Aktivistengruppen: Pädophilenjäger fangen in England pro Jahr 1.500 Verdächtige auf eigene Faust

Weil der Polizei in England angeblich die Mittel fehlen, wird die Bevölkerung selbst gegen Online-Pädophile aktiv. Die Arbeit selbsternannter Kinderschutzgruppen ist einerseits erfolgreich, andererseits umstritten.
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In Großbritannien sind Phädophilenjäger auch außerhalb der Polizei aktiv.Foto: iStock
Von 8. September 2023

Eine in England ansässige Online-Kinderschutzgruppe behauptet, dass sogenannte Pädophilenjäger in Großbritannien jährlich mehr als 1.500 Menschen pro Jahr aufspüren.

Die Gruppe „Fleetwood Enforcers“ ermittelt seit 2018 eigeninitiativ gegen Internet-Groomer. Ihrer Aussage nach hat der Mangel an polizeilichen Mitteln dazu geführt, dass Freiwillige als sogenannte „Raubtierjäger“ aktiv werden. Ihr Ziel ist es, Personen zu fangen, die sich in England an Kindern vergreifen.

Eine Analyse der Epoch Times hat ergeben, dass allein in den vergangenen acht Monaten mehr als 125 Männer und Frauen, die des Online-Groomings beschuldigt wurden, verhaftet, angeklagt oder vor Gericht gestellt wurden. Sie wurden von Gruppen wie „Fleetwood Enforcers“ aufgespürt.

Dazu gehört der Drag-Künstler Andrew Way, ein LGBT-Pride-Organisator. Way ist als Miss Gin bekannt und kam letzte Woche für fast drei Jahre ins Gefängnis. Er hatte sexualisierte Nachrichten an einen vermeintlich minderjährigen Jungen geschickt.

Der 61-Jährige gab vor dem Caernarfon Crown Court in Wales zu, dass er versuchte, sexuellen Kontakt mit einem Kind zu knüpfen. Er gab auch zu, gegen bestehende Gesetze gegen sexuellen Missbrauch verstoßen zu haben.

Seine Aktivitäten wurden nach einer gemeinsamen Aktion von zwei Gruppen, den „Guardian Angels“ aus Lincolnshire und „STOP Stings“, aufgedeckt. Die Aktion, bei der Way ins Visier genommen wurde, wurde am 3. Juli live auf Facebook übertragen. Mehrere Mitglieder beider Gruppen konfrontierten den Mann in einem öffentlichen Parkhaus.

Way glaubte, dass er online mit einem 14-jährigen Jungen kommuniziert hatte. In Wirklichkeit hatte er mit einem Erwachsenen kommuniziert, der sich als Lockvogel für Kinder ausgab. Das ist eine der Strategien, die gegen das Grooming von Kindern eingesetzt wird, um Personen aufzuspüren, die Minderjährige im Internet kontaktieren.

Lange Verzögerungen bei der Justiz

Die Epoch Times sprach mit einigen Mitgliedern dieser britischen Pädophilen-Jagdgruppen. Laut einem Mann, der für die Fleetwood Enforcers arbeitet, würden nicht alle Ermittlungen zu einer erfolgreichen Strafverfolgung führen.

„Ich kann Ihnen sagen, dass über 1.500 pro Jahr durch Teams wie das unsere [verhaftet werden]“, sagte er. „Nicht alle werden erfolgreich strafrechtlich verfolgt, weil bestimmte Dinge bei einer Verhaftung passieren können, z. B. wenn ein Team dem Verdächtigen gegenüber gewalttätig wird oder wenn der Verdächtige sich auf seine psychische Verfassung beruft.“

Casey, ein Mitglied der Gruppe „Children’s Voices“ erzählte, dass es bis zu mehrere Jahre dauern könne, bis ein Fall vor Gericht landet, weil die Sammlung der Beweise so lange dauert.

„Es kann bis zu drei Jahre dauern, bis sie angeklagt oder verurteilt werden, weil die Daten von allen digitalen Geräte heruntergeladen werden müssen“, sagte sie der Epoch Times.

