„Ratten-Jargon“? Zunehmende Entgleisungen im deutschen Journalismus

„Ratten“, „Blinddarm“ und „Schönen Dank an alle Ungeimpften“: Fälle gezielter Entmenschlichung missliebiger Gruppen häufen sich im deutschen Journalismus. Konsequenzen gibt es kaum.
Titelbild
Propagandatafel des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) „So will uns der Feind schaden und vernichten“.Foto: Epoch Times, mit freundlicher Genehmigung des Stasi-Museums Normannenstraße Berlin
Von 10. November 2022

Alarmiert zeigte sich im Vorjahr das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Ihm zufolge hat es im Jahr 2021 in Deutschland 83 tätliche Angriffe auf Journalisten gegeben. Der Verband befürchtete, dass „Hass auf die Presse sich als Normalzustand“ etablieren könnte. Kritiker meinen hingegen, dass Journalismus in Deutschland nicht nur als Opfer einstecken muss, sondern häufig auch als Täter auftritt, der austeilt.

Deutscher Journalismus reagiert verstört auf Twitter-Übernahme

Allein in den vergangenen Tagen haben zwei schwerwiegende Entgleisungen von Personen für Aufsehen gesorgt, deren Beruf ihren Aussagen eine millionenfache Reichweite ermöglicht. Es war sogar ein öffentlich-rechtliches Medium involviert, dessen Betrieb alle Haushalte durch eine Pflichtabgabe finanzieren.

Dass der Tesla-CEO Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen hat, sorgt vor allem in linken Kreisen Europas und Nordamerikas für Irritationen. Vor allem erweckt dort dessen Ankündigung Besorgnis, das Konzept des Dienstes zu überarbeiten.

Unter anderem hatte Musk angedeutet, es solle zum Wohle der Redefreiheit auf der Plattform mehr Zurückhaltung bei der Moderation geben. Außerdem wolle Musk zuvor gesperrten Nutzern eine Rückkehrmöglichkeit einräumen.

„Nie das Ziel gewesen, zu entmenschlichen“

In einem Kommentar für die „Tagesschau“ wurde Anstoß genommen, dass der neue CEO den Dienst zum „Marktplatz der Debatte“ machen wolle. Im Originalton klang dies dann folgendermaßen:

Aber auf seinem ‚Marktplatz‘ sollen offenbar auch rassistische oder verschwörerische Ratten aus ihren Löchern kriechen dürfen. Twitter kann nur relevant bleiben, wenn genau diese Ratten – um im Marktplatzbild zu bleiben – in ihre Löcher zurück geprügelt werden.“

Es bedurfte offenbar erst einer Vielzahl an Hinweisen aus der Leserschaft, um der verantwortlichen Redaktion zu verdeutlichen, in welcher Tradition Metaphern dieser Art stehen. Tiermetaphern waren vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus ein zentrales Element der Propaganda, vor allem gegen Andersdenkende und Juden. Durch die gezielte Entmenschlichung missliebiger Gruppen wollten die Nationalsozialisten in der Bevölkerung die Hemmschwelle zum Massenmord an diesen senken.

Schuldeingeständnis

Die „Tagesschau“-Redaktion änderte später den Text und bat um Entschuldigung für die Formulierung „rassistische oder verschwörerische Ratten“. Es sei „nie das Ziel [gewesen], jemanden zu entmenschlichen“. Diese Änderung sollte an dieser Stelle lobend hervorgehoben werden. Zum „Zurückprügeln“, was als subtiler Aufruf zu tätlicher Gewalt angesehen werden kann, äußerte sie sich allerdings nicht. Der Autor übt offenbar nach wie vor seine Tätigkeit für die ARD aus, jedenfalls dessen Beschreibung auf LinkedIn am 8. November 2022 folgend.

Zu den kritischen Stimmen, die sich im Zusammenhang mit der Urfassung des ARD-Kommentars geäußert hatten, gehörte auch jene der „Bild“-Zeitung. Dort hieß es bezüglich eines Journalismus, der Menschen als „Ratten“ bezeichnet:

Eine skandalöse Bezeichnung, die besonders im deutschen Sprachgebrauch an hetzerische, entmenschlichende Sprachbilder aus dunkelsten Zeiten erinnert. Und die sich in diesem Kontext wohl nicht nur auf tatsächliche Rassisten und Verschwörungstheoretiker bezieht, sondern auch auf alle, die die Tagesschau für solche hält.“

Deutscher Journalismus in der Corona-Ära: Ungeimpfte als „Blinddarm“

Die Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind laut Medienstaatsvertrag verpflichtet, die „Würde des Menschen“ und die „weltanschaulichen Überzeugungen anderer“ zu achten. Nicht immer scheint man es dort mit dieser Vorgabe allzu genau zu nehmen. Diese Erfahrung mussten im vergangenen Jahr Personen machen, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht an der Corona-Schutzimpfung beteiligt hatten.

