Baerbock bietet Brasilien Partnerschaft der Demokratien an

Die Außenministerin hält bei einer der wichtigsten Denkfabriken Lateinamerikas eine geoökonomische Grundsatzrede. Sie sendet dabei deutliche Signale an ihre Gastgeber.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock trifft Maria Laura da Rocha, stellvertretende Außenministerin von Brasilien.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock trifft Maria Laura da Rocha, stellvertretende Außenministerin von Brasilien.Foto: Annette Riedl/dpa
Epoch Times6. Juni 2023

Außenministerin Annalena Baerbock hat Brasilien angesichts von Einflussversuchen Chinas und des russischen Kriegs in der Ukraine eine Zusammenarbeit der Demokratien angeboten. „Lassen Sie uns die Hände reichen und gemeinsam eine Zukunft gestalten, von der wir alle profitieren“, sagte die Grünen-Politikerin in einer Rede in der brasilianischen Wirtschaftsmetropole São Paulo.

Entscheidend seien nachhaltige Handelsbeziehungen, die allen Seiten nützten, der Kampf gegen einseitige Abhängigkeiten und eine gemeinsame Kraftanstrengung zur Eindämmung der Klimakrise.

Baerbock und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) waren zu Reden zum Thema Demokratie von einer der wichtigsten Denkfabriken Lateinamerikas eingeladen worden, der Fundação Getulio Vargas (FGV). Die FGV ist eine Hochschule für Verwaltung, Wirtschaftswissenschaften und Jura. Brasilien ist mit seinen etwa 215 Millionen Einwohnern wichtigster Handelspartner Deutschlands in Südamerika.

Die Welt befinde sich in einem radikalen Umbruch, der die Handlungsfähigkeit der Demokratien herausfordere, warnte Baerbock. „Dabei fließen Sicherheitspolitik und Wirtschaftspolitik immer stärker ineinander über.“ Mehr als 1.000 deutsche Unternehmen machten São Paulo zum größten Standort der deutschen Wirtschaft außerhalb Europas. Deutsche Unternehmen seien zudem für jeden zehnten Dollar der Wertschöpfung der brasilianischen Industrie verantwortlich.

Autoritäre Regime wollten die Welt in Einflussspähren aufteilen und Länder unterwerfen, statt die selbstbestimmte Entwicklung aller Staaten zu respektieren, sagte die Ministerin, ohne Peking direkt zu erwähnen. China ist seit 2009 wichtigster Handelspartner Brasiliens. Für Peking ist Brasilien vor allem für die Rohstoffbeschaffung bedeutsam, auch für landwirtschaftliche Produkte.

Baerbock wirbt für Mercosur-Handelsabkommen

Eindringlich warb Baerbock für einen Abschluss der Verhandlungen über das Mercosur-Handelsabkommen – nach einer Ergänzung durch Verbindlichkeit bei sozialen, nachhaltigen und ökologischen Kriterien. Mercosur sei in diesen Zeiten mehr als nur ein Handelsabkommen. „Es ist auch eine geopolitische Antwort auf Fragen in all unseren Gesellschaften zum Mehrwert von Demokratie“, sagte die Ministerin mit Blick auf China. Es könne gezeigt werden, dass Demokratien und nicht Autokratien Lösungen brächten.

Die EU verhandelt schon seit 1999 mit dem Staatenverbund Mercosur – zu dem Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gehören – über ein Freihandelsabkommen, mit dem eine der größten Freihandelszonen der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen entstehen würde. Das Abkommen liegt auch wegen der Blockadehaltung von Lulas rechtem Amtsvorgänger Jair Bolsonaro beim Klimaschutz auf Eis.

Ministerin über Rohstofferschließung: Keinen Goldrausch befeuern

Baerbock betonte, wenn Deutschland seine Partner dabei unterstütze, strategisch wichtige Rohstoffe besser zu erschließen, tue man das umweltschonend, sozial und wirtschaftlich nachhaltig.

Man wolle „keinen neuen Goldrausch befeuern“ und keinen Raubbau, der nur schnelles Geld für Wenige und verseuchte Böden für alle hinterlasse. China wird vorgeworfen, Länder wirtschaftlich abhängig machen zu wollen. Auch Brasilien ist beispielsweise im Rohstoff- oder Düngerbereich von Peking abhängig.

Baerbock an Lula: Demokratien können sich jetzt nicht zurücknehmen

Baerbock sagte auch in Richtung der brasilianischen Regierung, als Demokratien könne man sich jetzt nicht zurücknehmen, sondern solle diesen Wandel mitgestalten. Es sei auch der Krieg in der Ukraine, der die Preise von Lebensmitteln weltweit rasant in die Höhe habe steigen lassen. „Sicherheit und Entwicklung sind keine Gegensätze, sondern sie bedingen einander“, sagte die Bundesaußenministerin.

Brasilien hat zwar als einziges Land der Brics-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) den russischen Krieg in allen Entschließungen der Vereinten Nationen verurteilt. Präsident Lula stellt sich aber nicht klar an die Seite der Ukraine. Mit Kritik an der Militärhilfe der Nato und anderer Länder sorgte er für Irritationen.

Heil für faire Löhne und Arbeitsschutz auch in digitaler Welt

Heil sagte, künstliche Intelligenz verändere den Alltag in rasender Geschwindigkeit. Die Regelungen, die in der analogen Welt gelten, müssten auch in der digitalen Welt gelten, verlangte er.

Über Jahrhunderte hart errungene Rechte für Beschäftigte wie gute Löhne, faire Bezahlung und Arbeitsschutz müssten auch in der digitalen Welt durchgesetzt werden. Digitalisierung von Arbeit dürfen nicht zu Ausbeutung, Überwachung und Unterdrückung führen.

Baerbock und Heil bei Mercedes-Benz do Brasil

Im Anschluss wollten Baerbock und Heil ein brasilianisches Werk von Mercedes-Benz besuchen, in dem Busse mit Elektroantrieb gebaut werden. Dabei sollte es unter anderem um Probleme bei der Fertigung der Batterien sowie um Abhängigkeiten von China gehen. Mercedes-Benz do Brasil ist der größte Bus- und Lkw-Produzent in Lateinamerika.

Mercedes-Benz fertigt in São Bernardo do Campo im Bundesstaat São Paulo den Elektro-Bus eO500U. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Nachfrage nach Elektro-Bussen in Brasilien von derzeit rund 1.000 im Jahr 2024 auf 3.000 Fahrzeuge ansteigen wird. Die meisten E-Busse in Brasilien sind in der Millionenmetropole São Paulo unterwegs: Die Stadt will bis 2024 bereits 2.600 Elektro-Busse einsetzen. (dpa/mf)



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