TikTok braucht amerikanischen Käufer – doch Microsofts enge Beziehungen zu Peking könnten im Wege stehen

Die Zukunft von TikTok steht weiterhin im Fokus der Weltöffentlichkeit, da die App im September in den Vereinigten Staaten verboten werden soll – es sei denn, ihre Muttergesellschaft verkauft sie an Microsoft oder ein anderes US-Unternehmen. Doch die jahrzehntelangen Beziehungen von Microsoft zu Peking könnten das Wasser trüben.
Titelbild
Microsoft erwägt die Übernahme der chinesischen Firma ByteDance, welche TikTok betreibt.Foto: Cindy Ord/Getty Images)
Von 11. August 2020

Die unter Teenagern in den USA sehr beliebte Video-App TikTok wurde im Hinblick auf die nationale Sicherheit und den Schutz der Privatsphäre in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse in den Vereinigten Staaten parteiübergreifend unter die Lupe genommen. TikTok, das 2017 von der in Peking ansässigen ByteDance Technology Co. übernommen wurde, hat in den USA schätzungsweise mehrere zehn Millionen aktive Nutzer.

Im Kern geht es darum, dass chinesische Unternehmen nach einem nationalen Geheimdienstgesetz von 2017 verpflichtet sind, ihre Daten der regierenden Kommunistischen Partei zur Verfügung zu stellen.

Während einige Experten optimistisch sind, dass ein Kauf von Microsoft dem Datenschürfen durch die Hintertür ein Ende setzen wird, geben andere den eigenen weitreichenden Verbindungen des Unternehmens zu Peking Anlass zur Sorge.

TikTok ist in den meisten amerikanischen Ministerien verboten

US-Präsident Donald Trump hat kürzlich eine entschiedene Haltung zu chinesischen Apps eingenommen. Am 6. August erließ er Verordnungen, welche die Transaktionen mit TikTok und der Social-Media-App WeChat nach dem 20. September verbieten. Die Anordnungen verbieten auch Transaktionen mit ByteDance und der Muttergesellschaft von WeChat, Tencent Holdings.

Da das Verbot immer näher rückt, werden bereits kleinere Beschränkungen veranlasst. Der Senat billigte kürzlich einstimmig einen von Senator Josh Hawley eingebrachten Gesetzentwurf, der Regierungsangestellten die Verwendung von TikTok auf Regierungsgeräten verbietet.

Das Außenministerium, das Heimatschutzministerium, das Verteidigungsministerium und die Transportsicherheitsbehörde haben TikTok bereits für Regierungsgeräte gesperrt. Schon im Dezember 2019 untersagte die US-Armee ihren Soldaten die Nutzung der App. Oberstleutnant Robin Ochoa, eine Sprecherin der Armee, sagte gegenüber millitary.com, dass „es als Cyber-Bedrohung betrachtet wird“.

Die amerikanische Epoch Times berichtete kürzlich, dass mehr als 130 Mitarbeiter von ByteDance Teil eines in das Unternehmen eingebetteten Ausschusses der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) sind. Viele der Mitarbeiter sind laut internen Dokumenten in Führungspositionen tätig. Bei ByteDance, das im März 2012 gegründet wurde, nahm der Partei-Ausschuss im Oktober 2014 seine Arbeit auf.

Microsoft ist seit 1992 in China präsent – Dies löst Befürchtungen aus

Scott Watnik, Prozesspartner bei der amerikanischen Anwaltskanzlei Wilk Auslander und Co-Vorsitzender der Cybersicherheit der Firma, sagte, dass die Ängste um einen Microsoft-Kauf durchaus gerechtfertigt seien.

„Es ist kein Geheimnis, dass Microsoft seit 1992 in China präsent ist“, sagte Watnik gegenüber Epoch Times. „Microsoft genießt in China einen Sonderstatus, es ist das einzige westliche Unternehmen, dem China erlaubt, eine Suchmaschine und ein Unternehmen für soziale Medien innerhalb seiner Grenzen zu betreiben: Bing und LinkedIn“.

Unter Pekings „großer Firewall“-Politik sind diese beiden Unternehmen innerhalb Chinas zensiert worden. 

Zhang Yiming, der Gründer von Bytedance, arbeitete früher ebenfalls für Microsoft und besitzt ein geschätztes Nettovermögen von mehr als 16 Milliarden US-Dollar.

Wie auf Microsofts eigener Website zu lesen ist, befindet sich „die vollständigste Tochtergesellschaft und das größte Forschungs- und Entwicklungszentrum außerhalb der Vereinigten Staaten in China“.

Microsofts Website rühmt sich auch damit, dass ihr Unternehmen Anfang 2015 vom Magazin Fast Company als „Die 10 innovativsten Unternehmen der Welt in China“ ausgezeichnet wurde. Es wurde auch als eines der „Unternehmen, welche die chinesische Wirtschaft neu gestalten“ aufgenommen.

„Indem Microsoft in China operiert, geht es einen faustischen Pakt ein: Es erhält Milliarden an Profiten und Marktanteilen im bevölkerungsreichsten Land der Welt, aber im Gegenzug muss es den Forderungen Pekings nach staatlicher Zensur und Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Privatsphäre der Nutzer im Zusammenhang mit seinen Online-Plattformen nachgeben“, sagte Watnik.

„Auf welcher Ebene kann einem amerikanischen Unternehmen, das einen solchen Faust-Pakt abschließt, vertraut werden?“, fragte er. „Kann man einem amerikanischen Unternehmen, das sich bereits an der faustischen Abmachung beteiligt hat und weiterhin beteiligt ist, vertrauen, dass es solche Aktivitäten einstellt?“

Google hat China schon verlassen

Andere große Unternehmen wie Google haben China unterdessen aus Protest gegen die staatliche Zensur und Hacking durch das Regime verlassen. 

Angesichts der weitreichenden Präsenz von Microsoft in China sagte Watnik, er glaube, dass die KPC „die Möglichkeit habe, Druck auf Microsoft auszuüben, indem sie Richtlinien und Vorschriften einführe, die Microsofts Geschäftsbetrieb in China belohnen oder bestrafen könnten“.

Microsoft-CEO Satya Nadella hat versucht, Bedenken auszuräumen, indem er in einer Erklärung vom 2. August sagte, dass das Unternehmen „sicherstellen würde, dass alle privaten Daten der amerikanischen TikTok-Benutzer in die Vereinigten Staaten übertragen werden und auch dort verbleiben“.

TikTok hat wiederholt behauptet, dass es alle US-Benutzerdaten in den Vereinigten Staaten mit Backup in Singapur speichert.

Berater des Weißen Hauses: Microsoft sollte einen Ausstieg aus China erwägen

Auch in den höheren Verwaltungsebenen gibt es Kritiker eines Microsoft-Kaufs. Der Berater des Weißen Hauses, Peter Navarro, brachte ähnliche Bedenken vor.

„Mit wessen Software läuft die Volksbefreiungsarmee in China? Microsoft. Die Kommunistische Partei Chinas, wessen Software benutzt sie, um all die Dinge zu tun, die sie tun? Es ist Microsoft“, sagte Navarro gegenüber „CNN“. Wenn Microsoft will, dass das TikTok-Geschäft zustande kommt, dann sollten die Führungskräfte einen Ausstieg aus China in Erwägung ziehen, sagte Navarro.

Peking nutzte früher Microsofts Windows-Betriebssystem in seinem Militär, will es jedoch durch ein neues, von China unabhängig entwickeltes Betriebssystem ersetzen.

Mark Hayes, Marketingleiter von Kintell, einer App für Videokonsultationen, sagte, dass Microsofts massive Präsenz und sein Einfluss in China Fragen gleichermaßen aufwirft.

„Wird diese Übernahme Auswirkungen auf den Datenschutz haben? Wird sich unter Microsoft überhaupt etwas ändern? Wird China auch nach dem Kauf eine heimtückische Verwicklung haben?“, so Hayes gegenüber Epoch Times.

Nach Angaben von Sensor Tower Store Intelligence hat TikTok kürzlich weltweit mehr als 2 Milliarden Downloads im Google Play Store und Apples App Store erzielt. Laut dem Forschungsunternehmen erhielt die App im ersten Quartal dieses Jahres mit „mehr als 315 Millionen Installationen“ die meisten Downloads aller Apps überhaupt.

Verkäufe von Technologie und Produktion nach China sollen verboten werden

Blair Brandt, ein republikanischer Stratege und politischer Berater, sagte, die Tatsache, dass Microsofts Software von der KPC verwendet wird, „lässt einen die Dinge sicherlich in Frage stellen“.

„Wir können nicht davon ausgehen, zumindest nicht für bare Münze nehmen, dass ihr Besitz von TikTok die Verletzungen der Privatsphäre verhindern wird, über die wir ursprünglich besorgt waren“, sagte er Epoch Times. „Der Teufel steckt im Detail.“

„Der Verkauf von TikTok an ein amerikanisches Unternehmen ist ein großartiger Kompromiss, aber wir müssen darauf achten, welche Käufer die richtige Erfolgsbilanz und das richtige Maß an Integrität bieten“, sagte Brandt.

