Verfahren Ballweg: Landgericht attestiert Staatsanwaltschaft „willkürliche Unterstellungen“

Epoch Times liegt seit gestern der Beschluss des Stuttgarter Landgerichts vor: eine 56-Seiten lange Bescheinigung einer Schlechtleistung an die Staatsanwaltschaft und eine Anklage gegen Michael Ballweg, die so wohl nie hätte erhoben werden dürfen.
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Michael Ballweg. (Archivbild).Foto: Epoch Times
Von 12. Oktober 2023

Das Landgericht Stuttgart wird keine Hauptverhandlung gegen Querdenken-Gründer Michael Ballweg eröffnen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat vorgestern eine Pressemitteilung verschickt, in der sie erklärte, eine „sofortige Beschwerde gegen den Beschluss“ einzulegen.

Auch der frühe Zeitpunkt des Einspruchs war ungewöhnlich, denn das Landgericht hatte sich noch nicht öffentlich geäußert. Auch Michael Ballweg und seine Anwälte wurden von der Erklärung der Staatsanwaltschaft überrascht. Die Überraschung war allerdings positiv, wie man gestern einem längeren Kommentar von einem der Anwälte Ballwegs entnehmen konnte:

„Kurz zusammengefasst, stellt das Landgericht nicht nur fest, dass die Ermittlungen völlig unzureichend und fehlerhaft sind, sondern attestiert der Staatsanwaltschaft sogar, von vornherein von falschen Prämissen und willkürlichen Unterstellungen ausgegangen zu sein.“

Auch Rechtsanwalt Dirk Schmitz befand mit Blick auf die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, bildlich gesprochen sei das „wie ein Sechser in der Klassenarbeit, kombiniert mit Eckestehen und Mülleimer auf dem Kopf.“

Zur Einschätzung dieses Falles muss man sich in Erinnerung rufen, dass es hier um einen Angeklagten geht, der über neun Monate in U-Haft sitzen musste und dessen Ruf beschädigt ist. Deutlich wird nach dem Beschluss des Landgerichts Stuttgart: Das alles passierte auf Basis der Arbeit einer Staatsanwaltschaft, die gerade von den Juristenkollegen am Landgericht Stuttgart in der Luft zerrissen wurde.

Die Richter beschließen: Die Eröffnung des Hauptverfahrens werde abgelehnt, hinsichtlich der Tatvorwürfe eines fast zehntausendfachen Betrugs, ebenso wie der Vorwurf der Geldwäsche in vier Fällen; hier soll es insgesamt um knapp eine halbe Million Euro gegangen sein.

Es bleiben vier Fälle von Steuerhinterziehung, die noch verhandelt werden sollen.

Eine dokumentierte Schlechtleistung über 56 Seiten

Die Gründe für die Abweisung des Betrugsvorwurfs gegen Michael Ballweg sind akribisch über 56 Seiten aufgeführt worden. Auch hätte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nicht vernünftig abgeschlossen und auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage Anklage erhoben. Die Anklage hätte laut Gericht teilweise nicht einmal den Mindestanforderungen einer Anklageerhebung erfüllt.

So wäre es für den Angeklagten nicht eindeutig erkennbar gewesen, weshalb er überhaupt angeklagt werde. Das Landgericht lehnt die Eröffnung des Hauptverfahrens auch deshalb ab, weil die Staatsanwaltschaft fehlerhafte Prämissen aufgestellt hätte und darauf den weiteren Gang des Ermittlungsverfahrens gründete.

Laut Landgericht sei eine Sachaufklärung gar nicht durchführbar gewesen. Die Staatsanwaltschaft hätte laut Gericht nicht einmal verstanden oder verstehen wollen, was überhaupt der Zweck der Gründung von Querdenken 711 gewesen sei. Das allerdings, so das Gericht, wäre für das Verfahren die zentrale Frage gewesen:

„Die Staatsanwaltschaft hat – ausgehend von der fehlerhaften Annahme, der Angeklagte habe mit Querdenken 711 eine eigenständige „Organisation“ geschaffen […] insbesondere nicht aufgeklärt, was Zwecke […] von Querdenken 711 sind.“

Die Staatsanwaltschaft sei stattdessen von Voraussetzungen ausgegangen, die auf einer eigenen, vorab getroffenen falschen Bewertung beruhen, so das Landgericht. Und damit ist das 56-seitige Papier gerade einmal bei Seite drei angekommen.

Die Staatsanwaltschaft, so geht es weiter, wäre einfach nicht in der Lage gewesen, eine zweckentsprechende Verwendung des von Querdenken 711 eingeworbenen Geldes von einer zweckwidrigen abzugrenzen. Ein ablehnendes Fazit reiht sich hier an das nächste. So hätte es auch keine eine Hauptverhandlung begründendes aussagekräftiges Ermittlungsergebnis gegeben.

Anklage stützte sich auf wertlose Fragebögen

Die Staatsanwaltschaft hatte an die Spender von Querdenken-711 Fragebögen verschickt. Das Landgericht erkennt zu dieser Aktion, sie hätte nicht zu brauchbaren Ergebnissen geführt. Die Fragebögen seien alleine aus dem eigenen Blickwinkel der Staatsanwaltschaft und auf Grundlage einer bereits vorweggenommenen eigenen Bewertung erstellt worden. Die Antworten seien zudem so dürftig ausgefallen, dass es zu keinem aussagekräftigen Bild kommen konnte hinsichtlich der Absicht der Zuwendungen.

