Pink Floyd-Mitgründer macht mobil für Frieden: Rede von Roger Waters vor UN-Sicherheitsrat

Mahner gegen Kriegswaffenlieferungen oder Putins Propagandawerkzeug? Mitte letzter Woche hielt Roger Waters per Video-Zuschalte eine Rede vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Für den Inhalt derselben gibt es jetzt internationalen Gegenwind für den Musiker. Damit ist er nicht allein. Eine Analyse.
Titelbild
Roger Waters.Foto: Kevin Winter/Getty Images
Von 14. Februar 2023

Das ehemalige Mitglied von Pink Floyd („The Wall“) hat in der Vergangenheit mit vielen Äußerungen – nicht nur zum Ukraine-Krieg – Aufsehen erregt, die bis hin zu Boykottaufrufen zu seinen Konzerten geführt haben.

Die neuesten Verlautbarungen des 79-Jährigen sorgten für internationale Schlagzeilen, denn letzten Mittwoch war er beim UN-Sicherheitsrat in New York aus England zugeschaltet und hielt eine flammende Rede. Jetzt wird er dafür angefeindet.

Unter anderem die „Deutsche Welle“ mutmaßt, dass der Musiker auf Einladung Russlands spricht und titelt direkt „Roger Waters: Propaganda-Instrument für Moskau?“. „RND“ behauptet gar, „Putin verpflichtet jetzt Rock’n’Roll für seine Propaganda“ und „Rolling Stone“ macht den Produzenten und kreativen Kopf hinter dem weltweit meistverkauften Doppelalbum The Wall zur „Propaganda-Waffe von Putin-Russland“.

Von Speakers Corner direkt in die Putin-Ecke

Aber welche Russland-Propaganda hat Rogers denn nun genau vor der UN verbreitet?

Die Auslese ist dünn, wenn man sich das ganze Video seiner 15-minütigen Rede anschaut (anzusehen hier). Die Medien zitieren kurze Auszüge daraus – fast kontextfrei erscheinende Bruchstücke – und diese scheinen schon hinreichend zu sein, um Waters in die Putin-Ecke zu stellen.

Im Original klingt die flammende Rede des Musikers dann ins Deutsche übersetzt so: „Der Einmarsch der Russischen Föderation in die Ukraine war illegal. Ich verurteile ihn auf das Schärfste. Der russische Einmarsch in die Ukraine war nicht unprovoziert. Deshalb verurteile ich auch die Provokateure auf das Schärfste.“

An diesem Satz beziehungsweise der Aussage, dass Putins Einmarsch in die Ukraine auch provoziert war, hängen die Medien ihre Kritik auf. Gerade erst letzte Woche hatte der Staatspräsident der Ukraine, Wolodomyr Selenkiyj, unter Beifall des Ober- und Unterhauses und des internationalen medialen Mainstreams in London auf seiner Europatour im Wortlaut auf einen „unprovozierten“ Krieg bestanden.

Redezeit vor UN für „stimmlose Mehrheit“

Nach Roger Waters Worten in New York gibt es aber nicht nur dieses Schwarz und Weiß, nicht nur Gut und Böse – sondern in jedem Krieg vor allem Profiteure und Millionen an Leidtragenden, am Ende Milliarden indirekt betroffene Menschen. Für die will Waters hier nach eigener Aussage seine Redezeit nutzen, und auch das wird ihm medial angelastet: „Er behauptete, dass er mit seiner Stellungnahme eine ‚stimmlose Mehrheit‘ vertrete“, pickt sich die „Deutsche Welle“ ein Bruchstück aus Waters Appell heraus.

