„Mehr Rechtsextreme in gesellschaftlicher Mitte“: Studie SPD-naher Stiftung mit Kritik aus eigenen Reihen

Die Mitte-Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung attestiert den Deutschen regelmäßig, Rechtsextreme in ihrer Mitte zu beherbergen. Doch heftige Kritik aus der eigenen Partei lässt aufhorchen. Die reinen Umfrageergebnisse werden unter Hunderten Seiten von Interpretationen verschüttet. Eine Analyse.
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Eine belebte Einkaufsstraße in Köln. Symbolbild.Foto: iStock
Von 27. September 2023


Die von Medien vielfach zitierte Studie „Die distanzierte Mitte – Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23“ der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ist weit über 400 Seiten lang.

Inhaltlich handelt es sich dabei um die Ergebnisse einer Umfrage nebst einer Reihe von Interpretation dieser Ergebnisse aus der Feder von mehr als einem Dutzend Autoren und den Studienmachern selbst.

Eine viel zitierte Meldung der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) titelt zur Studie: „Deutlich mehr Menschen teilen rechtsextreme Positionen“, und im Intro zum Text heißt es: „Menschen mit einem gefestigten rechtsextremen Weltbild sind in Deutschland eine relativ kleine Minderheit. Aus einer aktuellen Studie lässt sich allerdings ein beunruhigender Trend ablesen.“

Die Umfrage selbst führte das von der Mitte-Studie beauftragte Institut UADS durch – eine private Forschungs- und Dienstleistungseinrichtung. Verantwortlicher und Initiator der Studie ist die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), eine aus Steuergeldern finanzierte Einrichtung der SPD.

Die FES schreibt in einer Selbstdarstellung, man sei „den Grundwerten der Sozialen Demokratie verpflichtet“. Die Stiftung erhielt vom Bund und den Ländern für 2022 einen Etat von 195 Millionen Euro. Die Stiftung der SPD hat 1.571 Mitarbeiter an 18 deutschen Standorten und in 104 Auslandsbüros.

Die FES erwähnt in ihrer Selbstdarstellung, dass man in den hauseigenen Bibliotheken „56.000 Meter Schriftgut zur Geschichte der Sozialdemokratie, der Gewerkschaften, ihrer Persönlichkeiten und anderer emanzipatorischer Bewegungen“ eingelagert hätte.

Eine Umfrage im Auge des Hurrikans

Besagte „Mitte Studie“ erscheint seit 2006 im Zwei-Jahres-Rhythmus und ist eines der Flaggschiffe der FES. Die Studie soll rechtsextreme Tendenzen in der Gesellschaft identifizieren. Das Institut UADS liefert mit seiner Umfrage das Kernstück ab und ein Institut der Universität Bielefeld leitet das Projekt. Zuvor war einmal die Universität Leipzig unter Oliver Decker zuständig.

Decker ist aber zwischenzeitlich zur Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen übergewechselt – gefördert auch von der Rosa-Luxemburg-Stiftung der Partei Die Linke – und betreut dort die Leipziger Autoritarismus-Studie. Also im Vergleich zur Mitte-Studie dasselbe in Grün, nur versehen mit der Frage: „Haben sich rechtsextreme und autoritäre Einstellungen in Deutschland verändert?“

Hier vagabundieren sich die Arbeiten gegenseitig. Was sie wiederum eint, sind die linken politischen Parteien als Auftraggeber. Ein Problem, dass vielen dieser Studien anhaftet, ist neben der Parteilichkeit auch die daran anknüpfende Medienberichterstattung. Die ist nämlich ebenfalls zur Parteilichkeit verdammt: Aus Bequemlichkeit und oft schlicht deshalb, weil in den Redaktionen für eine Rezension und Analyse dieser immer länger werdenden Studien von vielen Hunderten Seiten gar keine Zeit und kein Personal mehr bleibt.

Anstelle dessen wird von den Studienmachern zwecks Pressekonferenz eine wenige Seiten umfassende Vorabzusammenfassung geliefert, welche die Medien dann aus Zeitmangel vielfach ungeprüft übernehmen.

Eine intensivere Beschäftigung, so wie sie beispielsweise Roland Tichy vorgenommen hat, scheint allerdings dringend geboten.

Hier ein erstes Beispiel: Auf der Website der Mitte Studie wird in Nachbarschaft zum Hinweis der „Methodik der Studie“ ein Interview mit dem SPD-Politiker Martin Schulz angeboten, der nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag Vorsitzender der SPD-Stiftung wurde.

Als Begleitmaterial einer 416 Seiten lange Studie taugt ein solches Interview allerdings nicht: Dort heißt es von Schulz unter anderem, es sei „besorgniserregend, dass der Anteil der deutschen Bevölkerung mit einer menschenfeindlichen, demokratieablehnenden oder gar autoritären Weltansicht signifikant zugenommen hat, wie die neue Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt.“

Ein Anstrich von wissenschaftlicher Neutralität

Der „Pressespiegel“ zur Studie hat gezeigt, dass die öffentlich-rechtlichen und privaten Mainstreammedien den politischen Hintergrund der Studienmacher vernachlässigen und der Studie so einen Anstrich von wissenschaftlicher Neutralität verleihen.

„Tagesschau.de“ beispielsweise erwähnt den SPD-Hintergrund mit keinem einzigen Wort. Dort ist von einer „Studie zu Einstellungen in Deutschland“ die Rede unter der Schlagzeile „Acht Prozent teilen rechtsextremes Weltbild“. Lediglich ein Nachsatz lautet hier: „Die Friedrich-Ebert-Stiftung gibt seit 2006 etwa alle zwei Jahre eine neue Ausgabe der sogenannten ‚Mitte-Studie‘ heraus“. Auch hier kein Wort zum sozialdemokratischen Hintergrund der Stiftung selbst.

Jetzt könnte man davon ausgehen, dass auch unter dem Dach der SPD eine wissenschaftliche Arbeit möglich ist. Aber so eine wohlgesonnene Annahme zugunsten der Studienmacher wurde der Mitte-Studie schon 2019 und ausgerechnet von einem einflussreichen Sozialdemokraten abgesprochen.

Damals nämlich meldete sich Sigmar Gabriel (SPD) zu Wort und ging mit den Studienmachern in den Clinch. Friendly Fire: Gabriel schrieb in einem Kommentar im „Tagesspiegel“, die Deutschen seien entgegen der publizierten Auffassung der Mitte-Studie sehr wohl demokratiefest und mehrheitlich tolerant. Und weiter: „Was aus den Ergebnissen der ‚Mitte-Studie‘ gemacht wird, ist verantwortungslos.“

Verantwortungslos waren für Gabriel nicht etwa die Medien, welche vielfach nur die Presseerklärungen abschrieben, sondern die Interpretationen der Umfrageergebnisse durch die Studienmacher der FES und der Universität Bielefeld.

Gabriels Kritik wurde noch deutlicher:

„Es ist doch erstaunlich, wie sehr Politik und manche Medien anscheinend ein krisenhaftes Bild unserer Gesellschaft brauchen, um ihre Daseinsberechtigung zu legitimieren. […] Man kann sich des Verdachts nicht erwehren, hier seien die Ergebnisse einer Studie unter einer bestimmten Vorwahrnehmung ihrer Autoren interpretiert worden.“

Ausufernde Interpretationen

Schon 2019 war die Mitte-Studie vor allem aufgrund der ausufernden Interpretationen bereits auf 332 Seiten angewachsen. 2023 sind noch einmal fast einhundert Seiten hinzugekommen.

Gabriel bemängelte, was mit jeder weiteren Ausgabe noch umfangreicher wurde: Der Verlust einer Bedeutung der eigentlichen Umfrageergebnisse zugunsten der Interpretationen von der SPD nahe stehenden Soziologen und anderen Autoren.

Ohne die Sozialdemokratisierung der Umfrageergebnisse ließe sich diese Studie auf etwa fünfzig Seiten beschränken. Dem mündigen Leser reicht der Fragenkatalog der Umfrage nebst einer prozentual zugeordneten Zusammenfassung der Antworten – gegebenenfalls noch erweitert um die Tendenz bestimmter Alters- oder Einkommensgruppen.

Epoch Times hat bei der FES nachgefragt, wo denn der Fragenkatalog zur Studie zu finden sei. Und tatsächlich ist er im unteren Teil des Webauftritts der Studie hinter den Links „Methodik der Studie“ und dort unter „Fragebogen“ einsehbar. Der Bogen ist 16 Seiten lang.

Jetzt fehlt nur noch die Auswertung des die Umfrage durchführenden Instituts in nüchternen Zahlen. Auf Nachfrage verweisen die Studienmacher auf eine große Anzahl an Presseanfragen. Ad hoc aber kann keiner der Ansprechpartner die Auswertung aus dem Hause UADS versenden (ggf. werden an dieser Stelle Antworten der Stiftung ergänzt).

Ein wesentlicher Faktor der Umfrage ist übrigens das Design der Fragen selbst. Und die werden unter der Regie des Sozialpsychologen Andreas Zick von der Uni Bielefeld entworfen. Sein Team hat den Fragebogen „mit dem Umfrageinstitut abgestimmt“ und um „gesellschaftliche Fragen ergänzt“, heißt es auf der Website zur Mitte-Studie.

Ein telefonischer Fragenmarathon

Von knapp 50.000 Angerufenen waren überhaupt nur etwas mehr als 2.000 Personen dazu bereit, den durchschnittlich über eine halbe Stunde dauernden telefonischen Fragenmarathon mitzugehen. Die Umfragen wurden im Januar und Februar 2023 vorgenommen.

Exemplarisch für die Interpretationstiefe dieser SPD-Studie kann sein, was die „Deutsche Presse-Agentur“ bemerkte. So will die Studie herausgefunden haben, dass man von einer rechtsextremen Einstellung nicht automatisch darauf schließen könne, wo sich jemand selbst politisch verortet. So hätten zwölf Prozent jener Menschen, die sich klar als „links“ positionieren, ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild, so die Interpretation der Ergebnisse der Befragung.

Auch die Kapitelüberschriften in der SPD-Studie geben Hinweise auf eine politische Motivation, die über die Auswertung der Umfrage hinausgeht, wenn es da heißt: „Ausländerbehörde, ein Ort fern von Willkommenskultur“ (S. 187), „Nicht Migration ist die Lösung für unseren Fachkräftemangel, sondern die Haltung zur Migration“ (197) oder „Der Klimawandel schreitet voran“ (S. 290).

Aber es wird noch komplizierter. Der Fragebogen unterliegt nämlich einem „Index Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit 2022/23“. Und auf diesem Index stehen dann Sätze wie die folgenden, die grundsätzlich als rechtsextremistisch gewertet werden: „Die meisten Flüchtlinge kommen nur hierher, um das Sozialsystem auszunutzen“, „Wer schon immer hier lebt, sollte mehr Rechte haben als die, die später zugezogen sind“, „Empfänger von Sozialhilfe und Bürgergeld neigen zu Faulheit“ oder „Langzeitarbeitslose machen sich auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben“.

Im Fragebogen wurde die Aussage „Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben“ eingebettet zwischen den Aussagen „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß“ und „Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen“.

Bewerten sollen die Befragten auch folgende aufeinanderfolgende Aussagen: „Es gibt wertvolles und unwertes Leben“ und „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“.

Ein Spagat zwischen vielen Ressentiments

Die Befragten sollten sich ebenfalls zu folgenden Aussagen positionieren: „Die Regierung verschweigt der Bevölkerung die Wahrheit“, „Die regierenden Parteien betrügen das Volk“, „Was die Regierung tut, ist illegal“ und „Es ist Zeit, mehr Widerstand gegen die aktuelle Politik zu zeigen“.

Zu bewerten sind darüber hinaus Aussagen „zu Fragen des Zusammenhalts und des Umgangs mit anderen in der Gesellschaft“ wie diese hier:

„Ich finde es gut, dass Deutschland viele Flüchtlinge aus Afrika aufgenommen hat“, „Der deutsche Staat kümmert sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche“, „Die Verwaltung sollte die Angelegenheiten von Deutschen mit Vorrang behandeln“ oder „Wer zu uns nach Deutschland kommt, darf sich nicht beschweren, wenn ihre Angelegenheiten bei Behörden länger dauern“.

Wer für sich grundsätzlich zwischen Flüchtlingen und Migranten unterscheidet, der ist hier bereits aufgeschmissen. Die „Tagesschau“ hatte zu Beginn der Massenzuwanderung 2015 einmal eine hilfreiche Definition geliefert: „Das Völkerrecht zieht eine klare Trennlinie: Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, werden als ‚Flüchtlinge‘ bezeichnet. Menschen, die aus eigenem Antrieb ihr Land verlassen, gelten als ‚Migranten‘“.

Es sind demnach nicht nur die politischen Einfärbungen der SPD-Studie und ihrer Interpretationen, auch die Ungenauigkeiten im Fragebogen kontaminieren das Ergebnis.

Schließlich soll es die Amadeu-Antonio-Stiftung richten

Das alles zusammen führt zu einer Unübersichtlichkeit, die geeignet ist, Redaktionen in Zeit- und Personalnot dazu zu drängen, sich an den Pressemeldungen der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zu orientieren. So titelt etwa der „Deutschlandfunk“: „Immer mehr Rechtsextreme in Deutschland“ und weiter: „Die Demokratie in Deutschland steht unter Druck. Die Mitte der Gesellschaft wird immer empfänglicher für menschenfeindliche Positionen.“

Der „Deutschlandfunk“ bestätigt in seinem Bericht, dass die Studie die Aussage „Ausländer kommen hierher, um den Sozialstaat auszunutzen“ bereits als „rechtsextrem“ einstuft. Aber nicht sofort: „Wer bei einer Aussage voll und ganz zustimmt, gilt noch nicht als Person mit manifest rechtem Weltbild. Erst wenn die Befragten in der Summe aller 18 Fragen mindestens 63 Punkte haben, das entspricht einem Durchschnitt von 3,5 Punkten pro Frage, dann attestiert ihnen die Studie ein manifest rechtsextremes Weltbild.“ Hinzu kommt dann noch ein größerer Graubereich.

Ein weiterer Ausrutscher der SPD-Studie: Auch potenziellen SPD-Wählern wird bescheinigt, zu 7,9 Prozent bestimmten rechtsextremen Einstellungen zuzustimmen.

Wie der in der Studie behauptete Rechtsextremismus behoben werden kann, dazu befragte der „Deutschlandfunk“ die vom grün-geführten Familienministerium mit Millionen Euro subventionierte Amadeu-Antonio-Stiftung, die ihrerseits erklärt, dass es sehr erfolgreiche Bildungsarbeit an Schulen mit Projekttagen und Fortbildungen für Lehrkräfte und Sozialarbeiter gebe. Aber das reiche noch nicht aus.

Epoch Times bat die Studienmacher um das Ergebnis des mit der Umfrage beauftragten Instituts. Die FES sicherte telefonisch zu, die Anfrage zu bearbeiten, aber zurzeit sei das Frageaufkommen zur Studie besonders hoch.



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