Der Deutschen liebstes Auto: Verpönt und teuer, aber noch für Jahrzehnte unverzichtbar

Das eigene Auto wird als Fortbewegungsmittel seit Jahren immer mehr verteufelt und ständig teurer gemacht. Doch den privaten PKW werden sich die meisten wohl auch weiter leisten (müssen) – auch wenn Umfragen andere Wünsche offenbaren. Eine Analyse.
Reiseverkehr auf der Autobahn A1 Höhe Moorfleet.
Das Auto wird in absehbarere Zukunft nicht aus Deutschland wegzudenken sein.Foto: Markus Scholz/dpa
Von 4. Januar 2023

Das Auto galt lange als des Deutschen liebstes Kind. Die deutschen Regierungen fanden das jahrzehntelang gut, weil die Nachfrage für Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze, Mobilität und damit für individuelle Freiheit sorgte. Doch solche Gedanken stehen in der veröffentlichten Meinung schon lange nicht mehr hoch im Kurs: Der privat genutzte PKW ist allgemein zum politisch-medialen Feindbild geworden, weil er CO2 ausstößt, Lärm verursacht, nicht ohne Risiko bewegt werden kann und Platz braucht.

Politikerinnen und Politiker versuchen seit Jahren, die Menschen zum Verzicht oder wenigstens zum Umstieg auf elektrisch betriebene Alternativen, öffentliche Transportmittel oder Fahrräder zu bewegen. Allerlei Mittel wurden ersonnen, wie das gelingen könnte: Verknappung von ohnehin rarem Parkraum in den Städten, dazu Tempo-30-Zonen, Fahrbahnschwellen, immer schärfere Abgasnormen, Geschwindigkeitskontrollen, jahrelang verwaiste Baustellen und nicht zuletzt die immer stärker angezogene Preisschraube sollen den Autofahrern das Leben möglichst schwer machen. Als aktueller Höhepunkt des Anti-Auto-Zeitgeistes dürften auch die Straßenblockaden durch sogenannte „Klima-Aktivisten“ gelten. All das scheint allmählich Wirkung zu zeigen, sofern man Umfragen Glauben schenken kann.

Ganz ohne Auto leben?

Im Sommer 2018 hatten noch mehr als vier von fünf Autofahrern (82 Prozent) in Deutschland angegeben, auf keinen Fall auf den eigenen Wagen verzichten zu wollen. „Jeder Zweite (54 Prozent) würde eher auf Beförderung und Gehaltserhöhung verzichten als auf einen eigenen Wagen“, hieß es seinerzeit in der Forsa-Umfrageanalyse von „Mobile.de“. „Selbst in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern sowie bei 18- bis 29-Jährigen“ wollten 72 Prozent das eigene Auto nicht missen. In „ländlichen Regionen“ habe der Wert sogar bei 89 Prozent gelegen. Die Rolle des Autos habe sich allerdings schon damals gewandelt – weg vom Statussymbol, hin zum Alltagshelfer, betont „Mobile.de“. Schon 2018 sei eine niedrige Umweltbelastung 78 Prozent der Befragten wichtig oder sehr wichtig gewesen.

Im März 2020 sah es mit der Verzichtsbereitschaft schon etwas anders aus. Nur noch 35 Prozent der Einwohner in Deutschland würden selbst dann nicht auf den Privat-PKW verzichten wollen, wenn „der Nahverkehr günstiger wäre oder andere Alternativen wie Carsharing besser ausgebaut würden“, wie es in einem Artikel aus der Zeitung „Welt am Sonntag“ vom März 2020 hieß, der sich ebenfalls mit einer repräsentativen Umfrage des Autoportals „Mobile.de“ beschäftigte.

Im selben Jahr gaben in einer Umfrage zum weltweiten Autoverzicht nach Angaben des Statistischen Bundesamts 45 Prozent der Bewohner Deutschlands an, „ohne ihr Auto leben zu können“.

92 Prozent für besseren ÖPNV und niedrigere Preise

Das entspricht fast dem Ergebnis einer TÜV-Umfrage aus dem Jahr 2021, in der vier von zehn der 1.004 Befragten angegeben hatten, ihr Mobilitätsverhalten bereits „überdacht“ zu haben, wie das Online-Portal „EFahrer.com“ schreibt. Im Durchschnitt hätten zum Zeitpunkt der Umfrage bereits 13 Prozent der Menschen im fahrfähigen Alter aus Umweltschutzgründen auf einen eigenen PKW verzichtet. Dabei sei die Zahl mit 21 Prozent in Großstädten deutlich höher gewesen als in kleineren Städten und Gemeinden (8 Prozent). 92 Prozent der Umfrageteilnehmer hätten angegeben, dass ihnen ein besseres ÖPNV-Netz und niedrigere Preise „sehr wichtig“ wären. 79 Prozent sprachen sich für einen deutlichen Ausbau des Radverkehrsnetzes aus. 55 Prozent würden es begrüßen, wenn Straßen zugunsten von Fahrradfahrern und Fußgängern gesperrt würden. In der Umfrage seien aber Menschen nicht berücksichtigt worden, die „wirklich auf dem Land zu Hause sind und nicht in Groß- oder Kleinstädten“.

Dem gegenüber steht eine Umfrage des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2021, nach dem das Auto für 76 Prozent der Befragten immer noch jenes Verkehrsmittel war, „auf welches die meisten Personen angewiesen“ waren. „Rund 42 Prozent“ hätten angegeben, nicht auf den ÖPNV verzichten zu können.

Grundsätzlich verzichtsbereit, aber…

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wohl immer mehr Menschen in Deutschland behaupten, grundsätzlich bereit zu sein, auf den eigenen PKW zu verzichten, sofern die Alternativen – speziell das öffentliche Verkehrswesen – auch in der Fläche ausreichend und zu günstigen Fahrpreisen vorhanden wären.

Ob solche Umfrage-Aussagen der Realität standhalten, sei dahingestellt. Denn der Bestand an Kraftfahrzeugen und zurückgelegten Autokilometern nimmt in Deutschland stetig zu. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren 2022 neben etwa 3,55 Millionen LKW und rund fünf Millionen Motorrädern 48,5 Millionen PKW angemeldet – mehr als 5.700 Autos auf 10.000 Einwohner. Die Zahl der gefahrenen Kilometer nahm nach Angaben des Bundesumweltamts bis 2019 beinahe kontinuierlich zu und erlebte erst seit dem Corona-Jahr 2020 einen knapp zehnprozentigen Rückgang. Neuere Daten wurden noch nicht veröffentlicht.

Stetiger Anstieg der Fahrtkosten

Selbstverständlich spielen auch beim Thema Mobilität die Kosten eine wichtige, wenn auch nicht die wichtigste Rolle. Und die sind in den vergangenen Jahren nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts kräftig gestiegen. Gemessen am Verbraucherpreisindex des Jahres 2015 waren bis Mai 2022 besonders die Rechnungen für Reparaturen und Inspektionen (plus 20 Prozent) und für Kraftstoffe (plus 11,7 Prozent) nach oben geschnellt. Insgesamt habe man zwischen 2015 und 2022 eine durchschnittliche Kostensteigerung von 8,7 Prozent für den Unterhalt eines Autos gemessen.

Exakt dieselbe durchschnittliche Kostensteigerung taucht bei der Entwicklung der Verbraucherpreise für Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln im gleichen Zeitraum auf. Sie wäre noch höher, wenn der Bahn-Fernverkehr nicht 13,6 Prozent billiger geworden wäre als im Jahr 2015. Denn besonders der Bahn-Nahverkehr (plus 16 Prozent) und das Taxigeld (plus 13,1 Prozent) sorgen für immer mehr Ebbe im Geldbeutel.

Streit um Zukunft der Mobilität

Die Parteien in der Ampel-Regierung sind sich offenbar uneinig, welche Hebel für eine Verkehrspolitik der Zukunft gezogen werden sollten. Während Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nach Informationen eines „Welt“-Artikels davon ausgehe, dass die Straße auch langfristig der wichtigste Platz für persönliche Mobilität bleiben werde, wollten die Grünen mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Entsprechend unterschiedlich sei ihr Ansatz zum Auto: Wissing favorisiere den Umstieg vom Benzin- und Dieselmotor auf Hybrid- oder Elektroantriebe. Die Grünen setzten auf eine Umschichtung der Anstrengungen für den Straßenbau zugunsten des Bahnverkehrs.

Das schlägt sich offenbar auch in den Haushaltsplanungen nieder. Nach Informationen der Verkehrsinfrastruktur-Initiative „Pro Mobilität“ werden sich die Kostenposten für Investitionen in Fernstraßen im Bundeshaushalt zumindest in den kommenden Jahren nicht allzu viel verändern: Bis 2026 seien jährliche Ausgaben zwischen 8,4 und 8,9 Milliarden Euro veranschlagt worden. Was Investitionen in das Schienennetz angehe, sei eine jährliche Steigerung von 8,85 Milliarden (2023) bis auf 10,5 Milliarden (2026) geplant. „Unter Berücksichtigung von Inflation und Baupreissteigerungen werden in Zukunft deutlich weniger Bauprojekte an unseren maroden Straßen und Brücken durchgeführt werden können“, stellt die Initiative fest.

Ein „Infrastrukturdialog“ solle nach dem Willen von Verkehrsminister Wissing nun bis 2024 helfen, die Meinungsgräben zuzuschütten – unter Berücksichtigung diverser Verbandsinteressen. Ziel ist laut „Welt“ ein „Bundesverkehrswegeplan 2040“. Erste Bedarfsprognosen des Beratungsunternehmens „Intraplan“ hätten ergeben, dass sich an den gewachsenen Mobilitätsgewohnheiten in Deutschland bis 2041 kaum etwas ändern werde.

Europa und das Auto

Deutschland ist trotz seines absoluten Spitzenplatzes bei der Anzahl zugelassener PKW übrigens keineswegs das Autoland Nummer eins in der EU. Gemessen an Fahrzeugen pro tausend Einwohner lag Luxemburg im Jahr 2019 mit 694 Autos vorn, Italien mit 655 auf Rang zwei. Deutschland lag mit 575 nur knapp vor Frankreich (570) und dem EU-Durchschnitt (569). Die meisten Autos pro 1.000 Einwohner beherbergen nach Informationen des Statistik-Portals „Welt-in-Zahlen“ die Nicht-EU-Länder Andorra (927), Monaco (708) und Liechtenstein (706).



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