Die ganze Rede soll hier der Vollständigkeit halber in den prägnantesten Aussagen zitiert werden:

„Ich werde mich bemühen, das zum Ausdruck zu bringen, was ich für die Gefühle zahlloser unserer Brüder und Schwestern in der ganzen Welt halte […] ob im ganzen Weltkriegsgebiet oder nicht, zusammen bilden sie eine Mehrheit der stimmlosen Mehrheit. Und heute werde ich versuchen, für sie zu sprechen. Wir, die Menschen, wollen leben. Wir wollen in Frieden und unter gleichberechtigten Bedingungen leben, die uns eine echte Chance geben, für uns und unsere Lieben zu sorgen.“ Und weiter: „Das heißt, die stimmlose Mehrheit ist davon betroffen, dass Eure Kriege – Ja, Eure Kriege! – denn diese immer währenden Kriege sind nicht von uns gewollt – dass Eure Kriege den Planeten, der unsere Heimat ist, zerstören werden.“

Opfer der Kriegsprofite und der bald unipolaren Weltherrschaft

„Und zusammen mit jedem anderen Lebewesen werden wir auf dem Altar von zwei Dingen geopfert werden. Die Profite aus dem Krieg, um die Taschen von sehr, sehr Wenigen zu füllen, und der hegemoniale Marsch des einen oder anderen Imperiums in Richtung unipolare Weltherrschaft.“ Dann fordert der Musiker: „Wir, das Volk, wollen universelle Menschenrechte für alle unsere Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität.“

Stiller Schrei durch Europa: „Heat or eat“

Auf die aktuelle, sich verschärfende wirtschaftliche Situation eingehend, sagt Waters: „Aber in diesem Land gibt es jetzt ein neues Schlagwort: „Heat or eat“ (entweder heizen oder essen, Anm. der Red.). Man kann nicht beides tun. Dieser Schrei hallt durch ganz Europa. Offenbar glauben die Machthaber, dass wir uns alle nur einen ewigen Krieg leisten können. Wie verrückt ist das denn? Die etwa 4 Milliarden Brüder und Schwestern dieser stimmlosen Mehrheit, die zusammen mit den Millionen in der internationalen Antikriegsbewegung eine riesige Wählerschaft bilden, sagen: Es reicht. Genug ist genug. Wir fordern einen Wandel.“

„Bitte ändern Sie den Kurs!“

Waters appellierte dann abschließend an US-Präsident Joe Biden, den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und an die „USA, die NATO, Russland und die EU“, „jetzt den Kurs zu ändern und heute einem Waffenstillstand in der Ukraine zuzustimmen“.

Warnung vor drittem Weltkrieg: „Die Ukraine ist die rote Linie“

Das eigentlich von Waters der UN Gesagte verhallt im medialen Nirgendwo, stattdessen werden als Diffamierungshilfe Bruchstücke eines kürzlich erschienenen Interviews in der „Berliner Zeitung“ (BLZ) herangeholt. In diesem warnte der Musiker: „Die Ukraine ist eine rote Linie. Die Ukraine muss ein neutraler Pufferstaat bleiben. Wenn sie das nicht bleibt, wissen wir nicht, wohin das führen wird. Wir wissen es immer noch nicht, aber es könnte in einem Dritten Weltkrieg enden.“

Besonders wird Waters zur Last gelegt, dass er in dem Interview das Putin-Narrativ „militärische Spezialoperation“ übernimmt, hier nachzulesen: „Er (Putin, Anm. der Red.) hat eine, wie er es immer noch nennt, ‚militärische Spezialoperation‘ gestartet. Er leitete sie auf einer Basis von Gründen ein, die, wenn ich sie richtig verstanden habe, folgende sind: Erstens will er den potenziellen Völkermord an der russischsprachigen Bevölkerung im Donbass verhindern. Zweitens: Er will den Faschismus in der Ukraine bekämpfen.“

Weiter nennt Waters in der BLZ die Profiteure dieses, wie er im Interview sagt, Stellvertreterkrieges: „Der wichtigste Grund für westliche Waffenlieferungen an die Ukraine ist sicherlich der Profit der Rüstungsindustrie.“

Gehirnwäsche durch westliche Medien?

