Halbzeit für Agenda 2030 – auf dem Weg zur nachhaltigen Weltregierung

Mit den „Sustainable Development Goals“ (SDGs) erklärt sich die UNO zum Hüter der Menschenrechte, der Umwelt sowie von Gesundheit und Wohlergehen. Die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele ist mittlerweile Teil der Regierungsprogramme aller teilnehmenden 193 Mitgliedstaaten – in westlichen Ländern genauso wie in BRICS-Staaten.
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UN-Nachhaltigkeitsgipfel in New York: „Die Zeit drängt“, mahnte Bundeskanzler Olaf Scholz.Foto: iStock
Von 22. September 2023


Am 18. und 19. September traf in New York die Weltgemeinschaft zum sogenannten UN-Nachhaltigkeitsgipfel zusammen. Auf dem Gipfel wurde eine Zwischenbilanz im Zusammenhang mit der im Jahr 2015 verabschiedeten „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ gezogen. Das Jahr 2023 markiert die Halbzeit und so wollte man auf die 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, die sogenannten „Sustainable Development Goals“, (SDGs) schauen. Mit der Agenda 2030 hat man sich genau diese Ziele gesetzt.

Laut UN-Presseerklärung geht es darum, „die Welt wieder auf den Weg zu einer gerechten, integrativen und nachhaltigen Zukunft für alle zu bringen“.

Der Fahrplan für die Zukunft

Nun ist die Frage, wie weit man mit den gesteckten Zielen gekommen ist. Diese richten sich nicht nur an alle Regierungen auf der Welt – auch die Zivilgesellschaft, die Privatwirtschaft und die Wissenschaft sollen daran mitarbeiten.

Laut Informationen der Website der Bundesregierung sind die SDGs ein „Fahrplan für die Zukunft“. Weltweit soll so ein „menschenwürdiges Leben“ ermöglicht und „gleichsam die Lebensgrundlagen dauerhaft bewahrt werden“.

Auf den ersten Blick klingt das alles nach einem sehr schönen Ansinnen: Statt Armut, Krankheiten, Überbevölkerung und Naturzerstörung eine faire Welt in Einklang mit der Natur. Ein zweiter kritischer Blick auf die Zielsetzungen lohnt sich durchaus.

Im Jahr 2000 stimmten 189 Mitgliedstaaten der UNO-Millenniumserklärung zu. Schon damals wollte man mit den Millenniumszielen (MDGs) die Armut auf der Welt bekämpfen. Die in der Erklärung verabschiedeten acht Ziele wollten die Armut und den Hunger auf der Welt reduzieren, eine allgemeine Primarschulbildung durchsetzen, also allen Kindern auf der Welt eine Grundschulbildung ermöglichen, und sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen.

Weiter wollte die UNO die Kindersterblichkeit von unter Fünfjährigen um zwei Drittel senken. Um drei Viertel sollte sich die Müttersterblichkeitsrate reduzieren. Die Ausbreitung von HIV/AIDS und Malaria stand ebenfalls in der Erklärung. Auf dem Gebiet der Ökologie wollte man die Nachhaltigkeit sichern. Nebulös war das achte Ziel, der „Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft“.

„Die erfolgreichste Anti-Armuts-Bewegung der Geschichte“

Im Jahr 2015 liefen diese Ziele dann aus und die UN sparte nicht mit Lob für das Erreichte. Die Entwicklungsziele hätten „die erfolgreichste Anti-Armuts-Bewegung der Geschichte“ bewirkt, eine Milliarde Menschen aus dem Elend geholt, den Welthunger reduziert. Stimmte das damals?

Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) untersuchte seinerzeit in einem Beitrag die Ziele, insbesondere im Hinblick auf die Bekämpfung der Armut. Ausgehend vom Jahr 1990 sollte der Anteil der Menschen an der Weltbevölkerung, die weniger als 1,25 Dollar am Tag zur Verfügung haben, bis 2015 um mindestens die Hälfte sinken.

Dieses Ziel wurde sogar schon 2011 erreicht. Der Anteil ist bis dahin von 36 Prozent (1,9 Milliarden) auf 15 Prozent (eine Milliarde) gefallen. Die größten Fortschritte hätten damals die Länder China und Indien gemacht. Zu verdanken hatten beide Länder damals den Fortschritt aber vermutlich eher dem Wirtschaftswachstum als einem Zielpapier.