„Es hängt davon ab, ob es sich um einen Wiederholungstäter handelt. Wir hatten einen, der im Januar verhaftet und diesen Monat verurteilt wurde. Ein anderer hatte sich wiederholt an einem Kind vergangen. Innerhalb von 12 Monaten wurde er dreimal erwischt, in acht Wochen wird verurteilt.“

Sie erklärt auch: „Wir haben noch laufende Fälle aus dem Jahr 2021, deren Fall bisher nicht vor Gericht gebracht wurde und gegen die noch ermittelt wird.“

Auf die Frage, wie die Polizei zu ihrer Arbeit steht, äußerte sich eine Sprecherin der Fleetwood Enforcers. „Ich denke, es hängt alles von der Einstellung der Personen vor Ort gegenüber der Polizei ab. Aber ich hatte noch nie ein Problem mit ihnen.“

Sie ergänzt: „Die Polizei ist extrem unterfinanziert. Wenn sie die Mittel hätte, würde sie das tun, was wir tun, aber die Mittel sind leider nicht da.“ Viele Leute würden der Polizei die Schuld geben, „aber es hängt alles an der Finanzierung und daran, wofür sie ihre Mittel ausgeben darf.“

Ein Meilenstein-Urteil

Das mit den Pädophilenjägern begann in Großbritannien etwa 2014. Seitdem wird ihre Arbeit sowohl gelobt als auch kritisiert, insbesondere von der Polizei. Die meisten Polizeibehörden beteiligen sich nicht proaktiv an Aktivitäten der Gruppen, sondern werten die ihnen zur Verfügung gestellten Informationen aus.

Der zuständige Beauftragte für derartige Online-Kinderschutzgruppen ist der stellvertretende Polizeipräsident von Bedfordshire Dan Vajzovic. Im Jahr 2019 beschuldigte er die Gruppen, die Grenzen des Gesetzes häufig zu überschreiten. Er warnte, dass einige Gruppen „Straftaten wie Erpressung und Gewalt gegen diejenigen, die sie ins Visier nehmen, begehen“.

Vajzovic zufolge wurden 250 Fälle durch die Arbeit dieser Gruppen erfolgreich vor Gericht verhandelt. Allerdings wies er darauf hin, dass die britischen Strafverfolgungsbehörden jeden Monat mehr als 500 mutmaßliche Kinderschänder verhafteten.

„Einige dieser Verfolgungen haben möglicherweise Polizeiressourcen von wichtigeren Straftätern abgezogen“, sagte er der britischen Sender „BBC“. „Insgesamt ist die Aktivität dieser Gruppen nicht positiv“, kommentierte er.

Nach einem enormen Anstieg der Zahl der Gruppen, die im gesamten Vereinigten Königreich Razzien bei Einzelpersonen durchführen, wurde 2020 ein bahnbrechendes Urteil gefällt – es ging darum, ob die Aktivitäten und die von Pädophilenjägern gesammelten Beweise rechtmäßig sind.

Der Oberste Gerichtshof entschied, dass die Interessen der Kinder Vorrang vor dem Interesse eines Pädophilen haben, der kriminelle Handlungen begeht. Geklagt hatte Mark Sutherland, der zwei Jahre zuvor von den Pädophilenjägern „Groom Resisters Scotland“ gestellt worden war.

Das Gericht legte fest, dass die Beweise von Pädophilenjägern in Strafprozessen verwendet werden können und dies nicht gegen die Grundrechte des Angeklagten verstößt. Sutherland wurde aufgrund der Beweise der Aktivistengruppe verurteilt und kam im August 2018 für zwei Jahre Haft.

Selbstmorde

Weitere schwerwiegende Kontroversen betreffen die Auswirkungen der Pädophilenjagd. Manchmal werden die Verdächtigen dabei live in den sozialen Medien vor Zehntausenden von Zuschauern gefilmt.

Laut „Daily Mail“ haben sich in den letzten Jahren acht Personen das Leben genommen, nachdem sie durch solche Gruppen mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert wurden.

Dazu gehört der 47-jährige Nigel Sheratt. Seine Leiche wurde im August 2018 in einem Haus in Cannock, Staffordshire, gefunden – zwei Tage nachdem er von Mitgliedern der Bürgerwehr „Soul Survivors“ während einer Autofahrt angehalten worden war. Die Gruppe gab sich in Facebook-Chats als 14-jähriges Mädchen aus und behauptete, er habe versucht, sie anzumachen. Sie konfrontierten ihn auch mit Worten aus Nachrichten, die eindeutig sexueller Art waren, so die Zeitung.

