Aiwanger will seine 25 Antworten noch vor dem Wochenende einreichen

Werden die Erklärungen von Hubert Aiwanger ausreichen, um Markus Söder zu besänftigen, oder platzt am Ende die Regierungskoalition? Noch heute will der bayerische Vize-Regierungschef 25 Antworten in der Münchener Staatskanzlei einreichen.
Hubert Aiwanger äußert sich in München zur Flugblatt-Affäre.
Der „Freie Wähler“-Chef und bayerische Regierungsvize Hubert Aiwanger hat sich am 31. August in München entschuldigend zur Flugblattaffäre geäußert.Foto: Lennart Preiss/dpa
Von 1. September 2023

Die Flugblattaffäre rund um den bayerischen Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger („Freie Wähler“, FW) ist trotz dessen Bitte um Verzeihung noch nicht ausgestanden. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beharrt darauf, dass sein Stellvertreter möglichst bald eine schriftliche Stellungnahme liefern soll, auf deren Grundlage er über Aiwangers Zukunft entscheiden will – und damit womöglich über das bayerische Regierungsbündnis.

„Für mich ist wichtig, dass die 25 Fragen jetzt umfassend und glaubwürdig beantwortet werden, und zwar zeitnah. Und zeitnah heißt am besten noch heute, im Laufe des Tages“, sagte Söder bereits am Donnerstag in Bechhofen. Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) will Aiwanger seine Replik der Staatskanzlei tatsächlich noch im Laufe des 1. Septembers zukommen lassen.

25 Fragen offen

Söder hatte Aiwanger am Dienstag, 29. August, die Hausaufgabe gestellt, nachdem er ihn im Koalitionsausschuss über seine frühere politische Gesinnung in die Mangel genommen hatte.

Aiwanger war wenige Tage zuvor wegen eines Flugblatts, das er als 17-jähriger Gymnasiast in seiner Schultasche verwahrt hatte, von der „Süddeutschen Zeitung“ in ein schlechtes Licht gerückt worden. Aiwanger bestritt die Urheberschaft des Textes und distanzierte sich. Wenig später gab sein älterer Bruder Helmut zu Protokoll, der Verfasser gewesen zu sein und sich heute dafür zu schämen.

Aiwanger räumt Fehler ein und bittet um Entschuldigung

Nachdem unter der Woche immer weitere Einzelheiten und Vorwürfe zum Fall ans Tageslicht gekommen waren, sah sich der Bundes- und Landeschef der „Freien Wähler“ am Nachmittag des 31. August offensichtlich kurzfristig gezwungen, öffentlich Stellung zu beziehen. Dabei räumte er ein, „als Jugendlicher auch Fehler gemacht“ zu haben. Das liege 36 Jahre zurück.

Er habe aber das „abscheuliche Pamphlet“ nicht verfasst, „keine Hitlerreden vor dem Spiegel einstudiert“ und könne sich auch nicht daran erinnern, jemals einen Hitlergruß gezeigt zu haben. Dennoch bat er um Verzeihung:

Ich bereue zutiefst, wenn ich durch mein Verhalten in Bezug auf das in Rede stehende Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen mich aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe. […] Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten und der wertvollen Erinnerungsarbeit. […] Ich war nie ein Antisemit.“

Aiwanger beteuerte erneut, sich „in jeder Form von dem ekelhaften Inhalt“ des Papiers zu distanzieren. Vorwürfe, nach denen er als Jugendlicher „menschenfeindliche Witze“ gemacht habe, könne er „weder dementieren noch bestätigen“: „Sollte dies geschehen sein, so entschuldige ich mich dafür in aller Form.“

Widerstand gegen „politische Kampagne“

Aiwanger betonte nach Angaben der „Bild“ aber auch, dass es für ihn nicht akzeptabel sei, wenn seine früheren „Verfehlungen jetzt in einer politischen Kampagne gegen mich und meine Partei instrumentalisiert“ würden: „Ich habe den Eindruck, ich soll politisch und persönlich fertiggemacht werden.“

Markus Söder begrüßte Aiwangers Bitte um Entschuldigung laut FAZ als „dringend notwendig“ und „auch überfällig“. Er warte noch immer auf die Beantwortung der 25 Fragen, um eine „faire, abgewogene und glaubwürdige Entscheidung“ treffen zu können. Auch Ludwig Hartmann, der Landtagsfraktionschef der Grünen, nannte Aiwangers Stellungnahme „überfällig“. Sie sei aber nicht ausreichend, weil „zu viele Fragen“ offen blieben.

Ähnlich äußerte sich nach Informationen der „Deutschen Presse-Agentur“ Ricarda Lang, die Co-Parteivorsitzende der Grünen, am Rand eines Nürnberger Volksfests: Die Bürgerinnen und Bürger hätten ein Recht auf eine „Landesregierung mit Anstand“. Dazu gehöre es, „dass man sich ehrlich“ entschuldige, „dass man alle Informationen auf den Tisch“ lege und „dass dann auch Konsequenzen daraus gezogen“ würden. Das vermisse sie bisher „beim stellvertretenden Ministerpräsidenten, aber ehrlicherweise auch beim Ministerpräsidenten“, habe Lang gesagt.

„Erst bekundet Aiwanger Reue, dann stellt er sich doch wieder als Opfer dar“, meinte Katja Mast, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag nach dpa-Angaben. Die „kurze Erklärung“ komme sehr spät und sei in Wirklichkeit keine.

Zentralrat der Juden nicht ganz überzeugt

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, gab sich „Bild“ zufolge ebenfalls nicht vollständig mit Aiwangers Auftritt zufrieden: Die Entschuldigung „bei den Opfern und Hinterbliebenen der Schoah“ sei zwar „ein guter, wenn auch längst überfälliger Schritt“, erkannte Schuster an.

„Bedauerlicherweise“ aber habe Aiwanger diesen Schritt „mit einer Klage über eine politische Motivation der Vorwürfe“ verbunden. Damit lasse der Politiker „weiterhin den Willen zu offener Aufklärung vermissen“.

Journalistenverband: „Kruder Unsinn“

Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall nannte Aiwangers Kampagnenvorwurf „kruden Unsinn, mit dem Hubert Aiwanger bei den Verschwörungsideologen andockt“. Der Spitzenpolitiker besitze „noch nicht einmal rudimentäre Kenntnisse über Journalismus und Medien“. Immerhin sei es die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten, kritisch über das politische Spitzenpersonal zu berichten, „auch wenn das den Damen und Herren Politikern“ nicht gefalle.

Statt aus der Berichterstattung über einen Politiker, der womöglich eine Nähe zum Antisemitismus gehabt habe, „einen Kampagnenvorwurf zu stricken“, solle Aiwanger lieber aktiv zur Aufklärung der Vorwürfe beitragen, meinte Überall.

Historiker Wolffsohn zeigt Verständnis

Gnädiger gab sich erneut der Historiker Prof. Michael Wolffsohn. Nach Angaben von „Bild“ nannte er Aiwangers Entschuldigung „in Ton und Inhalt überzeugend […]. Solange die Fakten seiner Aussage nicht widersprechen, gilt der fundamentale europäische Wert: im Zweifel für den Angeklagten.“

Falls nichts Grundlegendes dazwischen kommt, wird sich Agenturangaben zufolge am Donnerstag, 7. September, auch noch der „Zwischenausschuss“ des bayerischen Landtags mit der Causa Aiwanger befassen. Den Antrag dazu hatten nach Landtagsangaben Vertreter der Grünen, der SPD und der FDP gestellt.

Mit Informationen aus Agenturen



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