Auf die Frage, ob Waters glauben würde, ob wir alle einer Gehirnwäsche unterzogen worden seien, die Antwort des Musikers: „Ja, das tue ich in der Tat, definitiv. Gehirnwäsche, Sie sagen es.“ Grund dafür sei der Konsum der westlichen Medien: „Was allen im Westen erzählt wird, ist das Narrativ der ‚unprovozierten Invasion‘. Hm? Jeder, der nur halbwegs bei Verstand ist, kann erkennen, dass der Konflikt in der Ukraine über alle Maßen provoziert wurde. Es ist wahrscheinlich die am meisten provozierte Invasion aller Zeiten.“

Streit um Roger-Waters-Konzerte

Wegen ähnlicher umstrittener Äußerungen zum Ukraine-Krieg – im September 2022 hatte er Selenskyj „extremen Nationalismus“ vorgeworfen und den Westen aufgefordert, keine Waffen mehr an die Ukraine zu liefern – sowie zur Politik des Staates Israel wurde in Krakau (Polen) bereits eines seiner Konzerte abgesagt. Dasselbe fordern in Deutschland jüdische und christliche Organisationen für die geplanten Konzerte in Berlin, Köln und Frankfurt Ende Mai. Waters werden antisemitische Propaganda und judenfeindliche Äußerungen bei Veranstaltungen zum Vorwurf gemacht. Er sei „Antisemit, Verschwörungstheoretiker und Israelhasser“.

Unter anderem hatte Uwe Becker, Hessens Antisemitismusbeauftragter, erklärte, dass Waters „mit zunehmender Aggressivität die antisemitische BDS-Boykott-Bewegung vertritt“. BDS steht für „Boykott, Desinvestition, Sanktionen“. Die 2005 gegründete internationale Bewegung will Israel durch politischen und wirtschaftlichen Druck zum Rückzug aus den besetzten palästinensischen Gebieten zwingen.

Das sagt der Anwalt: Keine Handhabe für Konzertverbote

Keine Handhabe für Konzertverbote sieht der Gießener Rechtswissenschaftler Maximilian Roth. Der sagte gegenüber dpa, dass es „keinesfalls“ ausreichen würde, Künstlern politische Äußerungen vorzuwerfen. „Erst wenn die Äußerungen, Haltungen und Symbole Teil der Kunst werden, kann das ein Einschreiten der Behörden legitimieren“, sagte Roth. Um dann einen Weg zu zeigen für eine Art „kleine Zensur“, wenn man so möchte: Statt ein Verbot zu fordern, das juristisch nicht durchsetzbar wäre, könnte man Auflagen erlassen, schlägt Roth vor. Im Falle von Waters könnte man zum Beispiel verfügen, auf der Bühne keine antisemitischen Symbole zu zeigen.

Kunstfreiheit ist verfassungsmäßiges Grundrecht

„Kunstfreiheit ist ein von der Verfassung garantiertes und vorbehaltlos gewährtes Grundrecht“, sagte Roth. Eingriffe in die Kunstfreiheit seien nur zum Schutze anderer Verfassungsgüter zulässig – zum Beispiel der freiheitlich-demokratischen Grundordnung – oder wenn ein Straftatbestand erfüllt werde – etwa der Volksverhetzung. Aber auch dann bedürfe es noch einer „Verhältnismäßigkeitsprüfung“, in der im Einzelfall abgewogen werden müsse.

Einmischung von Politik in Geschmack von Kunst

Wenn eine strafrechtliche Schwelle überschritten werde, seien politische Forderungen begrüßenswert. „Wenn sich die Politik aber in den Geschmack von Kunst einmischt, ist das im Zweifelsfall sogar kontraproduktiv“, warnt Roth. Menschen, die dem Staat kritisch gegenüberstünden, könnten zu dem Schluss kommen, dass die Politik ihnen jetzt sogar noch vorschreiben will, welche Musik sie gut finden dürfen und welche nicht. „Dann kann sich das, was vielleicht gut gemeint ist, schnell ins Gegenteil verkehren.“

Wunsch von Kulturbeauftragter Claudia Roth: „Vor leeren Hallen spielen“

Die Namensvetterin des Juristen, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, scheint eingesehen zu haben, dass das Recht nicht auf ihrer Seite ist. Da kein direktes Verbot durchgesetzt werden kann, präsentiert sie einen anderen Vorschlag, wie Ihre Ideen möglicherweise in die Praxis umgesetzt werden könnten.

Die Grünen-Politikerin sagte letzten Donnerstag gegenüber der „Jüdischen Allgemeinen“, dass sie zwar kein Konzert verbieten könne, sie würde sich aber wünschen, dass die Veranstalter von Konzerten mit Waters absehen, „und wenn sie doch stattfinden, dass er vor leeren Hallen spielt“.

Grundrechte versus unfromme Politikerwünsche

Jetzt hier kurz zusammengefasst, was die grüne Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth eigentlich sagt: Da die Kunstfreiheit ein Grundrecht ist und sich so ein Konzertverbot nicht durch den Gesetzgeber durchsetzen lässt, sollen nach Ansicht der Kulturbeauftragten Roth jetzt die Menschen Künstler boykottieren, die so Frevelhaftes tun wie von ihrer Kunst- und Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen. Und wenn diese Menschen unfassbarerweise doch jemanden anhören wollen, der sich für die Beendigung von Waffenlieferungen in die Ukraine einsetzt, dann sollen bitte die Konzertveranstalter indirekt als Zensoren durch die Hintertür einspringen, da das Grundgesetz es dem Staat nicht ermöglicht, durch ein einfaches Verbot missliebige Meinungen zum Schweigen zu bringen.

Beispiel Daniele Ganser: Cancel Culture durch die Hintertür

Solches durch Grünenpolitikerin Roth geäußertes Gedankengut mehrt sich in der Praxis – gerade erst verdeutlicht am Beispiel des Historikers und „Friedensforschers“ Dr. Daniele Ganser (Epoch Times berichtete).

Nach massivem medialen Druck und politischer Einflussnahme hat der Betreiber des Veranstaltungsortes Dortmunder Westfalenhalle Daniele Ganser abgesagt, ebenso die Meistersingerhalle in Nürnberg. Gansers Hauptbotschaft in seinen Vorträgen als Historiker ähnelt der von Roger Waters als Künstler: Keine Waffen mehr in die Ukraine! Verhandelt und schließt Frieden!

Wie der Grundtenor von Roger Waters vor der UN auch der des Historikers Ganser: Der Einmarsch Russlands in die Ukraine war illegal und verurteilenswert. Auch aus Sicht Gansers war dieser provoziert, deswegen bekommen nicht nur Putin, sondern auch seine Provokateure im Vortrag symbolisch Rote Karten verpasst. Auch Ganser fordert das Ende der Waffenlieferungen in die Ukraine. Das wird ihm vorgeworfen und unter den Schlagworten „Holocaust-Relativierung“ und „Bedienen antisemitischer Klischees“ zur medialen Hetzjagd auf ihn geblasen.

Ganser darf seine Meinung nicht sagen, interessierte Teilnehmer ihre nicht bilden

Das scheint Tausende Menschen nicht abzuhalten, sich seine Vorträge mit Friedensbotschaften an die von ihm proklamierte „Menschheitsfamilie anzuhören“ – wenn sie denn nicht wie in diesem Fall indirekt gecancelt werden.

Hier haben also die Veranstalter auch auf politischen Druck hin Frau Roth beziehungsweise der Politik einen „undemokratischen Gefallen“ getan: Das durchgesetzt, was die Grünen-Politikerin wohl gerne gewollt hätte, aber aus rechtlichen Gründen nicht konnte.

Für ein behördliches Verbot von Roger Waters‘ Konzerten gibt es tatsächlich keine Rechtsgrundlage, sagt auch Professor Dr. Martin Schwab, Rechtswissenschaftler an der Universität Bielefeld, und weiter: „Eine andere Frage ist, ob – wie im Fall Daniele Ganser – die Gesellschaft, die die Halle (im Zweifel mietweise) zur Verfügung gestellt hat, sich einfach aus dem Mietvertrag herausstehlen kann. Ich meine ganz klar: Nein! Es besteht ein gültiger Mietvertrag und an den hat sich der Vermieter – in diesem Fall der Betreiber Westfalenhallen Dortmund – zu halten! Und genauso verhält es sich mit den Roger-Waters-Konzerten.“



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