Haushaltsstreit in den USA: Grundsatzeinigung bei Schuldengrenze erzielt

Seit Monaten streiten Republikaner und Demokraten in den USA erbittert über die Anhebung der Schuldenobergrenze. Nun zeichnet sich eine Lösung ab, aber – die letzte Hürde ist noch nicht genommen. Der Haushaltsstreit könnte am 5. Juni zu einem Zahlungsausfall führen. Das hätte auch schwerwiegende Folgen für Deutschland und Europa. Eine Analyse.
Das Weiße Haus in Washington. US-Bürgern und Institutionen sind ab sofort Transaktionen mit der russischen Zentralbank verboten.
Der Schuldenstreit in den USA birgt auch Risiken für Deutschland und Europa.Foto: Patrick Semansky/AP/dpa
Von 28. Mai 2023

Das Weiße Haus und die Republikanische Partei haben eine Grundsatzeinigung im Schuldenstreit erzielt. US-Präsident Joe Biden und Oppositionsführer Kevin McCarthy einigten sich auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze, um einen Zahlungsausfall der USA zu vermeiden, wie McCarthy am Samstag in Washington bestätigte.

Der von Bidens Demokraten kontrollierte Senat und das von den Republikanern kontrollierte Repräsentantenhaus müssen dem Deal noch zustimmen. Der Kompromiss war am Samstag nach zähen Verhandlungen und einem erneuten Telefonat zwischen Biden und McCarthy erzielt worden.

„Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Aber ich glaube, dass dies grundsätzlich eine Vereinbarung ist, die des amerikanischen Volkes würdig ist“, sagte McCarthy gegenüber Reportern auf dem Capitol Hill am Samstagabend.

McCarthy sagte vor Journalisten, er werde am Sonntag erneut mit Biden sprechen und den endgültigen Wortlaut des Gesetzentwurfs beaufsichtigen. Das Repräsentantenhaus solle am Mittwoch darüber abstimmen, kündigte er an. Nähere Angaben zum Inhalt der Grundsatzeinigung machte er nicht.

Können sich beide Parteien nicht in den nächsten Tagen auf eine Anhebung der Schuldengrenze einigen, dann droht dem Land die Zahlungsunfähigkeit. Wie die „Tagesschau“ am vergangenen Samstag schreibt, muss das Parlament bis zum 5. Juni die Schuldengrenze anheben, damit die US-Regierung weiter ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Das schrieb US-Finanzministerin Janet Yellen in einem Brief an den republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy. Yellens Angaben basieren auf „jüngsten Daten“, wie sie schreibt. Zuvor hatte die Finanzministerin wiederholt den 1. Juni als möglichen „Tag X“ genannt.

USA halten sich nur mit „außerordentlichen Maßnahmen“ über Wasser

Gestritten wird in Washington über eine Anhebung der Schuldenobergrenze des Bundes von 31,4 Billionen US-Dollar. In unregelmäßigen Abständen legt das Parlament der Vereinigten Staaten eine solche Obergrenze fest und bestimmt somit das erlaubte Ausmaß der Staatsschulden.

Seit Monaten ist die Schuldenobergrenze erreicht und die USA können sich nur noch mit finanzpolitischen Tricks – auch bekannt als „außerordentliche Maßnahmen“ – über Wasser halten. Um die Schuldenobergrenze anzuheben, benötigen die Demokraten unter Präsident Joe Biden die Unterstützung der Republikaner, die die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben. Im Gegenzug streben die Republikaner Kürzungen im Haushaltsjahr 2024 an. Bisher haben die Demokraten jedoch noch keine Zustimmung zu diesen Forderungen gegeben.

Drei Szenarien in den nächsten Wochen denkbar

Gegenüber dem „Handelsblatt“ hat der Chefökonom der Allianz, Ludovic Subran, drei Szenarien entwickelt.

Nach Subrans Einschätzung ist die wahrscheinlichste Möglichkeit eine Einigung zwischen den Parteien. Diese Einigung könnte jedoch vorläufig sein und lediglich eine vorübergehende Lockerung der Schuldenobergrenze beinhalten, um mehr Zeit für die Verhandlung der Details zu gewinnen. Subran sieht dies als positiv für Aktien- und Anleihemärkte.

Der zweite mögliche Fall, den er mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 bis 30 Prozent betrachtet, wäre, dass Präsident Biden seine Zahlungsverpflichtungen gemäß der Verfassung geltend macht und den Kongress sowie die Schuldenobergrenze ignoriert. Subran schätzt, dass dies zu einer Phase hoher Unsicherheit mit starken Kursausschlägen führen würde.

