Sozialstaat in Schieflage – Jetzt droht das 5-Prozent-Abgaben-Plus

Die Coronakrise hat gewaltige Löcher in die öffentlichen Kassen gerissen. Doch die Ampel-Koalition ignoriert scheinbar die Folgen der Alterung für die Sozialversicherungen. Die Lage wird immer prekärer, dem Rentensystem droht der Kollaps.
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Soziale Wohltaten müssen auch finanziert werden.Foto: iStock
Von 17. Januar 2022
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Deutschland vergreist. Das Durchschnittsalter der Bundesbürger steigt stetig an. Immer weniger erwerbstätige Menschen stehen immer mehr Rentnern gegenüber. Nach einer Projektion des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sinkt das Erwerbspersonenpotenzial hierzulande zwischen 2020 und 2035 aus demografischen Gründen voraussichtlich um 7,2 Millionen Arbeitskräfte. Hierzulande wird die Zahl der 20- bis 64-jährigen Bundesbürger im Jahr 2030 rund elf Prozent niedriger sein als 2020, rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft vor.

Das hat Folgen für den Staatshaushalt: Eine immer ältere Bevölkerung bedeutet steigende Kosten für Gesundheitsversorgung und Pflege. Nach Berechnungen der EU wird die Zahl der Menschen, die öffentlich finanzierte Langzeitpflege erhalten, von 19,5 Millionen im Jahr 2016 auf 30,5 Millionen im Jahr 2050 in der EU steigen.

Verglichen mit der Überalterung ist die Coronakrise ökonomisch betrachtet ein laues Lüftchen. Schon 2026 frisst der demografische Wandel mehr als ein Drittel der deutschen Wachstumskraft, wie eine Mittelfristprojektion des Instituts für Weltwirtschaft aus dem Herbst vergangenen Jahres zeigt.

2030 droht ein Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge auf 45 Prozent

Besonders prekär: Die neue Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP bleibt eine Antwort auf die Frage schuldig, wie sie die finanziellen Belastungen der Alterung stemmen will.

„Der Koalitionsvertrag zeigt, dass die Ampel-Regierung die Augen vor dem langfristigen Reformbedarf in den Sozialversicherungen verschließt“, zitiert die „Welt“ den Demografie-Experten Martin Werding. „Statt jetzt zu handeln, um den absehbar starken Beitragsdruck zu dämpfen, gilt das Prinzip: Augen zu und durch“, moniert der Professor für Sozialpolitik und Sozialökonomie an der Ruhr-Universität Bochum.

Sein Gutachten, das er zusammen mit Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg im Auftrag des Spitzenverbands der privaten Krankenversicherung (PKV) im Spätherbst vergangenen Jahres erstellt hat, offenbart die Brisanz: Bis 2030 droht demnach ein Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge auf 45 Prozent.

Zum Vergleich: Aktuell liegt die Sozialabgabenquote mit 39,95 nur knapp unter der Marke von 40 Prozent, die noch von der Regierung Merkel als Obergrenze definiert wurde. Im Koalitionsvertrag der Ampel findet sich dieses Ziel nun nicht mehr.

Um die Leistungszusagen finanzieren zu können, müssen nach den Berechnungen der Forscher nicht nur die Beitragssätze deutlich steigen. Auch der Staat – und somit der Steuerzahler – wird kräftig zur Kasse gebeten. Die Studienautoren beziffern die Steuerzuschüsse auf 179 Milliarden Euro im Jahr 2030 – nach 144 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.

Beispielloser Stresstest für das deutsche Sozialsystem

Allein in diesem Jahr muss der Fiskus die gesetzliche Krankenversicherung mit einem Rekordzuschuss von 28,5 Milliarden Euro stützen, damit die Beiträge stabil bleiben können. Dies ist deutlich mehr als der reguläre Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro. Auch die Pflegeversicherung ist auf Milliarden vom Bund angewiesen. Diese Zuschüsse rauben dem Staat den Spielraum für den vom Kabinett Scholz vielbeschworenen Klimaschutz. Auch für Bildung und die brachliegende Digitalisierung fehlen die dringend benötigten Mittel.

Ein immenser Ausgabentreiber, dem die Scholz-Administration zu wenig Beachtung schenkt, ist die steigende Zahl der Pflegebedürftigen. Bis 2030 rechnen Experten hierzulande mit sechs Millionen Menschen, die auf Pflege angewiesen sind – aktuell sind es 4,5 Millionen. Derweil wird der Finanzbedarf laut „Barmer Pflegereport 2021“ – selbst ohne weitere Leistungsverbesserungen, die gleichwohl notwendig sind – von 49 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 59 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 steigen.

Die Demografie stellt vor diesem Hintergrund einen beispiellosen Stresstest für das deutsche Sozialsystem dar. Hatte schon die große Koalition den langen Aufschwung vor der Pandemie nicht zur Vorsorge genutzt, knüpft die Ampel genau daran an. Olaf Scholz stellte gar eine „Rentengarantie“ in Aussicht – obwohl renommierte Wirtschaftswissenschaftler und Forschungsinstitute immer wieder vor den dramatischen Folgen einer solchen Strategie gewarnt haben.

Freie Zuwanderung oder Wohlfahrtsstaat: Beides geht nicht

Um den unvermeidlichen Beitragsanstieg in Grenzen zu halten, will die neue Koalition künftig eine Dynamisierung der Steuerfinanzierung des Bundeszuschusses nach festen Regeln einführen. Bislang hatte der Bund die 2004 eingeführte Finanzspritze für die gesetzliche Krankenversicherung abhängig von der Kassenlage mal höher und mal niedriger angesetzt.

Helfen könnte auch eine verstärkte Zuwanderung. Doch bislang ist die Quote der Einwanderer, die sozialversicherungspflichtiges Einkommen erzielen, erschreckend niedrig. Der Ansatz von SPD und Grünen setzt falsche Anreize – und kostet letztlich weitere Steuergelder in Milliardenhöhe.

Denn Menschen unabhängig von Bildung, Qualifikation und Integrationsperspektive einwandern zu lassen und ihnen sämtliche Vorzüge des deutschen Sozialstaats zu gewähren, verstärkt nur den Druck auf die Sozialsysteme. Für das Jahr 2022 werden laut Statista Kosten des Bundes für Flüchtlinge und Asyl in Höhe von circa 18,8 Milliarden Euro geplant.

Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman konstatierte schon im Oktober 1977 in Chicago vor Studenten, dass offene Grenzen und Sozialstaat sich gegenseitig ausschließen. Man könne freie Zuwanderung haben oder einen üppigen Wohlfahrtsstaat, so der Nobelpreisträger – aber nicht beides.



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