Als die CSU noch Weltpolitik im südlichen Afrika machte
Dass die Großregion in den Zeiten des Ost-West-Konflikts auch Franz Josef Strauß und seine CSU auf den Plan gerufen hatte, gerät bei Gedenkveranstaltungen für ihn fast in Vergessenheit.
Es war in den 1970er Jahren, dass Franz Josef Strauss, der damalige CSU-Vorsitzende und in Bonn ohne Ämter versehene Ex-Bundesverteidigungs- und Ex-Bundesfinanzminister nicht bloß in Peking aufkreuzte, sondern vor allem die strategische Bedeutung des „Kaps der Guten Hoffnung“ erkannte und nutzte. Zahlreich waren seine Reisen nach Pretoria oder Kapstadt, zahlreich waren auch die Gegenbesuche von dortigen Politikern in Bonn oder in München. Auch politische Hoffnungsträger auf „konservativer“ Seite wie der Stammesfürst Buthelezi pflegten enge Freundschaft mit Franz Josef Strauß und seinen CSU-Anhängern.
In Bonn hatte die sozialliberale Bundesregierung die Unabhängigkeit von Moskauer Befehlen nicht immer deutlich genug gemacht, so dass ein „Stellvertreterkrieg“ in ganz Afrika in Mode gekommen war. Mobutu in Zaire oder Eyadema in Togo hatten sich nicht mit Moskau oder Peking eingelassen und wurden deshalb vom Westen gepflegt. Wenn schon mit dem „Warschauer Pakt“ die Hälfte Europas in den Sog der Sowjetunion geraten war, dann sollte sich Ähnliches nicht auch in Afrika wiederholen, war die politische Zielrichtung. Besonders mit Strauß hatten die entsprechenden Politiker Afrikas einen starken Verbündeten.
Wer zum Beispiel im Jahr 1978 das damals noch offiziell „Südwest-Afrika“ genannte Gebiet südlich des angolanischen Grenzflusses Kawango bereiste, bemerkte das Wogen des Kampfes um den besten Machtübergang. Das Land stand unter der Kontrolle südafrikanischer Truppen und des von Südafrika eingesetzten Generaladministrators Steyn. Aber es hatte Bürgerkrieg gegeben, besonders im Ovamboland. Die marxistische Untergrundbewegung SWAPO mit ihrem Inlandschef Tjongarero und ihrem im Exil lebenden eigentlichen Chef Sam Nujoma (einem Ovambo) bekam immer mehr Zulauf. Da hatten die mehr als Zehntausend deutschen Siedler Angst um ihre Zukunft. Sie konnten es dem deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher auch nicht verzeihen, dass er „im vorauseilenden Gehorsam“ das bundesdeutsche Konsulat in Windhoek geschlossen und nur noch eine 14-tägige Betreuung durch Kapstadt zugelassen hatte.
Die etlichen Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU, die damals das südliche Afrika bereisten, stärkten den „Auslandsdeutschen“ den Rücken. Dass später trotzdem Sam Nujoma Präsident von Namibia wurde und dieses Amt mehr oder weniger unumstritten von 1990 bis 2005 innehatte, war einerseits das erklärte Ziel der Vereinten Nationen beziehungsweise der damals die dortigen Zügel haltenden Kräfte gewesen. Andererseits hatte aber später der Niedergang der Sowjetunion und des Sozialismus manche Aufgeregtheit beseitigt. Einen bitteren Blutzoll gab es allerdings in Angola, der ehedem portugiesischen Kolonie. „Entweder ein freies Mutterland für uns oder den Tod. Der Kampf wird triumphieren, gemeinsam werden wir gewinnen.“ Mit einer derartigen Forderung hatte das Zentralkomitee der UNITA im Kommuniqué 9/1987 kategorisch den Abzug aller ausländischen Truppen gefordert und sich guten Mutes gezeigt.