Der 47-jährige Gärtner David Baker wurde nach einer Konfrontation mit der „Trap-Gruppe“ am 4. Oktober 2017 in Southampton verhaftet. Er wurde wegen des Verdachts verhört, ein Treffen mit einem Kind unter 16 Jahren arrangiert zu haben, bevor er dann wieder vorerst auf freien Fuß gelassen wurde. Der Gärtner wurde drei Tage später in seinem Haus in Wickham, Hampshire, tot aufgefunden. Er hatte eine Überdosis verschreibungspflichtiger Medikamente eingenommen, wie bei der späteren Untersuchung festgestellt wurde. Bakers Verlobte, ihre Tochter und ihre Enkelin verließen nach seiner Verhaftung aus Angst vor einem Überfall das Haus.

Auch ein Pädophilenjäger musste ins Gefängnis

Im Juni wurde der 29-jährige Sam Millar als erster Pädophilenjäger verhaftet, nachdem er einem Mann aufgelauert hatte, den er laut „Chronicle Live“ fälschlich beschuldigt haben soll, ein Kind zu groomen. Der Mann wurde am Boden festgehalten und ihm wurde fast 15 Minuten lang mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet. Der gesamte Vorfall wurde auf Facebook übertragen, wie die Zeitung berichtete.

Ein Geschworenengericht befand Miller in einem Fall der Freiheitsberaubung für schuldig. Er musste für neun Monate ins Gefängnis. Ein weiteres Mitglied der Gruppe, James Moss (58) aus Northumberland, wurde ebenfalls wegen Freiheitsberaubung verurteilt und erhielt eine Haftstrafe auf Bewährung.

Online-Grooming nimmt stark zu

Nach Angaben des Internet Watch Forum (IWF) haben die Fälle von Online-Grooming von Kindern im Vereinigten Königreich seit der Corona-Pandemie stark zugenommen. Untersuchungen der Gruppe für Kindersicherheit im Internet zeigen, dass Bilder von siebenjährigen Kindern, die zu sexuellen Handlungen genötigt werden, um mehr als 1.000 Prozent gestiegen sind.

Das Forum IWF arbeitet daran, Videos und Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet aufzuspüren und zu entfernen. Die Wohltätigkeitsorganisation warnte davor, dass sich Tausende Kinder auf das Internet verlassen, um zu lernen, Kontakte zu knüpfen und zu spielen – ein Umstand, den Pädophile ausnutzen.

In einer Rede im Januar sagte Susie Hargreaves OBE, Geschäftsführerin des IWF: „Man kann den Geist nicht zurück in die Flasche stecken. Wir alle haben unser Leben so angepasst, dass wir mehr als je zuvor online sind, und das wird sich auch nicht ändern.“

Während der Pandemie sei das Internet ein Rettungsanker gewesen. „Aber wir sind erst jetzt dabei, die gesamten Auswirkungen zu erforschen. Uns ist klar, dass jüngere Kinder von räuberischen Tätern in missbräuchliche Situationen hineingezogen werden, oft während sie in ihrem eigenen Schlafzimmer sind.“

Sie warnt: „Ihre Eltern sind sich oft nicht bewusst, dass es diese Online-Hintertür bei ihnen Zuhause gibt, die ihre Kinder schutzlos macht. Ich fürchte, dies könnte nur die Spitze des Eisbergs sein.“

Der Polizei fehlen die Kapazitäten

Letztes Jahr warnte The Police Foundation, dass mehr Investitionen in die Polizeiarbeit nötig seien, um den Online-Kindesmissbrauchs zu bekämpfen. Ihr Bericht verdeutlichte, dass der Polizei die Kapazitäten fehlen, um auf die wachsende Zahl von Meldungen über Online-Grooming zu reagieren.

Obwohl jeder Vorfall oder jede Meldung von sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet eine Gefahr für ein Kind ist, könne die Polizei niemals allen Fällen nachgehen, so der Bericht.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: Paedophile Hunters Catching 1,500 Suspects a Year, Claims Group (deutsche Bearbeitung nh)



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