Hunger halbieren knapp verfehlt

Das zweite Teilziel, den Hunger zu halbieren, wurde sehr knapp verfehlt. Die Zahl der Menschen, die unterernährt sind, lag damals nach Schätzungen der UN weltweit bei 795 Millionen. Jeder Neunte hatte damals nicht ausreichend zum Essen.

Vor allem in den Ländern südlich der Sahara nahm damals die Zahl der Unterernährten zu. Seit 1990 hatte sich in den zentralafrikanischen Ländern die Zahl sogar verdoppelt.

Die Wirtschaftskrise und hohe Preise für Lebensmittel und Energie dienten als Begründung dafür, dass der Erfolg nicht stärker ausfiel. Auch Naturkatastrophen hätten zugenommen und so Einfluss auf das Ergebnis gehabt.

Trotzdem wollte die UNO ihre Ziele dann plötzlich noch höher setzen. Bis 2030 sollte die extreme Armut vollständig überwunden werden. Niemand sollte mehr an Hunger oder Unterernährung leiden müssen. Die Nachfolger der Millenniumsziele waren nun die „17 Ziele für nachhaltige Entwicklung“.

Volkswirtschaften ökologisch nachhaltiger machen

Lag die Konzentration der Milleniumziele bisher vor allem auf den Entwicklungsländern, nahm man nun auch alle anderen Länder, vor allem die vermeintlich reichen, in die Pflicht. Deutschland, die USA oder Frankreich sollen ihre Volkswirtschaften ökologisch nachhaltiger machen, für die Armutsbekämpfung und für Geschlechtergerechtigkeit eintreten.

Im Mai wurde der „Fortschrittsbericht zum Stand der Agenda 2030“ veröffentlicht. Dort kann man dann lesen: „Die SDGs sind in Gefahr“. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) gibt in einem Pressestatement am Sonntag dann auch den Kurs vor: „Es wird höchste Zeit für eine Aufholjagd auf dem Weg zu den Nachhaltigkeitszielen.“

Schulze kündigt weiter an, sich beim UN-Gipfel für eine Reform der Weltbank einzusetzen, damit diese mehr Spielraum für günstige Kredite hat. „Ich setze mich für Schuldenumwandlungen ein, damit zusätzliche Mittel für die Finanzierung nachhaltiger Projekte verwendet werden“, so die Ministerin.

Verbindung zwischen Weltbank, UNO und WEF

Eine direkte Verbindung besteht zwischen der Weltbank, der UNO und dem World Economic Forum (WEF). Wirtschaftsjournalist Norbert Häring schreibt in seinem Blog:

Die Weltbank hat es zur Strategie erhoben, nur noch solche Entwicklungsprojekte zu fördern, an deren Umsetzung die Mitgliedsunternehmen dieses Clubs [gemeint ist das WEF] Geld verdienen können. Die Vereinten Nationen (UN) sind hochgradig abhängig vom Geld der Konzerne gemacht worden und können praktisch nichts mehr tun, was deren Interessen nicht fördert oder ihnen gar zuwiderläuft.“

2019 hat die UN von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen eine Absichtserklärung (memorandum of understanding, MOU) zur Zusammenarbeit mit dem WEF unterschrieben.

Laut der Plattform „OpenDemocracy“ umfasse die detaillierte Erklärung Formen des Engagements auf allen Ebenen der UN-Struktur. Außerdem sei vorgesehen, dass der UN-Generalsekretär bei den jährlichen WEF-Treffen in Davos eine Grundsatzrede halten soll. Ebenfalls seien leitende UN-Mitarbeiter zu regionalen Treffen eingeladen, die vom WEF ausgerichtet werden.

Öffentlich-private „Vereinte Nationen“

Die Absichtserklärung formalisiere eine Art öffentlich-private „Vereinte Nationen“. Es gehe um Multistakeholder-Partnerschaften zur Bereitstellung öffentlicher Güter in den Bereichen Bildung, Frauen, Finanzierung, Klimawandel und Gesundheit.

Von Multistakeholdern spricht Klaus Schwab gerne. Diese blumige Floskel ist wie so vieles im WEF-Sprech nicht konkret zu fassen. Im Prinzip geht es um „handverlesene Vertreter von Gruppen, denen neben den Aktionären und Spitzenmanagern auch noch ein gewisses Interesse an dem nachgesagt wird, was die Unternehmen so tun“, erklärt Häring. Menschen aus der Zivilgesellschaft wird man dort nicht finden.

Und hier liegt auch das Problem der Partnerschaft zwischen UN und WEF: Damit wurden weitere Strukturen geschaffen, die eine demokratische Entscheidungsfindung torpedieren. „OpenDemocracy“ kommentiert:

  1. Erstens umgeht das Abkommen den zwischenstaatlichen Überprüfungsprozess.
  2. Zweitens erhebt das Abkommen den Multistakeholderismus zur Lösung der Probleme mit dem derzeitigen multilateralen System.
  3. Drittens unterliegen die vorgeschlagenen Multistakeholder-Partnerschaften keinem formalen demokratischen System. Wäre der Generalsekretär von der Weisheit einer UN-Ehe mit dem WEF überzeugt gewesen, hätte er den Entwurf der Absichtserklärung den Mitgliedsstaaten zur Genehmigung vorlegen können. Stattdessen schloss sich der Generalsekretär dem WEF an und erklärte, dass Multistakeholder-Gruppen ohne formale zwischenstaatliche Aufsicht ein besseres Governance-System seien als ein System mit einem Land und einer Stimme.

Die globale öffentlich-private Partnerschaft. Auf Grafik klicken, um sie zu vergrößern. Quelle: https://iaindavis.com/wp-content/uploads/2022/03/G3P-Chart.png

Agenda 2030 auch in Russland und China

Mit den SDGs erklärt sich die UNO zum Hüter der Menschenrechte, der Umwelt sowie von Gesundheit und Wohlergehen. Die Umsetzung der 17 Ziele ist mittlerweile Teil der Regierungsprogramme aller teilnehmenden 193 Mitgliedstaaten. Sie wirken auf nationaler wie auch auf kommunaler Ebene, im Wirtschaftssektor genauso wie im Bildungswesen. Sie werden in westlichen Ländern umgesetzt und gleichfalls in BRICS-Staaten. Ein gemeinsames Statement von Russland und China aus dem Jahr 2022 lässt daran keine Zweifel:

Um die Umsetzung der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu beschleunigen, rufen [Russland und China] die internationale Gemeinschaft dazu auf, praktische Schritte in Schlüsselbereichen der Zusammenarbeit wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Impfstoffe und Seuchenbekämpfung, Entwicklungsfinanzierung, Klimawandel, nachhaltige Entwicklung, einschließlich grüner Entwicklung, Industrialisierung, digitale Wirtschaft und Infrastrukturkonnektivität zu unternehmen.“

Merkel: „Tiefgreifende strukturelle Anpassungen“

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte 2020 auf der Jahreskonferenz des Europäischen Netzwerks für nachhaltige Entwicklung (ESDN): „Vor uns liegt der Weg einer wirklich umfassenden Transformation, die Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Biodiversität, nachhaltige Landwirtschaft, nachhaltige Mobilität und andere Fragen gleichermaßen betrifft. Das darf man nicht unterschätzen. Ein solch umfassender Wandel bedeutet tiefgreifende strukturelle Anpassungen in den Volkswirtschaften.“

Unter dem Begriff „nachhaltig“ lässt sich vieles subsumieren. So finden sich im Bericht der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie von 2021 neben Themen wie der Schaffung nachhaltiger Agrar- und Ernährungssysteme oder der Verkehrswende auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens, der Aufbau eines flächendeckenden 5G-Netzes und das Programm „Smart City“.

Was alles „nachhaltig“ ist

Die vor kurzem erschienene Doku „Nackt in der Gesundheitscloud – Wie unsere Körper und Biodaten zum Rohstoff und zur Ware werden“ zeigt aufschlussreich, dass die Triebfeder in Punkto Digitalisierung des Gesundheitswesens eben nicht eine nachhaltigere Patientenversorgung ist. Ähnlich verhält es sich mit vielen der 17 Nachhaltigkeitsziele und 169 Unterziele.

Sie wirken auf den ersten Blick inklusiv, karitativ und gemeinnützig. Die Agenda hinter den schönen Worten schafft neue Märkte, die von öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) bedient werden.

So führt das „Recht auf eine digitale Identität“ (SDG 16 für „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“) zum Beispiel zur Allianz ID2020 in der Hightech-Konzerne wie Microsoft, die Rockefeller-Stiftung, große Hilfsorganisationen und die von Bill Gates finanzierte Impfallianz GAVI an einer Weltidentität basteln.

Das von der Bundesregierung als nachhaltig gepriesene Heizungsgesetz fällt in dieselbe Kategorie. Die CO₂-Einsparung durch die Installation von sechs Millionen zusätzlichen Wärmepumpen liegt bei circa 1,0 Prozent.

Das Vorhaben bediene eher globale Finanzinteressen wie die des US-Konzerns Carrier Global, der die deutsche Wärmepumpenproduktion von Viessmann übernommen hat, mutmaßt AfD-Politikerin Beatrix von Storch.

Totalitärer Kern

Zwischen den Zeilen der wohlklingenden UN-Statements lässt sich ein totalitärer Kern erkennen. So arbeitet die UN nicht nur mit dem WHO-Pandemievertrag ein Instrument der globalen Kontrolle aus.

In den gemeinsamen Absichtserklärungen Our Common Agenda Policy Briefs“ wird für eine „Notfallplatform“ argumentiert, die in Krisen einberufen werden kann:

Die Entscheidungen würden zwar weiterhin bei den Mitgliedstaaten liegen, doch würde die Notfallplattform auch den privaten Sektor, die Zivilgesellschaft und andere nichtstaatliche Partner einbeziehen, die einen Beitrag zur globalen Reaktion leisten können. […] Die Vereinten Nationen sind die einzige Organisation, die im Falle komplexer globaler Schocks alle Beteiligten an einen Tisch bringen und sie optimal zusammenarbeiten lassen kann. Es ist an der Zeit, Entscheidungen zu treffen, die sie dazu befähigen.

Global geltendes Steuersystem

Die Einführung eines global geltenden Steuersystems empfehlen die Vereinten Nationen in Policy Brief 6 vom Mai 2023 mit dem Titel „Reformen der internationalen Finanzarchitektur“. Auch hier klingen viele Eckpunkte aufs Erste nobel: 

  • Schuldenerlass und die Stimmen von Entwicklungsländern stärken
  • ausgewogene Vertretung der Geschlechter in allen den Leitungsstrukturen, insbesondere auf der Führungsebene
  • Abschaffung der Kurzfristigkeit an den Kapitalmärkten
  • globales finanzielles Sicherheitsnetz

Doch was verbirgt sich hinter Forderungen wie diesen?

  • „Die Rentabilität des Privatsektors besser mit mit nachhaltiger Entwicklung und den Ziele für nachhaltige Entwicklung verbinden.
  • Aktualisierung der Marktvorschriften, Normen und Praktiken, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung und insbesondere den Klimaschutz in den Mittelpunkt und die Funktionsweise von Märkten und Volkswirtschaften zu stellen.

Anscheinend wirkt die UNO auf ein ideologisiertes Finanzsystem hin, in Übereinstimmung mit der ESG-Bewegung.

Selbst Allgemeine Erklärung der Menschenrechte trügerisch

Der Autor Tom-Oliver Regenauer weist in seinem ausführlichen Text UNdemokratische Übernahme“ darauf hin, dass selbst die per UN-Resolution im Jahr 1948 ratifizierte Allgemeine Erklärung der Menschenrechte trügerisch sei. Denn nach 29 Artikeln, die verschiedene Rechte in blumiger Sprache umfassen, legt Abschnitt 29.3. unweigerlich fest:

Diese Rechte und Freiheiten dürfen in keinem Fall im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen ausgeübt werden.“

 Regenauer zitiert auch den abschließenden Artikel 30, der noch einmal bekräftigt:

„Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt werden, dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung der in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.“



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