Frühe Menschen überquerten das Mittelmeer früher als bislang angenommen

Bislang galt die Insel Naxos vor der Küste Griechenlands als "nur durch den modernen Menschen erreichbar", für den Neandertaler oder gar frühere Menschen sei sie aufgrund ihrer Lage im Mittelmeer unzugänglich gewesen. 200.000 Jahre alte Funde beweisen das Gegenteil.
Titelbild
Ein Forscher arbeitet im Schnitt in Stelida (Naxos, Griechenland).Foto: Evaggelos Tzoumenekas
Epoch Times23. Oktober 2019

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der McMaster University hat in Griechenland neue Beweise dafür gefunden, dass der Neandertaler oder gar noch frühere Menschen die Insel Naxos bereits vor mindestens 200.000 Jahren bewohnt hat. Dies sei Zehntausende von Jahren früher als bisher angenommen.

Die in der Zeitschrift Science Advances veröffentlichten Ergebnisse basieren auf jahrelangen Ausgrabungen und stellen das aktuelle Denken über die menschliche Bewegung in der Region in Frage.

„Wir müssen die Geschichte neu überdenken“

Lange Zeit dachte man, die Insel sei für jeden außer den anatomisch modernen Menschen unzugänglich und unbewohnbar gewesen. Die neuen Erkenntnisse führen die Forscher dazu, die Wege unserer frühen Vorfahren von Afrika nach Europa zu überdenken. Stattdessen zeigen sie die Fähigkeit unserer Vorfahren, sich an neue Umweltherausforderungen anzupassen.

„Bis vor kurzem galt dieser Teil der Welt als irrelevant für die frühen Humanstudien, aber die Ergebnisse zwingen uns, die Geschichte der Mittelmeerinseln völlig neu zu überdenken“, sagt Tristan Carter, Professor für Anthropologie an der McMaster University und leitender Autor des Beitrages in einer Pressemitteilung.

Zusammen mit Dimitris Athanasoulis vom griechischen Kulturministerium arbeitete Carter an den Untersuchungen.

Eine scheinbar unpassierbares Hindernis

Während Steinzeitjäger bekanntlich seit über einer Million Jahren auf dem europäischen Festland leben, galten die Mittelmeerinseln erst vor 9.000 Jahren als von frühen Bauern besiedeltes Land. In der Forschung hielt sich die Idee, dass nur moderne Menschen – der Homo sapiens – so ausgereift waren, Seeschiffe zu bauen und zu nutzen.

Wissenschaftler hatten geglaubt, dass das Ägäische Meer für Neandertaler und frühe Hominine unpassierbar war. Lediglich die Landbrücke von Thrakien (Südostbalkan) habe einen Weg in und aus Europa geboten.

Die Autoren des Beitrages gehen davon aus, dass das ägäische Becken tatsächlich viel früher zugänglich war als bislang angenommen. Zu bestimmten Zeiten der Eiszeit war das Meer viel niedriger, was eine Landroute zwischen den Kontinenten freisetzte. Diese hätte es den frühen prähistorischen Populationen ermöglicht, über Stelida direkt von Afrika nach Europa zu wandern.

Ein Forscher arbeitet im Schnitt in Stelida (Naxos, Griechenland). Foto: Evaggelos Tzoumenekas

Vor- und Nachteile des Insellebens

Die Forscher glauben zudem, dass das Gebiet für die frühen Menschen wegen dem Süßwasser und seiner Fülle an Rohstoffen attraktiv gewesen wäre. Die vorhanden Steine hätten sich ideal für den Werkzeugbau geeignet.

Gleichzeitig aber „wären die frühen Menschen bei der Einreise in diese Region mit einem neuen und herausfordernden Umfeld konfrontiert gewesen. Mit verschiedenen Tieren, Pflanzen und Krankheiten, die alle neue Anpassungsstrategien erforderten“, sagt Carter.

In ihrem Beitrag beschreibt das Team Beweise für menschliche Aktivitäten, die fast 200.000 Jahre in Stelida an der Nordwestküste von Naxos, zurückreichen. Hier verwendeten frühe Homo sapiens, Neandertaler und frühere Menschen das lokale Rohmaterial (Hornstein), um ihre Werkzeuge herzustellen. Von eben diesen Artefakten haben die Archäologen bereits Hunderttausende ausgegraben.

Stelida auf Naxos (Griechenland). Foto: McMaster University

Neandertaler auf Seefahrt im Mittelmeer

Zahlreiche wissenschaftliche Daten, die am Standort gesammelt wurden, ergänzen die laufende Debatte über die Bedeutung der Küsten- und Meereswege für die menschliche Bewegung.

Während die vorliegenden Daten darauf hindeuten, dass die Ägäis vor mehr als 200.000 Jahren zu Fuß überquerbar gewesen sein könnte, sprechen die Autoren auch die Möglichkeit an, dass Neandertaler einfache Boote gebaut haben könnten, mit denen sie kurze Strecken zurücklegen konnten.

Diese Forschung ist Teil des Stelida Naxos Archeological Project, einer größeren Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. Sie sind seit 2013 am Standort tätig. (ts)

Die PDF zur Studie finden Sie hier (Englisch): Earliest occupation of the Central Aegean (Naxos), Greece: Implications for hominin and Homo sapiens’ behavior and dispersals



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion