Nach „Katargate“: Nächster Skandal in Brüssel

EU-Parlamentschefin Roberta Metsola vergaß einfach, Geschenke und Reisen anzugeben.
«Feinde der Demokratie, für die allein die Existenz dieses Parlaments eine Bedrohung darstellt, werden vor nichts Halt machen»: Roberta Metsola.
Roberta Metsola.Foto: Jean-Francois Badias/AP/dpa
Von 23. Januar 2023

Durchsuchungen, Festnahmen und Ermittlungen zu Korruption und Geldwäsche erschüttern das Europaparlament. Jetzt kommt ein weiterer Skandal hinzu. Denn Europaparlamentspräsidentin Roberta Metsola, die eigentlich eine umfassende Aufarbeitung der Skandale sowie Reformen angekündigt hatte, nahm es selber nicht so genau mit den Regeln und vergaß, Reisen und Geschenke zu deklarieren, wie jetzt bekannt wurde.

Volle Transparenz angekündigt bei „Katargate“ und Co

Mittlerweile stehen das EU-Parlament und einige seiner Repräsentanten im Fokus umfangreicher Korruptionsermittlungen. Aktuell macht vorrangig das sogenannte Katargate von sich Reden, wo es um mutmaßliche Bestechung durch den Golfstaat geht. Rund 1,5 Millionen Euro Bargeld in Koffern haben die ehemalige Vizepräsidentin Eva Kaili nicht nur um ihren Job im EU-Parlament gebracht, sie sitzt auch seit Dezember in Belgien in Untersuchungshaft, die gerade erst um einen weiteren Monat verlängert wurde. Im Rahmen der Aufarbeitung von Katargate versprach EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola „volle Transparenz“. Doch jetzt kam es heraus:

Einfach vergessen: Reise mit Weinverkostung und viele Geschenke

Auch sie „vergaß“, Reisen und Geschenke anzugeben, und sorgt damit im durch das zunehmende Zutagekommen von Korruption und Unregelmäßigkeiten gebeutelten EU-Parlaments für einen weiteren Skandal. Zumindest aber für sinkendes Vertrauen in die Institution und die Integrität ihrer Protagonisten. Gleich mehrere Medien, darunter „Le Soir“, melden, dass die konservative Politikerin aus Malta gleich fünf Reisen „vergessen“ hat und nicht, wie es regulär vorgesehen ist, im Transparenzregister gemeldet hatte. Darunter war eine „offizielle“ Reise nach Israel, aber auch eine zum World Economic Forum (WEF) nach Davos. Auch eine Weinverkostung in Beaune soll Metsola vergessen haben sowie wie eine Reise nach Kiew.

Zudem nahm die Parlamentspräsidentin offenbar jede Menge Geschenke an, ohne sie zu deklarieren, wozu Parlamentarier verpflichtet sind.

Wie aus einer auf der Website des EU-Parlaments veröffentlichten Liste (einzusehen hier) hervorgeht, hat Roberta Metsola seit Anfang vergangenen Jahres 142 Präsente bekommen. Gleich 125 Mal hat sie „vergessen“, diese anzugeben, Champagner, Schokolade und Co sind unter den Tisch gefallen. Nun hat Frau Metsola ihre Geschenke doch noch „nachgemeldet“.

Die Informationen über die Schenkenden, Fotos der Gaben, eine Einschätzung des Wertes sowie Daten von Erhalt und Meldung sind jetzt einsehbar. Nach den Regeln des Parlamentes hätten 125 der 142 Geschenke aber früher offengelegt werden müssen, jeweils am Ende des Folgemonats des Erhalts. Durch diese verzögerte Deklarierung hat Metsola somit gleich 125 Mal die Regeln des Parlaments gebrochen.

Metsola nicht die Einzige?

Beim Sichten der nunmehr aktualisierten Liste wird schnell klar: Entweder ist Frau Metsola die einzige Vielbeschenkte unter den EU-Politikern, oder es ist – auch das eine Möglichkeit – nicht eben weit verbreitet unter den europäischen Parlamentariern, den internen Regeln zu folgen und die Präsente auch anzugeben. Der „Spiegel“ nennt es euphemistisch „keinen besonderen Eifer beim Melden von Geschenken“ und rechnet vor:

„Während Metsola allein 149 anzeigte, meldeten die anderen 704 Abgeordneten zusammen ganze 53 Geschenke. Ebenfalls bemerkenswert: 51 davon wurden von den deutschen Abgeordneten Nicola Beer (FDP), Hannah Neumann und Sergey Lagodinsky (beide Grüne) sowie David McAllister, Daniel Caspary und Michael Gahler (alle CDU) gemeldet. Nur zwei entfielen auf Politiker anderer Länder.“

„Goodie“-Gate an der Spitze der Transparenzbewegung

Ob Roberta Metsola jetzt ihr eigenes „Metsola“-Gate bekommt oder angesichts der auch ansonsten vermutlich nicht gemeldeten Zuwendungen an weitere Parlamentarier sich die Angelegenheit vielleicht zu einem „Goodie“-Gate auswächst, bleibt abzuwarten.

Die Maltesische Konservative steht erst einmal umso mehr im Fokus des neu aufkommenden EU-Skandals, da sie gerade ein gegenteiliges Image aufbaut und sich sogar lautstark an der Spitze der Transparenzbewegung im EU-Parlament Gehör verschafft hatte.

So mahnte sie noch Anfang Januar in Bezug auf Katargate genau das an, dessen sie jetzt selbst überführt wurde. Nämlich, dass nicht etwa das Fehlen von Regeln, sondern die mangelnde Einhaltung bestehender Regeln den Grundstein für den Korruptionsskandal gelegt habe. Jetzt ist Metsola also selbst ins Schlaglicht, besser Zwielicht, all dessen gekommen, wogegen sie angekündigt hatte vorzugehen.

EU-Präsidentin Metsola hatte annonciert, dass sie nicht angemeldete Reisen von Gesetzgebern und Gesetzesänderungen überprüfen wird. Gemeint damit war Katargate, bei dem der Fund von riesigen Bargeldmengen im Umfeld der ehemaligen EU-Vizepräsidentin Kaili nur die Spitze des Eisberges zu sein scheint.

Auch Gesetzgebungsarbeit der EU im Visier

Ein Zwielicht trifft bei diesem Schmiergeld- und Korruptionsskandal auch auf die Gesetzgebungsarbeit der EU einschließlich einer Ausschussabstimmung Anfang Dezember, bei der die Visaliberalisierung für Katar und Kuwait genehmigt wurde. Außerdem wurde der Fokus auf eine Reihe von bezahlten Besuchen mehrerer europäischer Gesetzgeber in der Golfregion gelenkt, die jetzt damit in Verbindung gebracht werden.

„Wir untersuchen alles“, sagte Metsola gegenüber „Euronews“ und nannte die Maßnahmen, die sie eingeleitet und zur Chefsache gemacht hatte, einen „raschen“ Reformprozess. So wurde bereits in der ersten Januarhälfte der erste Entwurf eines Reformpakets verabschiedet. Dieser enthält 14 Vorschläge, darunter eine „Bedenkzeit“ für ehemalige EU-Abgeordnete, im Klartext eine Art Sperrfrist, in der nicht als Lobbyisten gearbeitet werden darf. Zusätzlich enthalten sind ein Verbot inoffizieller Freundschaftsgruppen (Epoch Times berichtete) und neue Regeln für den Zugang zu Parlamentsgebäuden sowie die Einführung detaillierterer Erklärungen zu Interessenkonflikten und persönlichen Finanzen.

„Überfällige“ Reformen in Lobbyistenhauptstadt Brüssel

Transparency International EU und Corporate Europe Observatory, zwei zivilgesellschaftliche Organisationen, die den Lobbyismus in der EU überwachen, nannten die vorgeschlagenen Reformen einen „überfälligen“ ersten Schritt, den sie zwar als „vielversprechend“ begrüßen würden, kritisierten aber die Tatsache, dass sich in diesem Reformentwurf auf die „Selbstdurchsetzung“ und „Selbstkontrolle“ der Europaabgeordneten selbst verlassen würde. Sie fordern eine unabhängige, externe Aufsicht.

Laut der Organisation Lobbycontrol nehmen circa 25.000 Lobbyisten mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen – und das bei aktuell 704 Mitgliedern des Parlaments.

 „Game of Gates“ in der EU

Vielleicht lohnt sich schon bald nicht mehr, die Brüsseler Skandale einzeln zu benennen. Im letzten Jahr war nach Katargate der wohl frappierndste der sogenannte Pfizer-Gate-Skandal um EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie löschte brisante Daten vom Handy und verweigert bis heute die Herausgabe von SMS mit Pfizer-Chef Bourla zu den 35 Milliarden Euro schweren Impfstoff-Deals.

Gegen diese immense Geldmenge mögen die paar zu spät angegeben Geschenke von EU-Präsidentin Roberta Metsola im ersten Moment marginal erscheinen – wie ein vergleichsweise kleines Metsola-Gate – so möchte man meinen. Aber egal, um welche Geldsummen oder Vorteile es sich handelt, diese neue EU-Affäre zeigt vor allem eines:

Dass in einem System, in dem der Bock sich selbst einfach zum Gärtner erklären kann, der nächste Skandal vorprogrammiert ist und das System vielleicht am Ende dadurch sogar in sich dysfunktional ist„“.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion