Times11. Dezember 2018

Seit 2007 erforscht das Deutsche Archäologische Institut gemeinsam mit den mongolischen Partnerorganisationen, der mongolischen Akademie der Wissenschaften und der Nationaluniversität Ulaanbbaatar die über 1200 Jahre alte uighurische Hauptstadt Karabalgasun im Orchontal.

Im Sommer 2018 legten die Archäologen im Hof des Herrschaftssitzes einen über zwölf Meter tiefen und immer noch wasserführenden Brunnen frei. Seine hölzerne Konstruktion sowie zahlreiche Funde aus den unteren Schichten hatten sich hervorragend erhalten.

„Derartige Funde begegnen einem Archäologen vielleicht nur ein einziges Mal in seinem Berufsleben“, unterstreicht DAI‐Mitarbeiter Hendrik Rohland die Bedeutung der Funde.

Eine bronzene Glocke mit chinesischer Inschrift, ein vergoldeter Türriegel, zwei marmorne Löwenköpfe sowie schwarz lackierte Holzstangen mit floralem Motiv zeugen von hoch entwickeltem Kunsthandwerk und internationalen Beziehungen des Nomadenvolkes.

Uighurische Glocke aus Karabalgasun, 26 cm hoch (Foto: Marc Riemer, DAI Bonn)

Glocke erklingt nach 1200 Jahre Stille wieder

Die Glocke ist hervorragend erhalten. „Es ist schon ein besonderes Gefühl, wenn man eine Glocke, die 1200 Jahre auf dem Grund eines Brunnens gelegen hat, zum ersten Mal wieder klingen hört“, sagt die Projektleiterin Christina Franken.

Einige Schöpfgefäße, die während der Nutzungszeit in den Brunnen gefallen waren, geben dem Forscherteam interessante Hinweise. Auf einem der Gefäße hatte der Töpfer das Siegel des zweiten Uighurischen Herrschers eingeritzt. Damit ist die Datierung des Brunnens in die Bauzeit der Stadt gesichert und der Nutzer des Palastes bestimmt. Im nassen Schlamm des Brunnens hatten sich auch organische Materialien erhalten.

„Eine solche Nassbodenerhaltung im Siedlungskontext ist bislang nahezu einzigartig in der Mongolei“, hebt Franken hervor. Der Matsch enthielt neben fein bearbeiteten und geschnitzten Holzgegenständen auch zwei runde, mehr als einen Meter lange, lackierte Stangen. Ihre Oberfläche glänzte noch immer in kräftigem schwarz. In den Lack hatte ein Kunsthandwerker Palmetten und ineinander verflochtene Bänder als Verzierung eingeritzt.

Unter normalen Bedingungen verrotten solche Objekte im Boden innerhalb weniger Jahrzehnte. Sie werden deshalb nur selten auf Ausgrabungen gefunden. Auch deshalb sind die Funde von Karabalgasun ein besonderer Glücksfall für die Archäologen. Sie ermöglichen einen Einblick in die materielle Kultur der Uighuren zu geben.

Die Fundstücke machen zudem deutlich, dass die Kunsthandwerker des uighurischen Herrschers viele Anregungen aus anderen Kulturen, insbesondere China, verarbeiteten. Möglicherweise kamen einige der Stücke auch direkt aus dem Land der Mitte.

Blick in den unteren Bereich des noch wasserführenden Brunnens (Foto: Marc Riemer, DAI Bonn)

Der Palast von Karabalgasun

Der Palast, die sogenannte Zitadelle, bildete das Zentrum der ursprünglich über 35 Quadratkilometer großen Stadtanlage. Der zweite Khan des uighurischen Reiches gründete sie Mitte des 8. Jahrhunderts. Nur hundert Jahre später zerstörten die mit den Uighuren verfeindeten Kirgisen die Stadt. Doch die Ruinen der Zitadelle überragen die Steppenlandschaft bis heute.

Der quadratische Hügel ist bis zu zwölf Meter hoch. In mehreren Ausgrabungskampagnen hat die mongolisch‐deutsche Expedition mehrere Gebäude auf dem künstlich aufgeschütteten Podest untersucht. In einem Innenhof des Palastes stieß das Team auf den Brunnen. Er stellt den bislang ältesten bekannten Bereich der Zitadelle dar.

Der Brunnen ist als Konstruktion aus Holz und Stein errichtet worden und hat sich vor allem in den tiefer liegenden Bereichen sehr gut erhalten. Durch ihn verfügten die Verteidiger der Zitadelle auch in Zeiten einer Belagerung über ausreichend Wasser. Dennoch konnten die Uighuren dem Ansturm der Kirgisen im Jahr 840 nicht standhalten. Die Angreifer brannten den Palast nieder. Der Brunnen wurde mit Bauschutt und Asche verfüllt und so für fast 1.200 Jahre verschlossen. Am Boden des Brunnens lag neben diversen Schöpfgefäßen auch die bronzene Glocke.

Die Palaststadt von Karabalgasun im Orchontal (Foto: Marc Riemer, DAI Bonn)

Das Volk der Uighuren

Als Nomadenvolk spielten die Uighuren eine zentrale Rolle im Seidenhandel zwischen China und den mittelasiatischen Regionen. Als enge militärische Verbündete der chinesischen Tang‐Dynastie vergrößerten sie Wohlstand und Macht ihres Reiches. Ihr Herrschaftsbereich erstreckte sich vom Baikalsee bis in die Wüsten Ostturkestans.

Unter ihre Herrschaft bewegten sich Waren, Menschen und Ideen zwischen China, der mongolischen Steppe und Zentralasien hin und her. Auch das Fundmaterial zeigt diese Einflüsse. Die steinernen Löwen, die Glocke mit ihren Inschriften und die lackierten Holzstangen, aber auch Dachziegel und ‐verzierungen wurden wahrscheinlich von chinesischen Handwerkern gefertigt.

Die Architektur des Palastes erinnert dagegen an zentralasiatische Anlagen. Die Schöpfgefäße, die auf der Sohle des Brunnens gefunden worden sind dagegen vor Ort hergestellt worden.

Erhalt und Konservierung der Funde

Die langfristige Konservierung und Lagerung der empfindlichen Holzfunde nach der Ausgrabung ist eine große Herausforderung. Deutsche, mongolische und japanische Restauratoren arbeiten nun gemeinsam an einem Konzept. Nach Abschluss der Restaurierung hoffen die Archäologen durch die Erforschung der gefunden Objekte und Bauwerke neues Wissen über die alten Uighuren und ihren Austausch mit anderen Kulturen zu erschließen.



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