Das Landgericht bringt die Anklageschrift Seite für Seite mehr zu Fall: Wenn kein Tatverdacht „versuchter Betrug“ vorliege, könne auch keine Geldwäsche vorliegen usw.

Nun hatte das Landgericht – auch das ist aus dem Epoch Times vorliegenden Beschluss ersichtlich – der Staatsanwaltschaft Gelegenheit gegeben, die Anklage zurückzunehmen. Aber die bestand auf der Anklage. Dem hat das Landgericht jetzt einen Riegel vorgeschoben. Es erkennt keinen von der Staatsanwaltschaft behaupteten hinreichenden Verdacht auf eine Straftat. Auch sei keine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit gegeben. Der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung bleibe allerdings bestehen. Es befindet sogar, dass die Staatsanwaltschaft rechtsstaatlich durchaus bedenklich agiere.

Das Landgericht stellt an einer Stelle klar, dass Querdenken gleich Ballweg ist. Es gebe demnach keine Organisation Querdenken. Das bedeutet übersetzt, dass hier niemand dem anderen etwas wegnehmen kann. Nebenbei bemerkt muss das auch Auswirkungen haben auf die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts über Querdenken.

Ein fehlerhaftes Vorverständnis

Das Gericht stellt fest, dass für den Angeklagten Michael Ballweg keine rechtliche Verpflichtung bestand, zwischen Zuwendungen und seinem übrigen Vermögen zu trennen. Davon aber sei die Staatsanwaltschaft fälschlicherweise ausgegangen. Auch hätten sich die Verwendungszwecke der Zuwendungen laufend geändert, stellt das Gericht fest.

Das Landgericht Stuttgart stellt unter anderem auch fest: Das Manifest von Querdenken beschränke sich auf allgemeine rechtspolitische Ausführungen und erschöpfe sich darin zu betonen, die Grundrechte wieder einzufordern beziehungsweise „wiederherstellen“ und die Demokratie fördern zu wollen.

Ein Vorwurf zieht sich durch das gesamte Papier: Das Landgericht attestiert der Staatsanwaltschaft ein fehlerhaftes Vorverständnis. Die Staatsanwaltschaft baue ihre Ermittlungsarbeit auch darauf auf, dass man an eine große Zahl an Unterstützer die schon erwähnten Fragebögen versandte. Das Landgericht bügelt diese Bemühungen gleich an mehreren Stellen weg.

Die Ergebnisse dieser zeugenschaftlichen Befragungen seien nicht nur deshalb unbrauchbar, weil die befragten Zeugen zu einem großen Teil offensichtlich unwillig waren, schriftlich aussagekräftig auf die gestellten Fragen zu antworten. Vielmehr sei, so das Gericht, die Unbrauchbarkeit der Antworten auf die Anhörbögen bereits in der Formulierung der dort gestellten Fragen angelegt.

Kein dringender Tatverdacht des versuchten Betruges

Das Fazit ist eindeutig: Die Staatsanwaltschaft gehe basierend auf einer untauglichen Tatsachengrundlage davon aus, dass eine einheitliche Tat, nämlich ein (versuchter) Betrug in 9.450 tateinheitlichen Fällen vorläge. Diese Bewertung ließe sich laut Gericht anhand des bisher vorliegenden Ermittlungsergebnisses aber gar nicht treffen. Auf Seite 42 schreibt das Landgericht:

„Mag gegen den Angeklagten im Ermittlungsverfahren zunächst ein dringender Tatverdacht des versuchten Betruges und der Geldwäsche bestanden haben, kann dies jedenfalls auf Grundlage des mit Anklageerhebung vom 20. März 2023 vorgelegten Ermittlungsergebnisses nicht mehr bejaht werden.“

Es hätte zudem auch keine Grundlage gegeben, dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines an den Umfang der Anklage angepassten Haftbefehls zu entsprechen. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft erneut versucht hatte, Ballweg in U-Haft zu schicken, was aber am Landgericht scheiterte:

„Auch kam nicht in Betracht, einen neuen Untersuchungshaftbefehl zu erlassen, der sich nur auf die Vorwürfe der Steuerhinterziehung bezieht, weil sich die diesbezüglichen Verdachtsmomente gegen den Angeklagten nicht zu einem dringenden Tatverdacht verdichtet haben.“

Demnach ist auch der Vorwurf der Steuerhinterziehung gegen Ballweg alles andere als gesichert. Das Landgericht gibt hier sogar der Staatsanwaltschaft eine gehörige Portion Mitschuld an dieser mutmaßlichen Steuerhinterziehung, denn der Angeklagte hätte aufgrund seiner U-Haft gar nicht die Gelegenheit gehabt, seine Steuererklärungen pünktlich abzugeben:

„Angesichts des Umstandes, dass sich der Angeklagte währenddessen jedoch in Untersuchungshaft befunden hat, muss – losgelöst von sich stellenden materiellsteuerrechtlichen Fragen – in der Hauptverhandlung überprüft werden, ob und gegebenenfalls in welchem Maße die Inhaftierung den bestreitenden Angeklagten an der Wahrnehmung seiner steuerlichen Pflichten gehindert haben könnte, wobei der Ausgang vollkommen offen ist.“



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