Belgiens neue Asylregeln: Aufnahmestopp für alleinstehende Männer
In Belgien werden alleinstehende männliche Asylbewerber vorübergehend nicht mehr in staatlichen Heimen aufgenommen. Dies gab Nicole de Moor, Staatssekretärin für Asyl und Migration, am 29. August bekannt. Sie bezeichnet es als „schwierige Entscheidung“, weist aber darauf hin, dass die Zahl der Familien mit Kindern, die Asyl beantragen, in den letzten Tagen stark gestiegen sei. Deshalb wolle sie alle Plätze für diese reservieren, bevor der Winter kommt.
„Ich möchte unbedingt vermeiden, dass Kinder auf der Straße landen. Unser Land tut schon lange mehr als seinen Teil. So kann es wirklich nicht weitergehen, denn in diesem Jahr sind in Belgien 19.000 Asylbewerber registriert, während es in Portugal, einem Land mit einer ähnlichen Bevölkerungszahl, nur 1.500 sind“, so de Moor in einer Mitteilung.
2.000 alleinstehende Männer auf Warteliste
Laut der belgischen Regierung verzeichnete das Land 2022 einen Anstieg der Anträge von über 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – ein Höchststand seit der großen Flüchtlingswelle 2015. Und nach Angaben der EU-Asylagentur entfielen im Jahr 2021 immerhin 70 Prozent der Asylanträge auf Männer, wie die „Bild“ berichtete. Die Flüchtlingsheime in Belgien seien chronisch überlastet. Der belgischen Regierung zufolge waren deshalb bereits Anfang des Jahres rund 3.000 Asylbewerbern im Land obdachlos.
Wie die 39-jährige de Moor angibt, würden „weiterhin neue Zentren eröffnet“. „Aber letztes Jahr hat jeder gesehen, wie schwierig es ist, Aufnahmeplätze zu schaffen“, rechtfertigt sie ihre Entscheidung. Auf der Warteliste würden bereits rund 2.000 alleinstehende Männer stehen, so die Staatssekretärin. Auch Kinder würden jeden Tag, mit oder ohne Eltern, nach Belgien kommen.
„Ich möchte vermeiden, dass wir in naher Zukunft Kinder in einem Pappkarton sehen“, so de Moor gegenüber der niederländischsprachigen Tageszeitung „De Standaard“. Im vergangenen Jahr habe man bereits 9.000 zusätzliche Plätze geschaffen.
Sie gab nicht an, wie lange die Entscheidung voraussichtlich gilt und die vom Fedasil-Netzwerk bereitgestellten Dienste ausgesetzt werden. Das Fedasil-Netzwerk ist die staatliche Agentur zur Unterstützung von Asylbewerbern.
Scharfe Kritik aus der Regierungsebene
Mit der Entscheidung der Staatssekretärin für Asyl und Migration sind offensichtlich nicht alle in der Regierung einverstanden. Der belgische Vizepremierminister Georges Gilkinet von der Partei Ecolo bezeichnet diese als „äußerst problematisch“ und „inakzeptabel“, so „De Standaard“. „Der Bundesstaat muss seinen Verpflichtungen gegenüber allen Asylbewerbern nachkommen“, findet der 52-jährige Gilkinet, der auch gleichzeitig Verkehrsminister ist.
Im vergangenen Winter hatte die Stadt Brüssel Asylsuchende in einem Hotel auf flämischem Gebiet (einer anderen Region des Landes) untergebracht, nachdem Asylsuchende in besetzten Häusern und Zelten am Kanal Zuflucht gesucht hatten. Laut „De Standaard“ bestreitet De Moor nicht, dass eine solche Situation erneut auftreten könnte. Die Staatssekretärin bezeichnete jedoch die Zusammenarbeit mit Brüssel inzwischen als „sehr gut“. „Ich habe kürzlich beschlossen, die Notunterkunft in Brüssel zu erweitern. Wir werden weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten“, so De Moor.
Brüssels Minister Bernard Clerfayt (DéFi) kritisierte die Entscheidung jedoch scharf: „Die Regierung De Croo lässt Tausende von Asylbewerbern durch die Straßen und Bahnhöfe Brüssels streifen.“ In der Vergangenheit wurde die belgische Regierung mehrfach vor dem Brüsseler Arbeitsgericht verurteilt. Der Grund: Sie würde den Menschen keine völkerrechtlich vorgeschriebenen Unterkünfte anbieten. De Moor weigerte sich stets, die damit verbundenen Strafen zu zahlen.
Ein Nutzer der Plattform X gibt der Staatssekretärin für Asyl und Migration folgenden Tipp: „Nicole, wenn die Badewanne überläuft, drehen Sie zuerst den Wasserhahn zu und beginnen dann mit dem Aufwischen …Wischen bei geöffnetem Wasserhahn hat noch nie zum Erfolg geführt!“
„Ländern wie Deutschland geht es schlechter“
In der Mitteilung von Staatssekretärin Nicole de Moor heißt es jedoch, dass die im vergangenen Jahr ergriffenen Maßnahmen dafür gesorgt hätten, dass es „in unserem Land nicht zu einer Explosion der Asylanträge kam“. „Ländern wie Deutschland geht es schlechter.“ Während der allgemeine Migrationsdruck nach Europa weiter um 30 Prozent gestiegen sei, würde er in Belgien stabil auf hohem Niveau bleiben. Andere Länder wie Portugal und Schweden hätten wiederum sehr wenige Asylanträge.
Die Staatssekretärin arbeite nach eigenen Angaben mit europäischen Kollegen an einem Migrationspakt, der die europäische Asyl- und Migrationspolitik grundlegend reformieren werde. „Der Pakt soll unter anderem ein schnelles Grenzverfahren an den Außengrenzen und eine gerechtere Verteilung von Asylbewerbern in Europa vorsehen“, wie aus dem Schreiben hervorgeht.
Auch Abkommen mit Drittländern wie Tunesien würden zu einer besseren Steuerung der Migrationsströme und der Grenzen beitragen. Dies würde jedoch Zeit benötigen – und im kommenden Winter sei das Land erneut mit einer komplexen Aufnahmesituation konfrontiert. Dabei lege Staatssekretärin Nicole de Moor die Priorität auf Familien und Kinder.
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