Die Corona-Politik der Ampel gerät in schwieriges Fahrwasser

Die allgemeine Corona-Impfpflicht in Deutschland ist vorerst vom Tisch. Der entsprechende Gesetzentwurf aus den Reihen der Ampel-Fraktionen wurde am Donnerstag im Bundestag mehrheitlich abgelehnt. Die Schlappe trifft insbesondere einen Minister, der sich ohnehin schon in schwierigem Fahrwasser befindet.
Titelbild
Bundeskanzler Olaf Scholz (l) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Berlin am 30. März 2022.Foto: KAY NIETFELD/POOL/AFP via Getty Images
Epoch Times7. April 2022


Bei der Abstimmung über eine mögliche Impfpflicht erlitten die Befürworter aus der Ampel-Koalition am Donnerstag eine Niederlage. Auch wenn das Regierungsbündnis keinen eigenen Entwurf dafür einbrachte, stellt die Entscheidung gegen den Gesetzentwurf doch eine schwere Schlappe für die Corona-Politik der Regierung dar – insbesondere für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Union und FDP stimmen fast geschlossen gegen Impfpflicht

Ein quasi in letzter Minute gebastelter Kompromiss sollte noch die Wende bringen. Die Befürworter einer Impfpflicht ab 18 taten sich mit der Gruppe um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann zusammen, die eine verpflichtende Beratung mit möglicher Impfpflicht ab 50 vorgeschlagen hatte.

Doch auch dieser Zwischenschritt half nichts: Neben der AfD stimmten auch CDU/CSU und FDP fast geschlossen gegen den Gruppenantrag aus den Reihen der Ampel-Koalition. Die meisten Befürworter zu dem Gesetzentwurf gab es erwartungsgemäß bei den Grünen und bei der SPD.

Laut den Ergebnissen der namentlichen Abstimmung wurden von CDU/CSU-Abgeordneten 176 Nein-Stimmen und drei Ja-Stimmen abgegeben. 18 Abgeordnete nahmen nicht an der Abstimmung teil. Bei der FDP gab es 79 Nein-Stimmen und fünf Ja-Stimmen bei acht abwesenden Abgeordneten. Die AfD stimmte geschlossen mit Nein bei vier Abwesenden. Eine mehrheitliche Ablehnung gab es auch bei der Linken mit 29 Mal Nein, siebenmal Ja, einer Enthaltung und zwei Abwesenden.

Von den SPD-Abgeordneten stimmten 179 mit Ja und neun mit Nein bei fünf Enthaltungen und 13 nicht anwesenden Parlamentariern. Bei den Grünen gab es 102 Ja-Stimmen, darunter die von Außenministerin Annalena Baerbock, die auf Wunsch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für die Abstimmung vorzeitig Nato-Beratungen zur Ukraine in Brüssel verließ. Sechs Grünen-Abgeordnete stimmten mit Nein, drei enthielten sich und sieben nahmen nicht teil.

Der Antrag der Gruppe um den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki gegen eine Impfpflicht wurde außer von der Mehrheit der FDP-Fraktion auch von drei SPD-Abgeordneten, darunter Ex-Außenminister Heiko Maas, sowie sechs Unions-Abgeordneten unterstützt. Ebenfalls dafür stimmten drei Grünen-Abgeordnete, elf Linken-Abgeordnete, darunter Gregor Gysi, und der AfD-Politiker Alexander Gauland.

Der Antrag der Union für die Vorbereitung einer möglichen, späteren Impfpflicht wurde hauptsächlich aus CDU und CSU unterstützt. Ja-Stimmen aus anderen Fraktionen gab es kaum.

Der AfD-Antrag gegen die Impfpflicht erhielt keine Stimmen aus anderen Fraktionen.

Ein „kommunikatives Desaster“

Für Lauterbach, der sich ohnehin schon in schwierigem Fahrwasser befindet, ist das Scheitern der Impfpflicht ein zusätzlicher Schlag. Gerade erst hatte der Gesundheitsminister überraschend einen Rückzieher in Sachen Isolation von Infizierten gemacht: Erst kündigte er am Montag an, dass die bisherige Verpflichtung, bei einer Corona-Infektion zu Hause zu bleiben, künftig entfallen solle. Dann kassierte er das Vorhaben am Dienstagabend kurzerhand wieder ein – und das bei der nächtlichen ZDF-Talksendung „Markus Lanz“.

Lauterbachs Agieren sei ein „kommunikatives Desaster“, kritisierte Unionsfraktionsvize Sepp Müller (CDU) am Donnerstag im Bundestag. „Diese Ampel ist in der Corona-Politik fertig.“

Es häufen sich die Fälle, in denen der Gesundheitsminister keine allzu glückliche Figur macht: Erst musste er eine im Hauruck-Verfahren verkündete Verkürzung des Genesenenstatus kassieren, dann biss er sich bei der Reform des Infektionsschutzgesetzes die Zähne an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) aus.

Buschmann setzte eine Neufassung durch, die die meisten Corona-Maßnahmen künftig nur in sogenannten Hotspots erlaubt. Von dieser Regelung machen – anders als von Lauterbach gewünscht – bislang nur zwei der 16 Bundesländer Gebrauch.

Lauterbach hofft weiter auf Impfpflicht

Bei der Corona-Politik der „Ampel“ trat die FDP schon mehrfach auf die Bremse und sprach sich gegen schärfere Maßnahmen aus. Bei der Impfpflicht suchten die Befürworter deshalb den Schulterschluss mit der CDU/CSU. Die Union mit Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) halten bis zuletzt aber an ihrer eigenen Vorlage für ein „Impfvorsorgegesetz“, das einen abgestuften Impfmechanismus vorsah, der durch einen späteren Beschluss aktiviert werden sollte. Am Ende votierten lediglich drei Unionsvertreter für das Gesetzesvorhaben zur Impfpflicht ab 60.

Einen weiteren Schlag versetzte die Union den Impfpflicht-Befürwortern der „Ampel“ am Donnerstag bei der Abstimmung über das Verfahren. Die CDU/CSU setzte durch, dass als Erstes über den Gesetzentwurf zur Impfpflicht abgestimmt wird. Demgegenüber hatte die „Ampel“ angepeilt, erst über den Unions-Antrag zu entscheiden – in der Hoffnung, nach dessen Scheitern könnten wenigstens ein paar Unionsvertreter noch für das Gesetz zur Impfpflicht ab 60 stimmen.

Nach der Niederlage vom Donnerstag will sich Lauterbach noch nicht geschlagen geben. „Um unnötige Opfer im Herbst zu vermeiden, sollte der Versuch nicht aufgegeben werden, bis dahin trotzdem eine Impfpflicht zu erreichen“, verkündete er nach der Abstimmung. Doch es ist völlig unklar, wie der Gesundheitsminister das bewerkstelligen will. (afp/dl)



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