Schwerkraft sehen: Was nach Berg aussieht, kann auch nach unten gehen

Schwerkraft begleitet Menschen auf Schritt und Tritt: nach oben, nach unten und im ungünstigen Fall der Länge nach. Eine Studie zeigt, wie Menschen ihre Bewegungen planen, indem sie die Schwerkraft sehen, bevor sie sie fühlen.
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Ein Mann auf einem Laufband.Foto: iStock
Epoch Times27. Januar 2020

Die Schwerkraft ist eine unsichtbare Kraft, die unser ganzes Leben beherrscht. Sie macht es schwierig, bergauf zu gehen, und bewirkt, dass Äpfel nach unten fallen. Sie ist unnachgiebig, überall, und eine Kraft, mit der wir bei jeder Bewegung kämpfen. Aber wie erklären sich Menschen diesen unsichtbaren Einfluss, wenn sie sich durch die Welt bewegen?

In einer neuen Studie in Frontiers in Neuroscience wurde eine virtuelle Realität genutzt, um zu ermitteln, wie Menschen ihre Bewegungen planen – indem sie die Schwerkraft anhand von visuellen Hinweisen in der Landschaft um sie herum „sehen“, anstatt sie durch Veränderungen des Gewichts und der Balance zu „fühlen“.

Der Doktorand Desiderio Cano Porras, der in Dr. Meir Plotniks Labor am Sheba Medical Center (SMC) in Israel arbeitete, und seine Kollegen fanden heraus, dass unsere Fähigkeit, den Einfluss der Schwerkraft zu antizipieren, von visuellen Hinweisen abhängt, damit wir sicher und effektiv bergab und bergauf gehen können.

Entkopplung von visuellen und haptischen Wahrnehmungen

Um den Einfluss des Sehens und der Schwerkraft auf unsere Bewegungen zu bestimmen, rekrutierten die Forscher eine Gruppe von 16 jungen, gesunden Erwachsenen für ein Virtual-Reality-Experiment (VR). Die Forscher entwarfen eine VR-Umgebung, die das Ebene sowie das bergauf und bergab gehen simulierte.

Die Teilnehmer tauchten in ein groß angelegtes Virtual-Reality-System ein, in dem sie auf einem realen Laufband mit veränderlicher Steigung gingen. Während des gesamten Experiments entsprach die visuelle VR-Umgebung entweder den physischen Hinweisen (welche die Teilnehmer auf dem Laufband erfuhren) oder nicht.

Mit diesem Aufbau konnten die Forscher die visuellen und physischen Signale, die Menschen bei der Erwartung von Steigungen und Gefällen erfahren, unterbrechen. Wenn die Teilnehmer in der visuellen VR-Szenerie eine bergab gehende Umgebung sahen, positionierten sie ihre Körper, um mit dem „Bremsen“ zu beginnen und bergab zu gehen.

Das geschah, obwohl das Laufband tatsächlich flach oder in einer Steigung blieb. Sie fanden auch das Gegenteil – die Teilnehmer bereiteten sich auf mehr „Anstrengung“ vor, um in der VR-Umgebung bergauf zu gehen, obwohl das Laufband flach blieb oder nach unten zeigte.

Schwerkraft: Erst sehen, dann fühlen

Die Forscher beobachteten, dass rein visuelle Hinweise die Menschen dazu veranlassten, ihre Bewegungen anzupassen, um die vorhergesagten schwerkraftbasierten Veränderungen zu kompensieren. Das heißt „Bremsen“ in Erwartung einer Schwerkraftverstärkung bergab und „Anstrengung“ in Erwartung eines Gravitationswiderstandes bergauf.

Während sich die Teilnehmer anfangs auf ihr Sehvermögen verließen, passten sie sich schnell an die realen Bedingungen auf dem Laufband an, indem sie einen „sensorischen Neubewertungsmechanismus“ einsetzten, der körperbezogene Hinweise gegenüber visuellen neu gewichtete. Auf diese Weise konnten die Teilnehmer die sensorische Fehlanpassung überwinden und weiter gehen.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen die multisensorischen Interaktionen: Das menschliche Gehirn erhält Informationen über Kräfte normalerweise von den ‚Tastsinnen‘; es erzeugt jedoch ein Verhalten als Reaktion auf die Schwerkraft, indem es sie zuerst „’sieht‘, ohne sie zunächst zu ‚fühlen'“, sagt Dr. Plotnik.

Dr. Plotnik erklärt, dass die Studie eine aufregende Anwendung neuer und aufkommender VR-Technologie darstellt. „Viele neue digitale Technologien, insbesondere die virtuelle Realität, ermöglichen ein hohes Maß an Mensch-Technik-Interaktionen und Immersion. Wir haben diese Immersion genutzt, um die komplexe visuell-lokomotorische Integration, die durch menschliche Sinnessysteme erreicht wird, zu erforschen und zu entwirren“.

Dr. Plotnik stellt fest: „Diese Studie ist nur eine ‚Momentaufnahme‘ einer spezifischen Aufgabe, die den Übergang zum Bergauf- oder Bergabgehen beinhaltet. Ziel ist es in der Zukunft, auch die beteiligten neuronalen Mechanismen und die möglichen klinischen Auswirkungen auf Diagnose und Behandlung zu untersuchen“. (SMC/ts)




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