Die Tatsachen lauteten aber, dass die marxistische „Befreiungsarmee für Angola“ F.A.L.A. 80.000 Infanteristen, 1500 Luftwaffensoldaten, 2500 Marinesoldaten sowie 45.000 Kubaner, 2500 Sowjets, 2500 DDR-Soldaten, 2500 Nordkoreaner, 7000 SWAPO-Mitglieder, 1200 sü̈dafrikanische ANC-Soldaten und 1400 Ex-Katanga-Gendarmen im Land stationiert hatte. Den 145.000 Soldaten der Moskaufreunde, die außerdem die Hauptstadt Luanda beherrschten, standen weit weniger Soldaten der UNITA gegenüber. Diese beherrschten aber den Süden Angolas, das „Free Land of Angola“. Sie hatten dort ihre provisorische Hauptstadt Jamba eingerichtet und bekamen auch immer wieder stärkenden Besuch von westlichen Politikern.
Auf dem Rücken der Zivilbevölkerung wurde ein brutaler Bürgerkrieg durchgezogen, der über Jahre hinweg durch Tretminen zerfetzte Kinder und Jugendliche sowie unendliches Leid nach sich zog. Wie im BAYERNKURIER vom 29. August 1987 nachzulesen ist, hatte eine deutsche Schwester vom Orden des „Göttlichen Erlösers“ im Buschkrankenhaus von Jamba aufopferungsvollen Dienst geleistet und dabei geäußert: „Ich habe meinen Dienst auf beiden Seiten geleistet, auf der des Regimes von Luanda und jetzt auf der UNITA-Seite. Das menschenfreundlichere ist klar das UNITA-System.“ Auch die Lage in Angola beruhigte sich letztlich nur durch den Untergang der Sowjetunion.
Erklärte Politik im südlichen Afrika war zeitweise die Schaffung neuer Kleinstaaten, sogenannter Homelands. Doch dagegen stemmte sich die UNO. So hatten das Ovamboland und auch das 1977 von der Republik Südafrika abgetretene Bophutatswana keine Überlebenschance, obwohl letzteres mit ziemlichem Reichtum ausgestattet war. Der erste dortige Präsident, Lucas Mangope, hatte 1987 traurig festgestellt, dass „Herr Genscher mich nicht empfangen will, die anderen aber schon“. Mit den „anderen“ hatte er blutbefleckte „Freiheitskämpfer“ gemeint. Der Stamm der Tswanas war erst um das Jahr 1900 nach Südafrika einverleibt worden und hatte sich jetzt auf seine alte Unabhängigkeit gefreut. Die Schwarzen und Weißen auf der Universität von Mmabatho, der Hauptstadt des Landes, waren stolz gewesen, dass sie ohne Blutvergießen miteinander auskamen. Aber trotz der geschätzten Vermittlerrolle von Franz Josef Strauß war letztlich keine dauernde Selbständigkeit möglich. Bophutatswana blieb im Schatten der Weltpolitik. Mit dem schnellen Tod von Franz Josef Strauß 1988 gab es sowieso keinen westlichen Politiker mehr, der sich intensiv um eine andere Neuordnung von Afrikas Territorien kümmerte.
So setzte sich schließlich die alte kolonialistische Grenzziehung durch, auch wenn diese nicht selten Ursache für neue Zwistigkeiten wurde. Stammeskämpfe sind deshalb an der Tagesordnung, weil bestimmte Stämme nicht zusammenfinden wollen und die Erinnerung an die Kolonialzeit als Bedrohung empfinden. Genscher hatte immer gesagt, „das Öffnen des Reißverschlusses an einer Stelle bringt Schäden an anderer Stelle“. So hat Afrika bis heute meist ungewollte Staatsgrenzen. UNO-Truppen schlichten, UNO-Politiker aber versagen bei der Aufgabe einer echten territorialen Neuordnung. Das Beispiel Jugoslawien spricht Bände. Nach dem 1. Weltkrieg hatte man alle „Südslawen“ in einem Staat zusammengefasst und nach dem Tod von Marschall Tito waren alle wieder auseinandergefallen. Bitterer Bürgerkrieg war die Folge. Nur die „Hoffnung auf Europa“ brachte den Schimmer am Horizont. In Afrika wäre ein ähnlicher Horizont wünschenswert.
Zur Person:
Klaus Rose (1941), ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Verteidigungsstaatssekretär sowie Vorsitzender des Parlamentarischen Freundeskreises Berlin – Taipeh (2002-2005).
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