Alle Verkäufe von US-amerikanischer und westlicher Technologie und Technologieproduktion nach China sollten zum Schutz der nationalen Sicherheit verboten werden, so Casey Fleming, Vorsitzender und Geschäftsführer der Geheimdienst- und Sicherheitsstrategiefirma BlackOps Partners.

An den Spionagepraktiken Pekings wird sich nichts ändern, selbst wenn es der Übernahme von Microsoft zustimmt, so Fleming. „Noch einmal, alle Technologie, die von der KPC benutzt oder geschaffen wird, dient dazu, das kommunistische Regime an der Macht zu halten“, stellt er im Gespräch mit Epoch Times klar. „Ich denke da an die totale Kontrolle.“

Laut Gesetz sind chinesische Unternehmen verpflichtet, Einheiten der Kommunistischen Partei in ihren Büros einzurichten, um sicherzustellen, dass die Geschäftspolitik und die Mitarbeiter die Parteilinie einhalten.

Ein Sprecher von Microsoft teilte der amerikanischen Epoch Times per E-Mail mit, dass das Unternehmen dazu „nichts mitzuteilen hat“, wie er auf eine schriftliche Anfrage antwortete.

US-Rhetorik rund um die App sei „ein rein politisches Spiel“

Rob Behnke, CEO bei Halborn, einer Cybersicherheitsfirma, die mit neuen Technologien arbeitet, sagte der Epoch Times, dass es zu diesem Zeitpunkt „nicht einmal Spekulation“ sei, dass TikTok US-Daten nach China schickt.

„Ein Wechsel im Management wird dies ändern und hoffentlich werden die Hintertüren geschlossen, sollte [der Kauf] tatsächlich geschehen“, sagte er. „Allerdings geht es hier mehr um den Datenschutz als um die Sicherheit“, fügte Behnke hinzu.

Eine erfolgreiche Übernahme würde nur bedeuten, dass es ein US-Unternehmen wäre, das die Amerikaner ausspioniert, und nicht die Chinesen, sagte Behnke. Er nannte die jüngste US-Rhetorik rund um die App „ein rein politisches Spiel“.

Trump hat die Präsenz von TikTok in den Vereinigten Staaten als eine Vermieter-Mieter-Beziehung beschrieben, und dass seine Regierung „alle Karten in der Hand hat“.

Mark Grabowski, außerordentlicher Professor für Cyber-Recht und digitale Ethik an der Adelphi-Universität, sagte, es wäre eine Erleichterung zu wissen, dass das chinesische Regime nach einem Kauf von Microsoft zumindest nicht mehr in der Lage wäre, TikTok direkt auszunutzen, um Amerikaner auszuspionieren.

„Aber ich bin mir nicht sicher, ob Microsoft die Antwort ist“, sagte er Epoch Times. „Sie gehören zu den so genannten Frightful Five oder einer Gruppe amerikanischer Technik-Giganten, welche sich eine enorme Macht angeeignet haben“, sagte Grabowski. „Ich mache mir auch Sorgen, ob Microsoft TikTok zensieren wird“, fügte er hinzu. „Sie haben in ihre Nutzungsbedingungen Sprachbeschränkungen für andere Produkte, wie zum Beispiel Office 365, aufgenommen, die weit über das hinausgehen, was gesetzlich vorgeschrieben ist“, so der Professor.

Während Microsoft als einer der Hauptakteure angesehen wird, hat auch Twitter Interesse an einer Übernahme bekundet.

Dr. Robert J. Bunker, außerordentlicher Forschungsprofessor am Institut für strategische Studien in der Kriegsakademie der US-Armee, konstatiert: die TikTok-Saga sei Teil eines umfassenderen Themas, einer Schlacht um die Entscheidung über die allgemeine Landschaft im Internet.

„Ich denke, die Vereinigten Staaten sollten für die Zukunft eines liberal-demokratisch beeinflussten globalen Internets ‚kämpfen‘, indem sie China in dieser Hinsicht sowohl einbeziehen als auch eindämmen“, sagte er gegenüber Epoch Times. „Daher sollten Microsoft und andere US-Firmen TikTok, Zoom und andere potentiell KP-gebundene Geschäftseinheiten kaufen.“

Der Originalartikel erschien in The Epoch Times USA (deutsche Bearbeitung von sza)
Originalfassung: Microsoft’s Extensive Ties to Beijing Could Muddy TikTok Discussions, Experts Say



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion