Analyse: Drama für die Briten und tiefe Gräben innerhalb der EU

Was sich in der vergangenen Nacht in Brüssel abspielte, dürfte für die EU nichts Gutes bedeuten. Aus Delegationskreisen wird berichtet, dass sich mittlerweile zwei Lager ziemlich unversöhnlich gegenüberstehen.
Titelbild
Gipfelchef Tusk (l), EU-Kommissionschef Juncker und der britische Premier Cameron (r) sprechen in Brüssel.Foto: Yves Herman/dpa
Epoch Times19. Februar 2016
Je länger das Essen, desto besser die Stimmung: Für Treffen unter Freunden dürfte dieser Zusammenhang in den allermeisten Fällen gelten. Anders sieht es hingegen aus, wenn die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei Gipfeln zusammensitzen.

Die Länge des Treffens ist dann in der Regel ein zuverlässiger Indikator für Streit. Je länger ein Gipfelessen dauert, desto tiefer sind die Gräben zwischen den Teilnehmern, lautet die Richtschnur.

Was sich in der vergangenen Nacht in Brüssel abspielte, dürfte damit für die EU nichts Gutes bedeuten. Auf dem Menü für das Arbeitsessen zum Thema Flüchtlingspolitik standen neben der Hauptspeise „Kabeljau mit Weißbier“ lediglich eine Vor- und eine Nachspeise. Die Staats- und Regierungschefs saßen allerdings mehr als sechs Stunden zusammen. Im Anschluss konnte nicht mehr verkündet werden, als dass es bereits Anfang März einen neuen Sondergipfel mit der Türkei zum Thema geben sollen.

Aus Delegationskreisen wird berichtet, dass sich mittlerweile zwei Lager ziemlich unversöhnlich gegenüberstehen. Die einen äußern Verständnis für Alleingänge von besonders betroffenen Staaten wie Österreich, auf der anderen stehen diejenigen, die wie Deutschland diese Solos als ziemlich uneuropäisch bezeichnen. Die Stimmung sei angespannt gewesen, räumte der belgische Premierminister Charles Michel nach den stundenlangen Diskussionen ein. Die Nervosität steige bei einigen Beteiligten spürbar.

Im Zentrum der Auseinandersetzung stand diesmal Österreich. Im Streit um Flüchtlingskontingente sollen unter anderem Deutschland und die EU-Kommission Bundeskanzler Werner Faymann unter Druck gesetzt haben, die Pläne für Obergrenzen zunächst nicht umzusetzen. Der wollte davon allerdings nichts hören.

„Da gibt es nichts zu verschieben, nichts zu ändern“, kommentierte er im Anschluss an die Gespräche. Sein Land habe bereits im Vorjahr deutlich mehr Asylanträge gehabt als beispielsweise Italien und Frankreich.

„Jeder, der schon mal auf der Landkarte nachgesehen hat, weiß, dass zum Beispiel diese beiden Länder größer sind als Österreich und auch mehr Einwohner haben“, sagte er. „Wir sind können getrost allen sagen, dass wir helfen. Wir sind keine Wegdrücker.“

Wien hatte zuvor unter anderen festgelegt, an der Südgrenze nur noch 80 Asylanträge pro Tag anzunehmen. Damit soll die Jahres-Obergrenze von 37 500 Asylbewerbern eingehalten werden. Gleichzeitig sollen aber bis zu 3200 Flüchtlinge pro Tag nach Deutschland durchgeschleust wderden können. Zumindest dann, wenn die Bundesrepublik zustimt.

„Die hat natürlich keine ausgesprochene Freude, weil sie in Deutschland weiterhin auch eine hohe Anzahl nimmt“, kommentierte Faymann zur Reaktion Merkels in den Gipfelgesprächen. Die CDU-Politikerin wollte sich nicht näher zu einer angeblich hitzigen Debatte äußern. „Wir haben uns ausgetauscht“, sagte sie lediglich.

Schon fast erwartungsgemäß verliefen hingegen die ersten Gipfelverhandlungenn über die von Großbritannien geforderten EU-Reformen. Drohungen, markige Sprüche und immer mal wieder eine Prise Optimismus bestimmten den ersten Gipfeltag. Bis tief in die Nacht wurde in kleinen Kreisen um einen Kompromiss gerungen. Auch am Morgen gab es allerdings noch keine Einigung.

Der britische Premier David Cameron dürfte das Drama eingeplant haben. Er werde bei dem Gipfel dreimal das Hemd wechseln, kündigte Cameron Diplomaten zufolge bereits vor dem Treffen an. „Es wird vielleicht ein bisschen dramatisch werden. Aber Theater ist gut“, hieß es aus Verhandlungskreisen.

(dpa)


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