Bankenkrise – Welche Bankenkrise? Ist die nicht vorbei? Wie geht es weiter?

Die Bankenkrise läuft weiter, in Zeitlupe. Vorbei ist sie nicht, nur aus den Medien verschwunden. Wenn die kleinen Regionalbanken Probleme bekommen, bekommt auch die regionale Wirtschaft Probleme. Und genau das zeichnet sich momentan ab. Eine Analyse.
Titelbild
Händler auf dem Parkett der New Yorker Börse am 26. April 2023 in New York City.Foto: Michael M. Santiago/Getty Images
Von 30. April 2023


Silicon Valley Bank, Signature Bank, First Repblic Bank, Credit Suisse – mehrere in Insolvenz und fast in Insolvenz gegangene Banken beherrschten die Schlagzeilen Mitte März. Die Börsen gingen stark nach unten, an den Finanzmärkten herrschte große Unruhe. Die US-Notenbank, die US-Regierung und die Schweizerische Notenbank ergriffen dramatische Notmaßnahmen, um eine drohende Bank- und vielleicht sogar eine allgemeine Finanzkrise zu verhindern. 

Und heute? Banken und Bankenkrise sind als Themen aus den Medien fast verschwunden, die Börsen laufen relativ gut und die Märkte haben sich offenbar beruhigt. Also alles gut? 

Auf den zweiten Blick ist weder „alles gut“ noch ist die Bankenkrise vorbei. Sie ist lediglich nicht mehr akut.

Das „Wall Street Journal“ beschäftigt sich nach wie vor intensiv mit der Bankenfrage und spricht von einer „Bankenkrise in Zeitlupe“. Am 27. April erschien dort ein Artikel mit dem Titel: „Die Bank-Unruhen sind nur die Spitze des Schulden-Eisbergs“.

Die Bankaktien innerhalb des S&P 1.500 wurden Mitte April 2023 so niedrig bewertet wie fast noch nie in diesem Jahrhundert. Das KGV betrug lediglich acht. Auch in Europa ist die Bankenkrise alles andere als vorbei.

Woher kommen die Bankenprobleme?

Kern der jüngsten Bankprobleme ist, dass die westlichen Notenbanken in den letzten 15 Jahren die Notenbankgeldmenge dramatisch ausgeweitet und die Zinsen lange Zeit nahe null gehalten haben. Angesichts der Geldschwemme, insbesondere während der Lockdown-Zeit, haben daraufhin die Banken in den USA, aber auch in Europa viele langfristige Kredite mit sehr niedriger Verzinsung herausgegeben und da sie nicht alle Einlagegelder in Form von Krediten unterbringen konnten, viele langlaufende Anleihen mit sehr niedriger Verzinsung gekauft. 

Weil sowohl die kurz- als auch die langfristigen Zinsen seit Anfang 2022, ausgelöst durch die Inflation und die anschließenden starken Zinserhöhungen der US-amerikanischen Zentralbank, sprunghaft angestiegen sind – um etwa 3 Prozentpunkte –, haben die Banken nun ein Ertragsproblem: Sie müssen sich jetzt zu stark gestiegenen Einlagezinsen refinanzieren, müssen also an ihre Einleger relativ hohe Zinsen zahlen und haben daher einen stark gestiegenen Zinsaufwand. Sie bekommen aber von ihren Kreditnehmern beziehungsweise ihren Anleihebeständen aus den langfristigen Geldanlagen weiterhin nur relativ niedrige Zinserträge. 

Es wird noch Jahre dauern, bis sich diese Ertragsklemme der Banken langsam abgebaut hat, indem die niedrig verzinslichen langfristigen Kredite allmählich auslaufen und die Anleihen fällig werden. Nach Meinung des „Wall Street Journal“ dürfte die Ertragsklemme noch jahrelang anhalten. Daher die derzeit säkular niedrige Bewertung der US-Bankaktien.

Dazu kommt, dass insbesondere die hohen Kredite an Gewerbeimmobilien in den USA – etwa 5.400 Milliarden US-Dollar oder ungefähr ein Fünftel des US-Sozialprodukts – momentan für die Banken problematisch sind, da viele Gewerbeimmobilien mit hohen Leerstandsquoten und verfallenden Immobilienpreisen kämpfen. Angesichts der erwarteten Konjunkturschwäche im Laufe des Jahres 2023 dürften einige Kreditausfälle auf die Banken zukommen, sowohl in den USA wie in Europa.

Was sind die Folgen? 

Kurz: Die Bankenkrise ist nach Meinung des „Wall Street Journals“ alles andere als vorbei. Schwache Banken führen zu schwacher Kreditvergabe. Schwache Kreditvergabe führt zu schwachem Wirtschaftswachstum.

Aber nicht nur diese allgemeine Entwicklung ist unerfreulich.

Besonders interessant ist, dass es große und kleine Banken in ganz unterschiedlichem Ausmaß trifft und weiter treffen dürfte. Die Bankturbulenzen im März 2023 haben dazu geführt, dass viele Anleger verunsichert sind, ob sie ihre Einlagen von kleineren Banken im Falle von Kreditausfällen in voller Höhe zurückbekommen.

Daher hat in den letzten Wochen in den USA eine starke Kapitalflucht von kleinen zu großen Banken eingesetzt: Regionalbanken verloren im letzten Monat 212 Milliarden US-Dollar Einlagen, während die 25 größten Banken 18 Milliarden dazugewannen. Nach dem Motto „too big to fail“ gehen viele Anleger davon aus, dass ihre Anlagen bei den Großbanken im Gegensatz zu kleineren Kreditinstituten sicher sind.

Denn Großbanken dürften von der Regierung, so die Vermutung, auf jeden Fall gerettet werden. Nicht jedoch unbedingt kleine und mittelgroße Banken, die nicht als systemrelevant gelten, das heißt, die man insolvent gehen lassen kann, ohne dass sie einen Dominoeffekt auslösen und die Finanzmärkte zum Absturz bringen.

Das führt dazu, dass kleine und mittlere Banken in den USA derzeit – im Gegensatz zu den Großbanken – unter Druck kommen. Sie müssen deutlich höhere Einlage-Zinsen bieten als die Großbanken, um Kunden zu halten und müssen daher auch ihre Kreditzinsen deutlich erhöhen. Das bewirkt starke Wettbewerbsnachteile gegenüber den Großbanken. Was bedeutet das für ein Land?

Die großen Vorteile von kleinen Regionalbanken

Die Finanzkrise von 2008 hat gezeigt, dass große überregionale Banken sehr viel weniger verantwortungsvoll handeln als kleine oder mittelgroße, regional verwurzelte Banken.

Vor 2008 wurden vor allem in den USA Immobilienkredite eingegangen, von denen die Banker teilweise genau wussten, dass sie kaum zurückzahlbar waren. Diese Problemkredite wurden in Wertpapiere umgewandelt (sogenannte Asset Backed Securities) und über die Börsen an weit entfernte Anleger verkauft, insbesondere in Europa, die dann den Schwarzen Peter bzw. die Kreditausfälle zu tragen hatten.

Auf diese Weise ist die US-Immobilienkrise direkt nach Europa exportiert worden. Die jahrelangen Gewinne landeten bis 2008 bei den US-Investmentbanken und Kreditanbahnern, die lukrative Provisionen verdienten. Die Risiken und später die Verluste wurden zum guten Teil ins Ausland abgeschoben.

Ein solch verantwortungsloses Verhalten können sich kleine Regionalbanken, wie zum Beispiel Raiffeisenbanken oder Sparkassen, die vor Ort stark verwurzelt sind und die ihre Kunden sowohl im Einlagen- wie im Kreditgeschäft persönlich kennen, nicht leisten.

Man konnte aus der Finanzkrise lernen: Je weiter die Banker vom Kunden entfernt sind, desto verantwortungsloser ist das Bankverhalten. Umgekehrt gilt: Je stärker regional verwurzelt eine Bank ist, desto verantwortungsvoller handelt sie in der Regel. Unter Ethikgesichtspunkten sind kleinere Regionalbanken ein wahrer Lichtblick.

Dazu kommt: Regionalbanken sind besonders wichtig für die regionale Wirtschaft. US-Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten bekommen 70 Prozent ihrer Kredite von kleinen und mittelgroßen Banken. In ländlichen Regionen sind es gar 90 Prozent. Wenn die kleinen Regionalbanken Probleme bekommen, bekommt auch die regionale Wirtschaft Probleme. Und genau das zeichnet sich momentan in den USA ab.

