Auf der Suche nach dem Grab der Aztekenkönige

Unter der Millionenmetropole Mexiko-Stadt liegen die Überreste von Tenochtitlan. Von hier aus regierten die Azteken ihr riesiges Reich. Tempel und Opfergaben wurden bereits entdeckt, doch jetzt wollen die Forscher einen Schritt weiter: Sie suchen nach dem Grab der Könige.
Titelbild
Die Überreste eines Jaguars - umgeben von Muscheln und Korallen.Foto: Jair Cabrera Torres//Jair Cabrera Torres/dpa
Epoch Times19. Dezember 2019

Fünf Meter unter dem geschäftigen Trubel von Mexiko-Stadt kauern die Archäologen auf der Erde. Mit feinen Pinselstrichen legen sie die Opfergaben der Azteken frei.

„Dort sind Perlen aus grünem Stein zu erkennen“, sagt Tomás Cruz, der bei den Ausgrabungen mitten im Zentrum der Mega-Metropole mitarbeitet, und deutet auf den Boden. Mehr als 500 Jahre sind seit der Blütezeit des Imperiums bereits vergangen — jetzt könnten die Forscher erstmals ein Grab eines Aztekenherrschers entdecken.

Grab eines „Tlatoani“ ist das fehlende Puzzlestück

Direkt gegenüber dem Templo Mayor von Tenochtitlan (1325-1521), der ehemaligen Azteken-Hauptstadt, haben Archäologen in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Schätze ausgegraben. Ihnen fehlt aber noch ein wichtiges Teil im Puzzle des aztekischen Imperiums: das Grab eines „Tlatoani“.

„Wir müssen all diese Steinbehälter mit Opfergaben ausgraben“, sagt Leonardo López Luján, der das Team leitet. „Danach müssen wir tiefer gehen, auf der Suche nach den Resten der Könige.“ Im Jahr 2011 haben die Wissenschaftler bereits einen entscheidenden Fund gemacht: Sie entdeckten ein „Cuauhxicalco“ – eine runde Plattform von 16 Metern Durchmesser und 2,5 Metern Höhe.

An dieser Stelle – oder in der Nähe – sollen historischen Aufzeichnungen zufolge drei Brüder begraben worden sein, die zwischen 1469 und 1502 auf dem Thron aufeinander folgten: Axayácatl, Tizoc und Ahuítzotl. Sie waren Vorgänger des berühmten Moctezuma II., den der Spanier Hernán Cortés mit seiner Ankunft im Jahr 1519 überrascht hatte.

Die Überreste des Templo Mayor. Foto: Jair Cabrera Torres//Jair Cabrera Torres/dpa

Menschenopfer für Huitzilopochtli

Der Haupttempel war der religiöse Mittelpunkt Tenochtitlans, eine Stadt, die damals mit 200.000 Einwohnern zu den vermutlich größten Städten der Welt gehörte. Der Tempel wurde in mehreren Etappen bis zu seiner Zerstörung durch die Spanier immer weiter ausgebaut. Zu seinen Füßen soll die Asche der Herrscher bestattet worden sein.

„Wir graben gerade dort, wo der Cuauhxicalco war“, erklärt die Archäologin Alejandra Aguirre. Ihr Kollege Antonio Marín weist darauf hin, dass dort mehrere Opfergaben mit Tieren, die als Krieger gekleidet waren, gefunden wurden. So auch die Überreste eines geopferten Kindes. Sie alle waren für den Sonnen- und Kriegsgott Huitzilopochtli bestimmt.

Die Opferung von Menschen an ihre Götter war bei den Azteken und bei anderen Völkern Mesoamerikas üblich. Auch ein großer Monolith der Erdgöttin Tlaltecuhtli wurde in dieser Ausgrabungsstätte vor einigen Jahren gefunden.

In einer Opfergrube am Fuß des Templo Mayor entdeckten Archäologen die menschlichen Überreste eines 9-jährigen Jungen. Foto: Screenshot | Reuters

Verbrannt und bestattet

Wenn ein „Tlatoani“ starb, wickelten die Azteken seine Überreste in ein Bündel und verbrannten es, die ganze Nacht unter freiem Himmel. Am nächsten Tag wurden die Knochen- und Aschereste in Gefäßen vor den 45 Meter hohen Templo Mayor gelegt.

Die Azteken bauten keine großen Grabkammern in ihren Tempeln. Das königliche Grab wird also nicht so aussehen wie jene der ägyptischen Pharaonen oder der Maya-Herrscher, sagt López Luján. „Was wir uns vorstellen, ist, dass auf einer kleinen Fläche all diese Überreste und Opfergaben zu finden sein werden.“

Auf und mit den Trümmern von Tenochtitlan bauten die Spanier die neue Hauptstadt des Vizekönigreichs Neuspanien. Die sterblichen Überreste von Moctezuma II. und seinen beiden Nachfolgern, die inmitten der Turbulenzen der Eroberung starben, gelten als vermisst. Fest steht allerdings, dass sie nicht am Templo Mayor begraben wurden.

Der Archäologe Tomás Cruz untersucht die Opfergabe eines weiblichen Jaguars. Foto: Jair Cabrera Torres//Jair Cabrera Torres/dpa

Reiche Opfergabe zeugen stumm vom großen Reichen der Azteken

„Da ist noch ein blaues schlangenförmige Zepter zu sehen“, sagte Tomás Cruz, liegend auf dem Boden auf einer kleinen Matratze. Sorgfältig legt er jedes kleine Stück der Opfergabe eines weiblichen Jaguars frei.

Denn obwohl Tenochtitlan auf einer Insel errichtet wurde, inmitten eines Sees auf 2.200 Metern Höhe, befanden sich unter den Opfergaben Jaguare, Wölfe, Korallen, Muscheln und Kugelfische aus dem Meer. Nichts davon existierte in der unmittelbaren Umgebung – die Opfergaben wurden von weit her gebracht und sind Zeugen der großen Ausbreitung des Imperiums.

Die Überreste eines Jaguars, umgeben von Muscheln und Korallen. Foto: Jair Cabrera Torres//Jair Cabrera Torres/dpa

Innerhalb von zwei Jahren machten die einfallenden Spanier unter Cortés die Stadt dem Erdboden gleich und löschten damit die aztekische Hochkultur aus. Modernere Waffen machten sie im Kampf gegen die Azteken nahezu unbesiegbar. Zudem bildeten die Spanier Allianzen mit anderen indigenen Völkern der Region, um die Azteken niederzuringen.

Das Königsgrab könnte wichtige Informationen über den Herrscher, seinen Hof im Herzen des Aztekenreiches und die Beziehungen zu anderen Kulturen in der Region liefern. „Das ist, was wir jetzt gerade suchen“, sagt López Luján. „Ich bin überzeugt, dass es da ist, aber vielleicht liegt es auch ein bisschen weiter dort drüben und wir werden nicht jene sein, die es finden.“ (dpa/ts)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion