Analyse: Europa sucht den Anti-Terror-Plan
Die Maßnahmen wirken beeindruckend: Schärfere Grenzkontrollen, Kampf gegen Waffenschmuggel, besserer Austausch der Geheimdienste und Speicherung der Daten von Fluggästen auf Vorrat zur Terrorabwehr. Das alles soll potenzielle Terroristen aus Europa fernhalten, sie schneller finden und Anschläge verhindern.
Das Signal ist deutlich: Europa steht zusammen nach dem infamen Angriff auf europäische Werte. „Wir haben heute eine europäische Antwort geben können“, sagt EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos nach dem Jumbo-Krisentreffen der Innen- und Justizminister aus 28 EU-Staaten. Von „großer Freude und Zufriedenheit“ spricht Luxemburgs Minister Etienne Schneider, der das Treffen leitete.
Doch das kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Europa sich schwer tut, eine gemeinsame Linie zu finden. Schon nach dem Anschlag auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ in Paris im Januar hatte die EU vollmundig einen Anti-Terror-Plan angekündigt. Keine der nun beschlossenen Maßnahmen ist wirklich neu, zum Teil wird seit Jahren darüber diskutiert.
Dass es nur mühsam voran geht, liegt auch daran, dass die nationale Sicherheit ebenso wie die Arbeit der Geheimdienste die Domäne der Mitgliedstaaten ist. Die EU hat darin keine eigene Kompetenz. Häufig beäugen sich die nationalen Geheimdienste aber skeptisch, nur 5 von 28 EU-Staaten teilen ihre Informationen mit anderen Geheimdiensten.
Eine bessere Kooperation hätte manchen Anschlag vielleicht verhindern können, meint EU-Kommissar Avramopoulos: „Wenn wir mehr Austausch zwischen den Nachrichtendiensten gehabt hätten, wäre Einiges vorhersehbar gewesen.“ Bundesinnenminister Thomas de Maizière spricht von „Sicherheitslücken“. Nach den Anschlägen von Paris musste die belgische Staatsanwaltschaft einräumen, dass sie einen der Selbstmordattentäter seit längerem wegen seiner Radikalisierung im Visier hatte – doch Frankreich wusste wohl nichts davon.
Der Grünen-Europapolitiker Jan Philipp Albrecht kritisiert, dass zwischen den Polizeibehörden der EU-Staaten „beängstigende Stille“ herrsche. Albrecht fordert gemeinsame Ermittlungsteams unter dem Dach der Behörden Europol und Eurojust – sowie mehrere hundert Millionen Euro für neues Personal.
Das fehlende Vertrauen belegt der jüngste Skandal um den Bundesnachrichtendienst (BND), der befreundete Staaten in großem Stil ausspioniert haben soll. „Jeder macht, was er will, und keiner traut dem anderen“, sagt ein Diplomat. Ein gemeinsamer europäischer Geheimdienst könnte da helfen – doch dieser dürfte erst einmal nicht durchsetzbar sein, auch wenn die EU-Kommission ihn befürwortet.
Immerhin soll nun die europäische Sicherheitsstrategie schneller kommen. So wird am 1. Januar 2016 ein Anti-Terror-Zentrum bei der Europäischen Polizeibehörde Europol entstehen und der illegale Waffenhandel in Europa bekämpft. Bislang gilt der Handel mit schweren Waffen – vor allem die von Terroristen häufig genutzte Kalaschnikow – auf europäischer Ebene als schlecht kontrolliert. Der Islamist, der im August in dem Schnellzug Thalys um sich schoss, hat sich laut EU-Kommission im Internet Waffenteile gekauft und zusammengebastelt.
Auch beim Kampf gegen die Finanzierung des Terrorismus macht die EU Fortschritte. Albrecht kritisiert aber: „Noch immer wird die Umsetzung der Anti-Geldwäsche-Richtlinie verzögert und gute Miene zum bösen Spiel der Hauptfinanziers von Terrororganisationen in Saudi-Arabien gemacht.“
Andere Punkte bleiben umstritten, etwa die Pflicht, Daten von Fluggästen zu speichern und für die Terrorfahndung auszuwerten. Damit sollen die Behörden die Möglichkeit haben, Passagiernamen auf Flügen vorab mit Fahndungslisten abzugleichen. US-Fahnder haben bereits diesen Zugriff. Doch das Europaparlament hat aus Datenschutz-Bedenken den Vorschlag auf Eis gelegt. Nun soll dies bis Jahresende kommen – aber ob das wirklich hilft? Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel kritisiert: „Das Problem bei der Terrorismusbekämpfung ist nicht ein Mangel an Daten, sondern der falsche Umgang mit ihnen.“
Die EU-Minister verständigten sich am Freitag auf eine enge Koordinierung. Was das aber genau bedeutet, bleibt offen. Und auch das beste Anti-Terror-Paket kann Anschläge nicht völlig verhindern, gibt Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve zu bedenken: „Man kann das Risiko bei der Terrorbekämpfung nicht gleich Null setzen.“
(dpa)
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