Biden startet Rettungsaktion für notleidende Atomkraftwerke

Die derzeitige US-Regierung will Kernkraftwerke retten und beschließt ein Großpaket. Zudem verpflichtet das Weiße Haus die Behörden mit einer neuen Regelung, die Klimaauswirkungen von Straßen, Pipelines und anderen Infrastrukturen zu bewerten und den Kommunen mehr Mitspracherecht zu geben.
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Das Kernkraftwerk Indian Point in New York wurde 2021 geschlossen.Foto: Kena Betancur/Getty Images
Von 22. April 2022

Die Biden-Regierung startet eine 6-Milliarden-Dollar-Initiative zur Rettung von Kernkraftwerken, die von der Schließung bedroht sind. Begründet wird es mit der Notwendigkeit, die Kernenergie als kohlenstofffreie Energiequelle fortzuführen – was wiederum den Klimawandel bekämpfen soll.

Am Dienstag wurde das Zertifizierungs- und Ausschreibungsverfahren für ein ziviles Nuklearkreditprogramm eröffnet, schreibt „The Guardian“. Damit können finanziell angeschlagene Eigentümer oder Betreiber von Kernkraftwerken gerettet werden, teilte das US-Energieministerium mit. Es handelt sich dabei um die größte staatliche Investition zur Rettung finanziell angeschlagener Atomreaktoren.

Demnach sollen Eigentümer oder Betreiber von Kernkraftwerken, die aus wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet werden sollen, Mittel beantragen können, um eine vorzeitige Stilllegung zu vermeiden. 

Kernkraftwerke weiterhin essenziell

In der ersten Vergaberunde werden vorrangig Reaktoren berücksichtigt, die bereits ihre Stilllegung angekündigt haben. Die zweite Phase wird für weitere wirtschaftlich gefährdete Einrichtungen geöffnet. Das Programm wurde im Rahmen des von Joe Biden im November unterzeichneten Infrastrukturpakets (im Wert von einer Milliarde US-Dollar) finanziert.

„US-Kernkraftwerke liefern mehr als die Hälfte unseres kohlenstofffreien Stroms und Präsident Biden setzt sich dafür ein, dass diese Kraftwerke aktiv bleiben, um unsere Ziele im Bereich der sauberen Energie zu erreichen“, sagte US-Energieministerin Jennifer Granholm in einer Erklärung.

Etwa zwei Drittel der US-Staaten vertreten den Standpunkt, dass die Kernenergie auf die eine oder andere Weise dazu beitragen wird, fossile Brennstoffe abzulösen.

Laut „Guardian“ wurden in den letzten zehn Jahren bereits ca. ein Dutzend Kernkraftwerke in den USA geschlossen, bevor ihre Genehmigungen ausliefen. Die Gründe für die Schließung waren die Konkurrenz durch billigeres Erdgas, massive Betriebsverluste aufgrund niedriger Strompreise und hohe Kosten für größere Reparaturen. 

Die Eigentümer von sieben Reaktoren, die derzeit in Betrieb sind, haben bereits angekündigt, dass sie ihre Anlagen bis 2025 stilllegen wollen.

Bürokratische Hürden: Biden führt Klimagesetz wieder ein

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden kündigte am Dienstag an, dass wichtige Teile eines „bahnbrechenden“ Umweltgesetzes wieder in Kraft gesetzt werden. Durch ein neues Gesetz wird verlangt, dass die Auswirkungen auf das Klima stärker berücksichtigt werden. 

Lokale Gemeinden sollen zudem mehr eingebunden werden, bevor Bundesbehörden Autobahnen, Pipelines und andere Großprojekte genehmigen.

Die Regierung hat damit Anforderungen vom National Environmental Policy Act wieder eingeführt, die vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump abgeschafft worden waren. 

Im Jahr 2020 hat Trump Teile des Gesetzes zur nationalen Umweltpolitik von 1970 zurückgenommen, um „Berge bürokratischen Aufwands“ abzubauen. Unter seinen Änderungen wurden viele Projekte von der Prüfung ausgenommen und die Behörden übersprangen die Berücksichtigung sogenannter „indirekter“ Klimaauswirkungen, wie die „Washington Post“ schreibt. Der Schritt sollte damals Infrastrukturprojekte im ganzen Land wiederbeleben.

Die Regulierungsbehörden müssen mit Bidens neuem Gesetz nun berücksichtigen, wie staatliche Maßnahmen die Treibhausgasemissionen erhöhen und den Lebensraum von Wildtieren zerstören könnten und ob sie Gemeinden, insbesondere arme und von Minderheiten bewohnte Viertel, die bereits unverhältnismäßig stark mit Umweltverschmutzung konfrontiert sind, neue Lasten aufbürden.

Biden will Klimaagenda vorantreiben

Biden sucht offenbar nach Möglichkeiten, seine Klimaagenda trotz wachsender Sorgen über Kostensteigerungen in der Wirtschaft voranzutreiben. 

Bidens demokratische Verbündete im US-Kongress lobten das Gesetz, da es einen weiteren Einschnitt in die Umweltpolitik der Trump-Ära rückgängig gemacht hat.

„Ich bin froh, dass die Regierung erkannt hat, wie ungeheuerlich falsch diese Maßnahmen waren, und dass sie die Schutzmaßnahmen wiederherstellt, die jahrzehntelang dazu beigetragen haben, unsere Umwelt zu schützen und gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung zu fördern“, sagte der Abgeordnete Raúl M. Grijalva.

Andere hingegen zeigen weniger Begeisterung. „Es sollte nie länger dauern, eine staatliche Genehmigung für ein Infrastrukturprojekt zu erhalten, als es dauert, das Projekt zu bauen, aber das könnte sehr wohl das Ergebnis der Änderungen der Regierung sein“, sagte Marty Durbin, Senior Vice President of Policy bei der US-Handelskammer. Angesichts der Unterbrechungen der Lieferkette sei „das Letzte, was unser Land braucht, eine unnötig umfangreiche und doppelte bürokratische Belastung“.

Bidens Klimaberaterin will kündigen

Zudem kommt, dass die Klimaberaterin des Weißen Hauses, Gina McCarthy, nach Angaben von zwei mit den Überlegungen vertrauten Quellen ihren Rücktritt plane, wie „Reuters“ letzte Woche berichtete. Der Grund: Sie sei frustriert, dass die Fortschritte bei der Klimaagenda nur schleppend vorangehen.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Vedant Patel, dementierte jedoch diese Nachricht: „Das ist nicht wahr und es gibt keine derartigen Pläne und keine personellen Ankündigungen.“

Die steigenden Öl- und Gaspreise, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, legen Biden weitere Steine in den Weg. Er musste die Senkung der Mineralölsteuer in Erwägung ziehen, 180 Millionen Barrel Öl aus den US-Notvorräten abgeben und die US-Ölproduzenten dazu auffordern, ihre Produktion zu steigern.

Am Montag betonten hochrangige Regierungsvertreter, dass die USA immer noch auf dem besten Weg seien, Bidens Ziel zu erreichen, die US-Kohlenstoffemissionen bis 2030 um mindestens 50 Prozent zu senken.



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