Der dritte mögliche Fall – ein tatsächlicher Zahlungsausfall – würde auch Europa in Mitleidenschaft ziehen. Der Allianz-Experte hält dieses Szenarium zwar für die unwahrscheinlichste Variante. Würde der Fall aber trotzdem eintreten, sieht Subran die Gefahr einer Erschütterung der Märkte ähnlich wie 2008 und 2009: In diesem Szenario „kommt es nicht nur zu einer Rezession, sondern zu einer ausgewachsenen Finanzkrise, deren Folgen auch in Europa deutlich zu spüren sein werden“.

Ratingagentur Fitch droht mit Herabstufung

Die am Freitag verbreitete Hoffnung, dass eine Einigung im Haushaltsstreit bevorsteht, hat sich auf die US-Aktienmärkte ausgewirkt. Sie gingen mit deutlichen Gewinnen ins Wochenende. Aktuelle Konjunkturdaten fielen insgesamt besser als erwartet aus.

Sollte es keine schnelle Einigung geben, dann könnte das auch empfindliche Folgen für die Finanznote der USA haben. In einem Schreiben vom Mittwoch droht die Ratingagentur Fitch mit einer Notensenkung.

Bisher hat Fitch den Vereinigten Staaten die beste Finanzbewertung AAA verliehen, aber nun haben die Experten den Ausblick für das Land gesenkt. In ihrem Bericht urteilt die Ratingagentur: „Wir glauben, dass die Risiken gestiegen sind.“

Die Auswirkungen der Finanzbewertungen der Ratingagenturen wurden zuletzt im Jahr 2011 beobachtet. Damals steuerten die Vereinigten Staaten ebenfalls auf die Schuldenobergrenze zu, konnten sich jedoch in letzter Minute einigen. Dennoch senkte die ebenso einflussreiche Ratingagentur S&P anschließend ihre Bewertung, da die Politiker ihrer Meinung nach immer noch nicht genug gegen die Gesamtverschuldung unternommen hatten. Dies führte zu einem Ausverkauf am Aktienmarkt und der US-Leitindex S&P 500 stürzte an diesem Tag um mehr als sechs Prozent ab.

Schwere wirtschaftliche Turbulenzen beim Wanken der USA

Wird das Rating der USA herabgestuft, dann bleibt das nicht ohne Folgen für Europa. Das liegt nicht nur an der Marktmacht der USA, sondern auch daran, dass die Vereinigten Staaten die bedeutendsten Schuldner global sind. Amerikanische Staatsanleihen werden international als hoch angesehen geschätzt und haben in Bezug auf Finanzanlagen kaum Konkurrenz.

Dies wird nicht zuletzt durch die immense Größe des US-Finanzmarktes begünstigt. Infolgedessen hat der US-Dollar den Status einer faktischen Weltreservewährung inne. In vielen Handels- und Finanztransaktionen ist er zumindest kurzfristig unersetzlich. Wenn dieses System ins Wanken gerät, besteht die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Turbulenzen.

Folgen auch für Deutschland und Europa

Ein möglicher Zahlungsausfall würde auch Deutschland und Europa in Mitleidenschaft ziehen. Gegenüber dem „RechercheNetzwerk Deutschland (rnd)“ hat sich dazu gerade erst der Analyst von der Landesbank Hessen-Thüringen, Ralf Umlauf, geäußert.

„Das ist eine Frage mit vielen Unsicherheiten“, sagt Ralf Umlauf. Falls es tatsächlich zu einem Zahlungsausfall der USA kommen sollte, könnte der US-Dollar erheblich an Wert verlieren. Im Gegenzug würde der Euro voraussichtlich deutlich an Wert gewinnen. Umlauf warnt, dass dies der deutschen Exportwirtschaft in einer bereits schwierigen wirtschaftlichen Lage sehr ungelegen käme, da ein stärkerer Euro ihre Waren international verteuern würde.

Es ist auch möglich, dass es auf den Kapitalmärkten zu einer zusätzlichen globalen Zinserhöhung kommt, was ebenfalls eine erhebliche Belastung für die deutsche und europäische Wirtschaft darstellen würde. Umlauf erwartet, dass die konkreten Auswirkungen maßgeblich davon abhängen, wie lange sich der Schuldenstreit tatsächlich hinzieht.

(Mit Materialien von afp)



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