7,5 Milliarden Euro EU-Mittel werden Ungarn weiterhin vorenthalten

„Trotz ihrer Unfairness gegenüber Ungarn und ihrer ständigen Forderungen nach neuen Bedingungen müssen wir uns um eine Einigung bemühen“, mahnt Viktor Orbán. Für die EU-Kommission ist Ungarn auf dem Weg zur Rechtsstaatlichkeit „unzureichend“ vorwärtsgekommen.
Titelbild
Ministerpräsident Viktor Orbán im ungarischen Parlament (11. Juli 2022).Foto: MTI/Pressestelle des Ministerpräsidenten Viktor Orbán/Fischer Zoltán
Von 4. Dezember 2022

Die EU-Kommission hat eine neue Empfehlung veröffentlicht. Darin rät sie den europäischen Staats- und Regierungschefs, zwei Drittel der Gelder (65 Prozent) der drei Programme Energie und Umwelt, Verkehr und regionale Entwicklung, die Ungarn zugedacht sind, einzufrieren. Effektiv entspricht das einem Drittel aller EU-Gelder, die Ungarn erhalten sollte.

Bis zum 19. Dezember hat der Europäische Rat dann Zeit, einen Beschluss über den Vorschlag der EU-Kommission zu fassen.

Die Aussetzung der Mittel erfordert ein Votum mit qualifizierter Mehrheit. Der Europäische Rat umfasst die 27 Staats- und Regierungschefs der EU plus Ursula von der Leyen und Josep Borrell.

Ungarischer Sanierungsplan

Brüssel begründet seine Empfehlung vom 30. November damit, dass „Ungarn bei Reformen unzureichende Fortschritte erzielt und wesentliche Etappenziele erreichen muss, um Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zu erhalten.“ Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) ist der offizielle Name des Corona-Wiederaufbaufonds in Höhe von insgesamt 672,5 Milliarden Euro.

Es bestehe „trotz der unternommenen Schritte ein Risiko für den EU-Haushalt, da die noch ausstehenden Korrekturmaßnahmen struktureller und horizontaler Natur sind“.

Von Ungarn werden also weitere Reformen zur Unabhängigkeit der Justiz und den Schutz des EU-Haushalts gefordert. Diese sollen laut Kommission „vollständig und effektiv“ erfüllt werden. Ungarn hat sich in diesem Zusammenhang zu 17 Maßnahmen verpflichtet. Im EU-Jargon wird von einem „Paket von 27 Super-Etappenzielen“ gesprochen.

Von EU-Seite heißt es dazu: „Im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) sind keine Zahlungen möglich, solange Ungarn diese 27 ‚Super-Etappenziele‘ nicht vollständig und ordnungsgemäß erreicht hat.“

Gleichzeitig unterstützt die Europäische Kommission die Annahme des ungarischen Sanierungsplans, um Ungarn bei der wirtschaftlichen Erholung von COVID-19 und den Pandemie-Maßnahmen zu helfen.

Dieser Plan ermöglicht es Ungarn, zumindest 5,8 Milliarden Euro an nicht rückzahlbaren Hilfen zu nutzen, erklärt das ungarische Büro des Nationalen Informationsdienstes. Der ungarische Sanierungsplan habe in allen Kategorien bis auf eine die besten Noten erhalten. „Das Ergebnis, auf das wir anderthalb Jahre warten mussten, ist erreicht“, sagte Tibor Navracsics, der Minister für regionale Entwicklung.

Die eingefrorenen Mittel sind zwar nicht verloren, aber derzeit unzugänglich. Falls eine Übereinkunft erzielt wird, könnten diese Gelder im Jahr 2023 zur Verfügung gestellt werden.

Orbán: „Brüssel ist aus politischen Gründen unfair zu Ungarn“

Der ungarische Ministerpräsident kommentierte den Beschluss der EU-Kommission. Offensichtliche politische Gründe sorgten dafür, dass Brüssel den ungarischen Sanierungsplan seit eineinhalb Jahren nicht akzeptiert habe. Es gebe Meinungsverschiedenheiten zwischen Brüssel und Ungarn in grundlegenden Fragen „und deshalb mögen sie die ungarische Regierung nicht“.

Bei den Parlamentswahlen wollte Brüssel laut Orbán eine linke Regierung – weshalb sie das Geld nicht dem Land gegeben haben, sondern „die Dollars an die Linken weitergegeben haben, damit sie die Wahlen gewinnen“. Das erklärte Orbán in einem Interview am 2. Dezember bei Radio „Kossuth“.

Orbán fügt hinzu, dass man Geduld haben müsse. Denn „trotz ihrer Unfairness gegenüber Ungarn und ihrer ständigen Forderungen nach neuen Bedingungen müssen wir uns um eine Einigung bemühen“.

Gleichzeitig betont er, dass die ungarische Regierung in einigen grundlegenden Fragen wie Migration, Zulassung von Sexualpropagandisten in Schulen und Sanktionen ihre Position nicht ändern kann und wird.

Ungarische Regierung: „Keine große Überraschung!“

Letztlich war es laut der ungarischen Regierung keine große Überraschung, da die Europäische Kommission ihre Position verschiedenen Medien bereits im Voraus mitgeteilt hatte.

Jedoch ist laut Tibor Navracsics (Minister für Verwaltung und Justiz) die Verabschiedung des Sanierungsplans ein wichtiger Schritt nach vorn. Falls seine Regierung zügig weiterarbeite, werde Ungarn bis 2023 mit Sicherheit Zugang zu allen EU-Fonds haben. Er betont:

Wir werden genau das liefern, wozu wir uns verpflichtet haben.“

Kanzleramtsminister Gergely Gulyás ist der Ansicht, dass keine weiteren umfangreichen gesetzgeberische Maßnahmen notwendig sind. Gulyás sagte am 30. November bei der Pressekonferenz auch, dass noch erhebliche Mengen an Geld fehlen, um in Ungarn die Erleichterungen der Gemeinkosten von Haushalten aufrechtzuerhalten. Die Regierung plant, dies durch die Erhebung von Sondersteuern ausgleichen, wie sie es auch dieses Jahr getan hatte.

Regierungsseitig wurde darauf hingewiesen, dass es nicht darum geht, „dass die Kommission Ungarn vorschreibt, was sie zu tun haben – sondern dass die ungarische Regierung und die Europäische Kommission in ständigem Austausch stehen.“

Was gehört zu diesen „Super-Etappenzielen“?

Das Paket von „27 Super-Etappenzielen“, die Ungarn erfüllen soll, besteht aus verschiedenen Teilen. Die Etappenziele unterteilen sich in folgende drei Bereiche.

Neben entsprechenden Prüf- und Kontrollmaßnahmen für alle Maßnahmen wird als erstes gefordert:

  • Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung – dazu gehört die Einrichtung einer Integritätsbehörde und einer Taskforce zur Korruptionsbekämpfung, die tätig werden sollen, wenn die Behörden es nicht tun.
  • Maßnahmen für mehr Wettbewerb und Transparenz im öffentlichen Auftragswesen.
  • Strengere Vorschriften über Interessenkonflikte sowie erhöhte Prüfungs- und Kontrollanforderungen.
  • Die Nutzung des Risikobewertungstools der Kommission „Arachne“ (ein IT-Tool mit Betrugsbekämpfungsmaßnahmen, welches der Erhebung von Daten dient).
  • Die Gewährleistung wirksamer Untersuchungen in Ungarn durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF).

Den zweiten Teil bilden Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz:

  • Mehr Befugnisse für den Landesrichterrat.
  • Eine Reform der Funktionsweise des Obersten Gerichts (um das Risiko politischer Einflussnahme zu begrenzen).
  • Die Abschaffung der Rolle des Verfassungsgerichts bei der Überprüfung rechtskräftiger richterlicher Entscheidungen auf Ersuchen von Behörden.
  • Die Möglichkeit des Obersten Gerichts, Fragen zu prüfen, die Richter dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen beabsichtigen, soll abgeschafft werden.

Drittens geht es unter anderem um standardisierte Prüfungs- und -Kontrollmaßnahmen, ein voll funktionsfähiges nationales System zur Überwachung der Durchführung des Plans.

Wichtig ist der EU-Kommission auch eine Strategie, wie die ungarische Prüfbehörde die Verwendung von ARF-Mitteln im Einklang mit internationalen Auditstandards prüfen wird.

 



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion