11. September: 20 Jahre Terror und Bidens Sinkflug

Der US-Truppenabzug hat Afghanistan in ein Chaos gestürzt, sagen Experten. Der Krieg ist noch nicht vorbei. Die Beliebtheit des US-Präsidenten Joe Biden sinkt derweil bei den Amerikanern rapide – sie sind mit seiner Außenpolitik unzufrieden.
Von 11. September 2021

Heute vor 20 Jahren standen Menschen auf der ganzen Welt vor ihren Fernsehgeräten und konnten die übertragenen Bilder aus den USA kaum fassen. Aus den Zwillingstürmen des Word Trade Centers stieg Rauch auf. Erste unsichere Berichte sprachen von Flugzeugen, die in die Türme geflogen sind. Die Flammen breiteten sich rasch aus. Viele Menschen wurden eingeschlossen, setzten verzweifelte Hilferufe ab. Menschen sprangen in Panik aus den Fenstern …

Die Terroranschläge auf New York und Washington, DC haben eine tiefe Wunde in die westliche Gesellschaft geschnitten – nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt. Die Wunde ist allerdings nach so vielen Jahren immer noch nicht richtig verheilt – reißt sie womöglich wieder auf?

Terrorgruppen fassen erneut Fuß

„Als ich für das Präsidentenamt kandidierte, versprach ich, diesen Krieg zu beenden. Und heute hab ich dieses Versprechen erfüllt“, sagte US-Präsident Joe Biden am 31. August 2021 zum Truppenabzug aus Afghanistan. Kurz davor haben die Taliban erneut in dem Land die Macht übernommen. 

Biden erklärte den Krieg für beendet, doch Experten warnen vor neuen Bedrohungen, wie etwa vor einem Bürgerkrieg in Afghanistan und der Gefahr von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Die USA würden dies aber nicht zulassen und Terroristen, die das Land angriffen, „bis zum Ende der Welt jagen und fassen“, versprach Biden. Nein, der Krieg ist nicht zu Ende, nur die Rolle der USA – und auch das wahrscheinlich nur vorübergehend, schreibt Karl Rove, früherer stellvertretender Stabschef des Weißen Hauses im „Wall Street Journal“.

General Mark Milley, Vorsitzender des Generalstabs der USA, glaubt, dass die Krise in Afghanistan zu einem Bürgerkrieg führen könnte. Der Truppenabzug und die Machtübernahme der Taliban haben Afghanistan in ein Chaos gestürzt, was wiederum Terrorgruppen wie Al-Kaida oder IS die Möglichkeit gibt, wieder Fuß zu fassen, so der General gegenüber „Fox News“.

Seine These hat sich teils schon bewahrheitet, denn am Tag der Rede von Biden ist Osama bin Ladens ehemaliger Bodyguard Amin al-Haq nach Afghanistan zurückgekehrt. Fast 20 Jahre lang hatte der ausgebildete Urologe im benachbarten Pakistan verbracht.

Als bin Laden 2011 von US-Spezialeinheiten getötet wurde, saß al-Haq in einem Gefängnis in der nordwestpakistanischen Stadt Peshawar. Man habe ihm keine Straftaten nachweisen können und so wurde er nach dem Tod von bin Laden freigelassen. Die Al-Kaida hat 2001 all ihre Operationen zum 11. September in Afghanistan vorbereitet. Nun sind sie zurück.

Das Weiße Haus nimmt die Warnungen zu der wachsenden Terrorgefahr ernst, sagen Regierungsbeamte gegenüber „Politico“. Sie nutzen den Wunsch der Taliban nach internationaler Legitimität als Druckmittel. Damit sollen terroristische Gruppen in Schach gehalten werden. Außenminister Antony Blinken zufolge hätten die Taliban „ein gewisses Eigeninteresse an dieser Sache“. Sie wüssten noch, was passiert war, als sie das letzte Mal eine Terrorgruppe versteckt hatten – und das würden sie nicht noch mal riskieren wollen, warnt er.

Bidens Beliebtheit im Sinkflug

Die Amerikaner sind mit Bidens Afghanistan-Politik jedoch alles andere als zufrieden. Dies zeichnet sich deutlich in einer Umfrage (im Auftrag von NPR und PBS) über seine Beliebtheit ab. Sie ist im Vergleich zu Anfang August um sechs Punkte auf 43 Prozent gesunken. Dies ist der niedrigste Wert für Biden seit seinem Amtsantritt. Die Werte standen vorher zwischen 49 und 54 Prozent.

Bidens Zustimmungsrate ist bei den unabhängigen Wählern am stärksten gesunken: Im August gaben nur 36 Prozent an, dass sie mit seiner Arbeit einverstanden sind, gegenüber 46 Prozent vor einem Monat. Auch bei den Demokraten sank seine Zustimmungsrate um fünf Prozentpunkte.

Ähnlich niedrige Werte zeigt auch die Umfrage von „FiveThirtyEight“, der für seine Vorhersagen bei US-Wahlen bekannt ist. Bidens Werte sanken etwa um sieben Prozent, im Juli lag seine Beliebtheit noch im Durchschnitt bei 52 Prozent.

Ursprünglich unterstützten die Amerikaner mit überwältigender Mehrheit (69 Prozent) Bidens Entscheidung vom April, die verbleibenden US-Streitkräfte aus dem Land abzuziehen. Auch jetzt sind mehr Menschen für den Abzug als für den Verbleib, aber die meisten Amerikaner finden, dass Biden den Abzug schlecht gehandhabt hat. Ein Großteil der US-Präsidenten musste nach den „Flitterwochen“ der Amtseinführung einen langsamen Rückgang der Zustimmung hinnehmen, und Biden ist dabei keine Ausnahme – doch der plötzliche Sinkflug seiner Werte ist signifikant.

