Österreich: ÖVP wirft WKStA Verschwörungstheorien über Kurz-Chats vor

Während Österreich vor dem Ende der Corona-Einschränkungen steht, sieht sich Kanzler Kurz mit geleakten Aktenteilen und gewagten Interpretationen der WKStA von Chataussagen konfrontiert. Bei den Wählern stößt der Versuch, Kurz zu stürzen, auf wenig Gegenliebe.
Titelbild
Sebastian KurzFoto: über dts Nachrichtenagentur
Von 13. Juni 2021

Die Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA gegen Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen einer angeblichen Falschaussage vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss sind Medienberichten zufolge um eine Facette reicher.

Eine mit Emojis garnierte SMS-Nachricht unter Kurz-Vertrauten soll ein Indiz für mögliche Angriffspunkte in Sachen Korruption darstellen. Demnach sei eine Etat-Erhöhung des Außenministeriums, damals unter Kanzler Kurz, auf Vetternwirtschaft zurückzuführen.

Der neue Aspekt verstärkt den Argwohn in der Spitze der regierenden ÖVP und mancher Kommentatoren österreichischer Nachrichtenmedien zusätzlich, die WKStA ließe sich eher von politischen als juristischen Erwägungen leiten.

Juristen zweifeln Zuständigkeit der WKStA an

Die Ermittlungen im Zusammenhang mit Aussagen des Kanzlers zur Bestellung des mittlerweile zurückgetretenen Vorstands der Staatsholding ÖBAG, Thomas Schmid, hatten Fragen aufgeworfen.

Juristen wie der Strafrechtsexperte Thomas Kralik bezweifeln, dass die WKStA für die Untersuchung einer angeblichen Falschaussage überhaupt zuständig ist, da sie gar nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses gewesen war.

Im Fall von Kurz ginge es um die bloße Bestellung Schmids – und damit einen politischen Akt. Sollte tatsächlich in diesem Zusammenhang ein hinreichender Verdacht auf eine falsche Beweisaussage des Kanzlers bestehen, wäre die allgemeine Staatsanwaltschaft zuständig, so Kralik.

Mögliche Verfehlungen Schmids in der Amtsführung selbst, wie sie etwa eine im Ausschuss erörterte Postenbesetzung bei der Casinos Austria AG betreffen könnten, beträfen die Kompetenz der WKStA. Sie berührten hingegen Kurz und dessen Aussagen vor dem Ausschuss hingegen nicht.

Eher polit-historisch als juristisch interessante SMS-Nachrichten?

Die neuen Anhaltspunkte der WKStA für eine angebliche Falschaussage des Kanzlers, die der Nachrichtenagentur APA vorliegen, erscheinen nach deren eigener Darstellung „freilich dünn“.

Die SMS-Nachrichten aus dem April 2016 waren Teile der WKStA-Ermittlungsakte. Sie stammten von einem Backup von Schmids Telefon im November 2019 im Zuge der Casino-Ermittlungen sichergestelltem Mobiltelefon. Sie sind einmal mehr an der Öffentlichkeit gelandet – in diesem Fall beim Rechercheverbund aus „profil“, „Standard“, „ORF“ und „Falter“.

Die Nachrichten zeigen ein damals schon vertrauliches Verhältnis zwischen dem zurückgetretenen ÖBAG-Chef und Kurz. Außerdem werfen sie ein Licht auf die innerparteilichen Vorgänge in der ÖVP selbst: Diese war unter dem damaligen Vorsitzenden Reinhold Mitterlehner in Umfragen abgestürzt. Ihr Bundespräsidentschaftskandidat Andreas Khol sollte es nur noch auf 11,1 Prozent der Stimmen schaffen.