Die derzeit in Zeitlupe ablaufende Bankenkrise bedeutet eine systematische und nach Meinung des „Wall Street Journal“ länger anhaltende Verlagerung von Geldern: Weg von kleinen und mittleren Regionalbanken hin zu den großen Banken, Fonds und Unternehmen. 

Zunehmende Konzentration im Bankwesen

Die zunehmende Konzentration im US-Bankwesen besteht schon seit mehreren Jahrzehnten: 1983 gab es in den USA mit 14.469 die höchste Zahl an selbstständigen Banken. 2022 waren es noch 4.135. Das ist eine Schrumpfung um 71 Prozent in den letzten 40 Jahren. Die Anzahl an Bankfilialen betrug in den USA 2009, dem Höchststand, 85.834. 2022 waren es noch 71.190. Das entspricht einem Rückgang um 17 Prozent in den letzten 13 Jahren.

Nimmt man die Anzahl der selbstständigen Bankinstitute und die Zahl der Filialen zusammen, ergibt sich also ein starker Konzentrationsprozess in den letzten Jahrzehnten. Das führt laut „Wall Street Journal“ zu einer Schwächung von kleinen und mittelständischen Unternehmen – zugunsten der Großbanken und der großen Kapitalien.

Die gleichen Trends wirken auch in Europa. In der EU ist die Zahl der Banken allein im Zuge der Finanzkrise von 2008 bis 2016 um 23 Prozent auf 6.596 Banken zurückgegangen.

In Deutschland gab es laut dem jüngsten Bankstellenbericht der Deutschen Bundesbank 1991 noch über 4.700 selbstständige Kreditinstitute, 2021 waren es nur noch 1.519.

Das entspricht einem Rückgang um über zwei Drittel, das heißt zwei von drei Banken haben in den letzten 20 Jahren bei uns dicht gemacht. Die Zahl der Zweigstellen betrug 2021 21.712, 1991 waren es noch 54.089 gewesen. Das entspricht laut Bundesbank einem Rückgang „auf nur noch zwei Fünftel“. Also auch in Deutschland sieht man eine extreme Konzentrationsentwicklung im Bankwesen.

Was steckt dahinter?

Dieser Trend im Bankwesen spiegelt gut die Entwicklungen der vergangenen 40 bis 50 Jahre, in denen in Industrieländern eine zunehmende Konzentration von Vermögen, Kapital und Macht bei immer größeren Konzernen und den hinter ihnen stehenden Multimilliardären stattfand.

In den USA wurde 2021 die höchste Vermögenskonzentration der US-Geschichte ausgewiesen: 0,01 Prozent der Bevölkerung gehörten zehn Prozent aller US-Vermögen. Das ist eine noch höhere Konzentration als selbst im Jahr 1913 zu Zeiten von Rockefeller und JPMorgan. Die Bankenkrise von März 2023 ist eine Art Verstärker dieses seit Langem zu beobachtenden Trends zu weniger und weniger Wettbewerb und mehr und mehr Machtkonzentration.

Seit Jahrzehnten nimmt die Ungleichverteilung in der westlichen Welt zu. Über Lobbyarbeit nehmen die großen Konzerne und die Milliardäre immer stärkeren Einfluss auf die Politik, insbesondere über die wenigen großen Medienkonzerne. Die Milliardäre und Konzernlenker sind nie in irgendeiner politischen Wahl von den Bürgern demokratisch gewählt worden.

Diese zunehmende Machtkonzentration, eine immer stärkere Bündelung von ökonomischer Macht, ist bei relativ wenigen Menschen zu sehen. Es ist eine ökonomische Macht, die sich zunehmend in politische Macht übersetzt. Mit Demokratie hat das nicht viel zu tun, eher mit einer Oligarchie oder Aristokratie. Auswege sind denkbar, wenn das Problem bewusst wird.

Zum Autor

Prof. Dr. Christian Kreiß (geb. 1962), Promotion in Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte an der LMU München. Neun Jahre Berufstätigkeit als Bankier, davon sieben Jahre als Investmentbanker. Seit 2002 Professor für Finanzierung und Volkswirtschaftslehre. Er ist Autor von sieben Büchern, darunter „Das Mephisto-Prinzip in unserer Wirtschaft“. Es kann aktuell kostenfrei hier heruntergeladen werden. www.menschengerechtewirtschaft.de

 



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion