Die Ukraine und Uranmunition: Kontroverse um den Einsatz und potenzielle Auswirkungen

Wird im Ukraine-Krieg Uranmunition eingesetzt? Diese Frage beschäftigt viele Menschen, insbesondere nachdem der russische Sicherheitsratssekretär Nikolai Patruschew vor einer radioaktiven Wolke in Richtung Europa warnte. Die Gefährlichkeit von Uranmunition und mögliche Langzeitfolgen sind weiterhin diskussionswürdig.
Großbritannien hatte jüngst angekündigt, die ukrainische Armee mit Verteidigungswaffen unterstützen zu wollen.
Setzt die ukrainische Armee Uranmunition im Krieg gegen Russland ein? Das könnte Langzeitfolgen für Mensch und Umwelt haben.Foto: Andriy Dubchak/AP/dpa
Von 13. Juni 2023

Setzt die Ukraine im Krieg gegen Russland Uranmunition ein? Das ist eine Frage, die viele Menschen in den letzten Monaten immer wieder bewegt hat. Spätestens nachdem Ende Mai der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, vor einer radioaktiven Wolke in Richtung Europa warnte, war das Thema plötzlich wieder sehr aktuell.

Kritische Infrastruktur beim Angriff auf Chmelnyzkyj zerstört

Patruschew erklärte damals, dass die radioaktive Wolke eine Folge der Zerstörung von Munition mit „abgereicherten Uran“ sei, die der Westen der Ukraine geliefert habe. Nach einem Raketenangriff auf ein ukrainisches Munitionslager in Chmelnyzkyj berichteten russische Militärblogger, dass Strahlenschutztrupps in der Stadt unterwegs seien. Nachprüfen ließen sich die Angaben nicht. Eine Anfrage der Redaktion an die Bundesregierung, welche Erkenntnisse sie über den Vorfall habe, blieb bis heute unbeantwortet.

Fakt ist aber, dass es damals eine Welle russischer Drohnen- und Raketenangriffe in und um die westukrainische Stadt Chmelnyzkyj gegeben hat. Wie die „Tagesschau“ berichtete, wurde dabei kritische Infrastruktur getroffen und 21 Menschen seien verletzt worden. Die Nachrichtensendung beruft sich hier auf Angaben des Bürgermeisters von Chmelnyzkyj. Das russische Verteidigungsministerium sprach damals davon, dass „erhebliche Bestände an Waffen und Munition“ zerstört wurden und ukrainische Truppenbewegungen „gebremst“ werden konnten.

Bundesamt für Strahlenschutz bestätigt „minimal erhöhte Radioaktivitäts-Werte“

Der „ARD-faktenfinder“ stellte damals eine Anfrage an das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Dieses bestätigte, dass eine einzelne Sonde südlich der Stadt Chmelnyzkyj zwar „minimal erhöhte Radioaktivitäts-Werte“ zeigt, die sich jedoch „im natürlichen Schwankungsbereich“ bewegten. Zudem seien sie so gering, „dass radiologische Auswirkungen auf Mensch und Umwelt ausgeschlossen sind“.

Der leicht erhöhte Wert soll nach Angaben des BfS bereits am 11. Mai gemessen worden sein. Das wäre zwei Tage vor dem russischen Angriff auf Chmelnyzkyj. „Hinzu kommt, dass die betroffene Sonde in der zur Ausbreitungsrichtung entgegengesetzten Richtung liegt. Andere Sonden in Ausbreitungsrichtung sind weiterhin unauffällig.“ Für die leichte Erhöhung der Messwerte einzelner Sonden könne es viele verschiedene Gründe geben, so das BfS. „Dazu gehören auch Defekte und technische Fehler, lokale Begebenheiten vor Ort oder das Umstoßen der Sonde und eine dadurch entstehende leichte Messabweichung.“

Großbritannien liefert Uranmunition

Auch wenn an der angeblichen Nuklearkatastrophe im Mai nichts dran sein sollte, bleibt aber immer noch der Punkt, wie gefährlich ist Uranmunition und kommt sie in der Ukraine zum Einsatz?

Im März hat die britische Regierung angekündigt, dass sie zusätzlich zu den versprochenen Kampfpanzern vom Typ Challenger 2 der Ukraine auch Munition liefern werde. Dazu gehöre panzerbrechende Munition aus abgereichertem Uran, hieß es damals in einer Antwort von Verteidigungsstaatssekretärin Annabel Goldie auf eine Frage im Oberhaus. „Solche Geschosse sind sehr effektiv, um moderne Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zu bezwingen“, betonte Goldie.

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Russland reagierte erbost

Russlands Präsident Wladimir Putin reagierte erbost auf die Ankündigung der britischen Regierung. Wie das ZDF damals berichtete, sagte Putin:

Ich möchte anmerken, dass Russland gezwungen sein wird, entsprechend zu reagieren, wenn all dies passiert.“

Auch Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu machte damals klar:

Natürlich hat Russland eine Antwort parat.“

Uranmunition keine Atomwaffe

Putin machte weiter deutlich, dass für ihn Urangranaten Waffen mit einer „nuklearen Komponente“ seien. Das stimmt allerdings nur teilweise. Mit Atomwaffen hat Uranmunition nämlich nichts zu tun. Sie verwendet abgereichertes Uran, ein Nebenprodukt der Kernbrennstoff- und Atomwaffenproduktion. Es ist radioaktiv zu schwach, um eine Nuklearexplosion auszulösen. Allerdings weist das Metall eine andere Eigenschaft auf, die es für das Militär äußerst interessant macht. Uran ist äußerst dicht, wodurch Granaten mit uranhaltigen Kernen über eine immense Durchschlagskraft verfügen.

Langzeitfolgen können „katastrophal“ sein

Wie der österreichische „Standard“  schreibt, befürchten Wissenschaftler, dass die Langzeitfolgen des Einsatzes dieser Munition katastrophal sein könnten. Beim Einsatz der Munition werden nämlich winzige Uranoxid-Partikel freigesetzt und verseuchen Boden, Luft und Wasser. Wird dieses Uranoxid eingeatmet, kann dies Krebs und Leukämie auslösen.

Verwiesen wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Erfahrungen aus dem Irak-Krieg 1991. Über 300 Tonnen Uranmunition verschossen die USA damals. Viele Jahre nach dem Krieg fielen dem deutschen Arzt Siegwart-Horst Günter, der in einem Bagdader Krankenhaus für eine Hilfsorganisation tätig war, zunehmend Missbildungen bei Neugeborenen und unbekannte Krankheiten bei Kindern auf.

Viele Wissenschaftler haben sich seitdem mit den Langzeitfolgen von Uranmunition beschäftigt. Studien deuten demnach „auf ein gewisses krebserzeugendes Potenzial hin“. In Laborversuchen wurden „krebserregende Mutationen von menschlichem Bronchialgewebe“ nachgewiesen, Tierversuche bewiesen „erhöhte Mutagenität“.

 

 

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) stuft abgereichertes Uran inzwischen als giftiges und radioaktives Schwermetall ein. Nach Angaben der kanadischen Atomsicherheitskommission ist das gesundheitliche Hauptrisiko nicht die Radioaktivität, sondern die chemische Giftigkeit des abgereicherten Urans. Demnach kann die Aufnahme oder das Einatmen hoher Mengen die Nieren beeinträchtigen und über längere Zeit das Lungenkrebsrisiko erhöhen.

Internationale Atomenergiebehörde sieht keine „signifikanten Risiken“

Die Internationale Atomenergiebehörde sieht allerdings keine signifikanten Risiken für Öffentlichkeit und Umwelt beim Einsatz von abgereicherten Uran. Anders sieht es, laut „Standard“, die US-amerikanische Umweltbehörde EPA. Diese warnt: „Wenn abgereichertes Uran eingenommen oder eingeatmet wird, stellt dies eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit dar.“ Hinzu kommt: Laut einer internen Studie des US-Verteidigungsministeriums vom Dezember 2000 kann abgereichertes Uran auch Spuren von Plutonium enthalten. Und Plutonium ist eines der gefährlichsten Gifte, die es gibt.

Bundesregierung hat keine Bedenken wegen Lieferung von Uranmunition

Die Bundesregierung sieht in der Lieferung von Uranmunition an die Ukraine keine Probleme. In einer Kleinen Anfrage an die Regierung wollte die AfD-Fraktion wissen, ob diese die Lieferung verurteilt und was aus ihrer Sicht die Auswirkungen für Menschen und Umwelt sein werden.

Die Bundesregierung schreibt in ihrer Antwort, dass das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) die Umweltkontamination sowie die potenzielle Strahlenexposition der Bevölkerung in Gebieten untersucht, in denen Munition mit abgereichertem Uran (Depleted Uranium, DU) eingesetzt wurde (Kosovo, Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Irak und Kuwait). „Die gemessenen Umweltkontaminationen waren im Hinblick auf die damit verbundene Radioaktivität gering.“ Dementsprechend seien gemäß UNEP und IAEO keine signifikanten Strahlenexpositionen der Bevölkerung zu erwarten.



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