Schulden von heute sind die Steuern von morgen
In diesem Jahr will Christian Lindner noch einmal aus dem Vollen schöpfen. Wegen der Coronakrise nimmt er einmal mehr die Aussetzung der Schuldenbremse in Anspruch und plant mit einer Nettokreditaufnahme von 99,7 Milliarden Euro – ebenso viel wie die Vorgängerregierung. Im kommenden Jahr soll die Neuverschuldung dann auf nur noch rund neun Milliarden Euro sinken.
Das Bekenntnis zur grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse war eines der wichtigsten Wahlkampfversprechen des FDP-Parteichefs. Sie erlaubt der Ampelkoalition eine Neuverschuldung von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was derzeit rund zwölf Milliarden Euro entspricht.
Lindner schafft den Finanz-Spagat nur, weil er das geplante Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr außerhalb des Bundesetats parkt. Mit diesem Vehikel sollen eigenständig Kredite aufgenommen werden dürfen, die nicht beim regulären Etat angerechnet werden. Weil das Sondervermögen im Grundgesetz verankert werden soll, ist die Ampelkoalition dafür auf die Zustimmung der Union angewiesen. „Damit wird klar, dass es sich um eine verfassungsrechtlich verankerte Ausnahme von der Schuldenbremse für einen klar definierten Zweck handelt“, wirbt Lindner für den Nebenhaushalt.
Nötig sind zwei Drittel der Stimmen in Bundestag und Bundesrat. Ein Selbstläufer für Lindner dürfte dies nicht werden, denn die CDU/CSU hat bereits signalisiert, nur dann grünes Licht für das Vorhaben zu geben, wenn die geplanten Ausgaben ausschließlich in die Modernisierung der Bundeswehr fließen.
Schattenhaushalt außerhalb der Leitplanken
„Finanzminister Lindner nutzt die Gunst der Stunde, um dieses Jahr durch Neuverschuldung noch einmal kräftig Geld für die ‚grüne Transformation‘ und die Bundeswehr einzusammeln, bevor die Schuldenbremse nächstes Jahr wieder greift“, sagt Thomas Mayer, Leiter der Denkfabrik der Kölner Vermögensverwaltung Flossbach von Storch gegenüber Epoch Times.
Dagegen sei nichts zu sagen, wenn die produktive Verwendung des Geldes sichergestellt sei. „Ob das die Bundesverwaltung ohne ordentliche Wirtschaftsrechnung mit bilanzieller Doppik hinbekommt, ist sehr fraglich“, mahnt der frühere Chefvolkswirt der Deutsche Bank, „dringend notwendig wäre daher jetzt parallel zur Neuverschuldung eine Verwaltungsreform.“
Dabei ist es nur des Finanzministeriums erster Streich, die Neuverschuldung in diesem Jahr unter der 100-Milliarden-Euro-Grenze zu halten. Mit einem weiteren Trick kann der Freidemokrat nämlich zugleich mit hohen Klimaausgaben werben. „Diese Regierung stellt für Energiesicherheit und Klimaschutz mehr als 200 Milliarden Euro bis 2026 zur Verfügung“, rühmt sich denn auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Doch was wie ein gigantischer Erfolg des Grünen bei den Haushaltsverhandlungen mit Lindner klingt, offenbart sich bei näherem Hinsehen größtenteils als längst eingeplantes Geld. Neue Haushaltsmittel gibt es nicht.
Schon die Finanzplanung der Merkel-Administration sah bisher 115 Milliarden Euro Ausgaben aus dem sogenannten Transformations- und Klimafonds (TKF) bis 2026 vor. Diese Summe wollen Lindner und Habeck nun um 85 Milliarden auf 200 Milliarden Euro aufstocken. Der Großteil dieses Zusatzbetrages ist freilich seit Ende 2021 bekannt. Damals hatte die Ampelkoalition mit einem Nachtragshaushalt 60 Milliarden Euro ungenutzter Corona-Notkredite als Rücklage in den TKF verschoben.
Alte Tricks zur Finanzierung politisch gewünschter Staatsprojekte
Der Rest der zusätzlichen Mittel für den Klimafonds speist sich in erster Linie aus höheren Einnahmen aus dem Europäischen Emissionshandelssystem, die in den TKF fließen. Da die CO₂-Zertifikate gegenüber der Finanzplanung aus dem vorigen Jahr erheblich teurer geworden sind, kann die Bundesregierung jetzt mit zusätzlichen 19 Milliarden Euro planen. Habeck freut’s – und Lindner muss nicht einmal zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen.
Doch damit nicht genug: Zum Zauber-Haushalt des Finanzministers gesellt sich indessen noch ein Ergänzungshaushalt, den er sich vorbehält, um die Lasten der neuen Krise abzufedern.
Er soll das nächste Entlastungspaket, Leistungen zum Schutz von Geflüchteten, humanitäre Hilfe im Ausland und gegebenenfalls nötige Wirtschaftshilfen umfassen, so der Minister, der bereits einen Rabatt für Benzin und Diesel an der Tankstelle vorgeschlagen hat. Auf welches Volumen sich der Ergänzungshaushalt beläuft, ist unklar. „Wir können bei bestem Gewissen nicht voraussagen, welche Folgen für den Bundeshaushalt der Krieg haben wird. Da fahren wir auf Sicht“, hieß es aus Ministeriumskreisen. Sicher ist nur: Die zusätzlichen Milliarden werden ebenfalls aus neuen Schulden stammen.
„Vermutlich hat eine erhebliche Anzahl von Wählern die FDP gewählt, weil sie sich von einem Finanzminister Lindner eine liberale Finanzpolitik auf nationaler und europäischer Ebene erhofft hat“, bringt Flossbach von Storch-Ökonom Thomas Mayer die Taschenspielertricks des FDP-Chefs auf den Punkt. „Bisher hat er auf europäischer Ebene nur Nettigkeiten von sich gegeben und auf nationaler Ebene alte Tricks zur Finanzierung politisch gewünschter Staatsprojekte ausgegraben.“
Der Artikel erschien zuerst in der Wochenzeitung Ausgabe 36 am 25. März 2022.
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