Republikaner fordern Bidens Rücktritt

Der Tod von 13 amerikanischen Soldaten nach den Bombenanschlägen auf dem Flughafen von Kabul am 26. August war ein verheerender Schlag für die Afghanistan-Politik von Biden, sagen Republikaner – sie fordern seinen Rücktritt. 

Josh Hawley, ein republikanischer Senator, hatte den Präsidenten dafür kritisiert, dass er sich nicht an die von Trump gesetzte Frist für einen vollständigen Rückzug bis zum 1. Mai gehalten hat. „Es ist nun zweifelsfrei klar, dass er weder die Fähigkeit noch den Willen hat, zu führen“, twitterte Hawley. „Er muss zurücktreten.“

Die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley schrieb: „Sollte Biden wegen seines Umgangs mit Afghanistan zurücktreten oder abgesetzt werden? Ja.“ Dies würde allerdings bedeuten, dass Vizepräsidentin Kamala Harris an die Macht käme, „was zehnmal schlimmer wäre“, so Haley. „Gott steh uns bei.“

Haley sagte, Biden habe das Vertrauen jedes einzelnen Mitglieds des Militärs und der Militärfamilien verloren, so Haley. „Er hat das Vertrauen und die Zuversicht des amerikanischen Volkes verloren.“

Ginge es nach US-Senator Lindsey Graham, sollte gegen Biden gar ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden. Er nannte den Abzug der Truppen, bevor alle US-Verbündeten aus Afghanistan evakuiert worden waren, „das Unehrenhafteste, was der Oberbefehlshaber in der Neuzeit vielleicht getan hat“. Einige Tage später unterzeichnete auch der US-Abgeordnete Jeff Duncan ein Amtsenthebungsverfahren gegen Biden wegen „Pflichtverletzung“.

Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass Biden angeklagt wird, da die Demokraten das Repräsentantenhaus kontrollieren. Mitglieder der Demokratischen Partei im Kongress haben dennoch die Planung des Abzugs als „Fehlschlag“ angeprangert. 

Der Abgeordnete Seth Moulton, ein ehemaliger Marinesoldat, der im Irak diente, forderte die Regierung Monate vor dem Abzug auf, „unsere Verbündeten sofort zu evakuieren – und nicht auf Papierkram, auf wackelige Vereinbarungen mit Drittländern oder auf Zeit zu warten, damit es ‚geordneter‘ aussieht“. Seiner Meinung nach haben die USA zu lange mit der Evakuierung aus Afghanistan gewartet, obwohl die Regierung schon länger über die kritische Lage informiert war. Er macht beide Parteien für die heutige Situation verantwortlich. „Dafür sollten wir uns alle im Kongress schämen.“ Die Ausschüsse beabsichtigen nun, das Debakel zu untersuchen.

Geheimdokumente werden freigegeben

20 Jahre nachdem 19 Al-Qaida-Terroristen vier Passagier-Flugzeuge entführt und auf Ziele in den USA zugesteuert und getroffen hatten, hat Biden die Freigabe einiger Dokumente zu den Anschlägen angeordnet. Zuvor hatten einige Familien der Opfer damit gedroht, nicht zu den Gedenkfeierlichkeiten zum 20. Jahrestag zu erscheinen, falls Biden die Dokumente nicht freigibt. Ihnen ging es vor allem um Unterlagen, welche die Rolle Saudi-Arabiens bei den Anschlägen beleuchten. 

Die Kommission zur Aufarbeitung der Anschläge kam in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass es keine Beweise gebe, dass „die saudi-arabische Regierung als Institution oder ranghohe saudi-arabische Vertreter“ die Al-Kaida mitfinanziert hätten. 15 der 19 Attentäter am 11. September 2001 stammten von dort, auch der für die Planung und Finanzierung verantwortliche Osama bin Laden war saudischer Staatsbürger.

Seit Jahren fordern Opferfamilien, das Wissen um die Rolle des Königreichs bei den Anschlägen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ihnen geht es vor allem um einen Bericht vom April 2016, von dem sie vermuten, dass darin die finalen Ermittlungsergebnisse der Operation zusammengefasst wurden.

„Wir dürfen nie den anhaltenden Schmerz der Familien der 2.977 unschuldigen Menschen vergessen, die beim schlimmsten Terrorangriff in der Geschichte gegen Amerika getötet wurden“, sagte Biden jetzt. „Für sie war es nicht nur eine nationale und internationale Tragödie. Es war eine persönliche Zerstörung.“

Am 20. Jahrestag der verheerenden Anschläge wird Biden den Ground Zero in New York City, das Pentagon und die Gedenkstätte außerhalb von Shanksville, Pennsylvania, besuchen, wo der United-Flug 93 abgestürzt ist.

Das Ministerium für Heimatschutz warnt, dass Terroristen den Jahrestag „als Katalysator für gezielte Gewalttaten“ ausnutzen könnten. Das Ministerium wies darauf hin, dass Al-Qaida vor Kurzem die erste englischsprachige Ausgabe des Magazins „Inspire“ – das offen zugängliche Handbuch der Terrorgruppe – seit über vier Jahren wieder veröffentlicht hat.

Die neue Ausgabe von „Inspire“ ruft erneut zu Anschlägen auf Amerikaner in den USA auf. Zusätzlich zu ihrer üblichen antiamerikanischen Terroristenrhetorik werden laut ABC Dschihadisten in dem Magazin aufgefordert, sich sogenannte „Geisterwaffen“ zu beschaffen. Die Komponenten für diese Do-it-yourself-Waffenbausätze sind im Internet leicht erhältlich, erfordern keine Genehmigung für den Kauf oder Verkauf und sind für die Behörden nahezu unmöglich zurückzuverfolgen.



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