Offenbar arbeitete der damalige Außenminister Sebastian Kurz bereits zum damaligen Zeitpunkt zusammen mit seinen engen politischen Weggefährten an einem Wechsel an der Parteispitze. Dafür spricht auch die Aussage Schmids in seiner SMS an den damaligen Wiener Gemeindepolitiker Gernot Blümel, in der es hieß: „Mitterlehner spielt keine Rolle mehr.“

Höheres Budget für Kurz mit Flüchtlingskrise begründet

Schmid, der damals Ministerialbeamter im Finanzressort unter Hans Jörg Schelling war, setzte Blümel in der SMS über eine Budgeterhöhung für Kurz und sein Außenministerium in Kenntnis und kommentierte dies mit der mittels Emojis als scherzhaft kenntlichen gemachten Bemerkung „. Du schuldest mir was :-)))“.

Die Rede war von einer 35-prozentigen Budgeterhöhung für das Außenministerium, das künftig 160 Millionen Euro mehr zur Verfügung haben sollte. Die Bemerkung „Mitterlehner wird flippen“ zeigt, dass Schmid damals schon davon ausging, der Noch-Parteichef würde die verbesserte Ausstattung des Kurz-Ressorts durch seine eigenen Parteikollegen im Finanzressort als Kampfansage verstehen. An Kurz gerichtet hieß es in der Nachrichtenserie: „Das haben wir NUR für dich gemacht.“

Erst im Herbst 2016 wurde über das Budget für das folgende Jahr abgestimmt. Das Außenministerium erhielt auf Grundlage des Bundesvoranschlages für 2017 um 124 Millionen oder 29 Prozent mehr und kam insgesamt auf 552 Millionen Euro. Die zusätzliche Mittelanforderung wurde mit dem Mehrbedarf infolge der Flüchtlingskrise und des Migrations-Deals der EU mit der Türkei vom Frühjahr 2016 begründet.

„Macht deutlich, wie befangen die WKStA ermittelt“

Dass die WKStA daraus nun ein mögliches Verdachtsmoment dahingehend konstruieren könnte, Schmids drei Jahre später erfolgte Bestellung zum ÖBAG-Chef wäre „erkauft“ worden, ist für den Nationalratsabgeordneten Andreas Hanger ein deutliches Indiz dafür, „wie grotesk die Vorwürfe gegen Bundeskanzler Kurz sind und wie befangen die WKStA hier ermittelt“.

Die ÖVP selbst spricht gegenüber dem Rechercheverbund von „absurden Vorwürfen“ und äußert über das Gebaren der WKStA: „Hier wird ein Standardvorgang verschwörungstheoretisch aufbereitet.“

Die Budgetzuteilung des Finanzressorts für die Ministerien stellt einen üblichen Vorgang im Vorfeld von Budgetbeschlüssen dar. Infolge von Verhandlungen können diese bis zur endgültigen Beschlussfassung im Parlament noch abgeändert werden.

Österreich-weite Umfrage: ÖVP weiter deutlich voran – Kickl-FPÖ erlebt Fehlstart

Bei den Wählern scheinen die neuen Anschuldigungen aus der WKStA wenig Eindruck zu machen. Für sie wiegt die Aussicht auf die bevorstehende Rückkehr zur Normalität nach der Corona-Krise deutlich schwerer – und das nützt Kanzler Kurz.

Die ÖVP würde der jüngsten Umfrage von Research Affairs zufolge mit 35 Prozent klar voran bleiben, würden am kommenden Sonntag Nationalratswahlen stattfinden. Auch der zuletzt stark unter die Räder gekommene grüne Koalitionspartner könnte mit einem Plus von einem Prozent zu den linksliberalen NEOS aufschließen.

Die SPÖ verliert ein Prozent und kommt nur noch auf 23 Prozent. Die FPÖ stürzt nach dem Rücktritt von Parteichef Norbert Hofer auf nur noch 14 Prozent ab. Dazu kommt eine weitere schlechte Nachricht: 55 Prozent der Befragten halten den designierten neuen Parteichef Herbert Kickl für einen schlechteren Vorsitzenden als seinen Vorgänger. Kickl scheint außerhalb der eigenen Kernwählerschaft wenig anschlussfähig zu sein.



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