Als vor einem Jahr erneute Lockdown-Maßnahmen infolge einer Welle des SARS-CoV-2-Virus zur Debatte standen, schrieb eine ZDF-Redakteurin auf Twitter:

Wäre die Spaltung der Gesellschaft wirklich etwas so Schlimmes? Sie würde ja nicht in der Mitte auseinanderbrechen, sondern ziemlich weit rechts unten. Und so ein Blinddarm ist ja nicht im strengeren Sinne essenziell für das Überleben des Gesamtkomplexes.“

Ungeimpfte als Universal-Sündenbock in der Corona-Krise

Ohne entmenschlichende Metaphern, aber inhaltlich in einer ähnlichen Weise wurde am 19. November 2021 in „Tagesthemen“ ein Kommentar, also eine Journalistenmeinung, veröffentlicht. Darin wurden Ungeimpfte im Dezember 2021 für alles verantwortlich gemacht, was möglicherweise auf das Gemeinwesen noch zukommen könne. Wer sich nicht „solidarisch“ verhalte und impfen lasse, trage die Schuld für Tausende Tote ebenso wie für ausgefallene Familienfeiern oder Pleiten in der Gastronomie. Im deutschen Journalismus verkörperte die Kommentatorin mit dieser Einschätzung anscheinend eher die Regel als die Ausnahme.

Mittlerweile gilt es als gesicherte Erkenntnis, dass die Corona-Impfung eine Übertragung des Virus als solchen nicht verhindert. Die Entwickler von BioNTech und Pfizer hatten selbst vor der Markteinführung bezüglich dieses Umstandes keine Klarheit. Darüber hinaus werden heute mehr schädliche Nebenwirkungen auf die Impfung zurückgeführt als zum damaligen Zeitpunkt. Dass die Schließung von Kitas epidemiologisch nicht notwendig war, räumte jüngst auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein.

MDR sieht keinen Bedarf zur Aufarbeitung des Kommentars

Vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse richtete Epoch Times eine Anfrage an die Redaktion des MDR, aus welcher der Tagesthemen-Kommentar stammt. Wir wollten wissen, ob sie mit dem heutigen Kenntnisstand ihren Kommentar in gleicher Weise veröffentlichen würden. Und wir haben gefragt, welche Rolle dieser mit Blick auf die gesellschaftliche Spaltung gespielt habe.

Aus dem MDR hieß es daraufhin, der Kommentar „basierte auf den damals bekannten Fakten“. Die Frage, ob der Kommentar nach heutigem Kenntnisstand ebenfalls veröffentlicht werden würde, erübrige sich damit. Über neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema COVID berichte man ausführlich in eigenen aktuellen Formaten.

Eine nachträgliche Aufarbeitung des Meinungsbeitrags hält man indes nicht für notwendig:

Der Kommentar entsprach allen journalistischen Standards. Der MDR steht nach wie vor hinter seinen Kommentatorinnen und Kommentatoren und dem publizistischen Genre Kommentar.“

Die MDR-Pressesprecherin führte zudem aus, dass Kommentare eine journalistische Darstellungsform mit wichtiger Funktion im demokratischen Diskurs sind. Auch solle eine kritische, analytische und pointierte Auseinandersetzung mit dem Thema die Diskussion befördern. Weiter heißt es:

Bei einem Meinungsbeitrag liegt es in der Natur der Sache, dass dies nicht nur Zustimmung, sondern auch Gegenmeinungen hervorruft. Die Annäherung an ein Thema aus verschiedenen Perspektiven gehört zur besonderen Stärke einer funktionierenden, zensurfreien Medienlandschaft, um durch unterschiedliche Blickwinkel durchaus auch neue Verbindungen innerhalb einer Gesellschaft zu erreichen.“

Aus Sicht des MDR geht es hier also nicht um die Frage der gesellschaftlichen Spaltung. Vielmehr schaffe auch der besagte Kommentar neue Verbindungen und einen konstruktiven Diskurs. Dass ein solcher Beitrag auch dazu geeignet sein könnte, Hass und Hetze gegen die Personengruppe der „Ungeimpften“ zu befeuern, sieht der MDR anscheinend nicht. Vielmehr erreiche man eine zensurfreie Medienlandschaft sowie die Wiedergabe unterschiedlicher Blickwinkel. Inwieweit „unterschiedliche Blickwickel“ auch aus „verschiedenen Perspektiven“ von kritischen Meinungen gegenüber den Corona-Maßnahmen beziehungsweise der Corona-Impfung in dieser „zensurfreien Medienlandschaft“ zum damaligen Zeitpunkt zugelassen wurden, bleibt an dieser Stelle offen.



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