Bundeswehr fliegt 101 Menschen aus dem Sudan aus

Die Lage im Sudan hat sich binnen Tagen dramatisch verschärft. Immer mehr Staaten beginnen Rettungsmissionen, zur Evakuierung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Die Bundeswehr versucht es ein zweites Mal.
Auf der Luftwaffenbasis Al-Asrak in Jordanien steigen Soldaten der Bundeswehr in eine Bundeswehrmaschine, um in den Sudan zu fliegen.
Auf der Luftwaffenbasis Al-Asrak in Jordanien steigen Soldaten der Bundeswehr in eine Bundeswehrmaschine, um in den Sudan zu fliegen.Foto: Neumann/Bundeswehr/dpa
Epoch Times23. April 2023

Die Bundeswehr hat in einem ersten Schritt 101 Menschen aus der umkämpften sudanesischen Hauptstadt Khartum ausgeflogen. Sie waren an Bord eines Militärtransporters, der am Sonntagabend als erste deutsche Maschine den Rückflug antrat, wie die Bundeswehr am späten Sonntagabend auf Twitter mitteilte. In Khartum war am Abend auch eine dritte deutsche Militärmaschine gelandet.

Deutschland hat wie andere Staaten in dem Land am Horn von Afrika eine militärische Evakuierung begonnen. Es sollen mehr als 300 auf einer Krisenliste registrierte Deutsche über den jordanischen Militärflugplatz Al-Asrak ausgeflogen werden. Auch Bürgern von Partnerstaaten soll geholfen werden. Der Einsatz, an dem insgesamt mehr als 1000 Männer und Frauen der Bundeswehr beteiligt sind, wurde seit Tagen vorbereitet.

„Unser Ziel ist, in dieser gefährlichen Lage in Sudan so viele Staatsangehörige wie möglich aus Khartum auszufliegen“, schrieb das Verteidigungsministerium auf Twitter. Im Rahmen der Möglichkeiten sollen auch EU-Bürger und weitere Staatsangehörige mitgenommen werden. Dazu richtet die Bundeswehr in Abstimmung mit dem sudanesischen Militär auf einem Landeplatz bei Khartum einen Operationspunkt ein. An dem Einsatz sind Fallschirmjäger der Luftlandesbrigade 1 beteiligt und auch das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr.

Für die Vorbereitungen waren seit Tagen A400M-Militärtransporter zwischen dem Fliegerhorst Wunstorf (Niedersachsen) und dem von der Bundeswehr genutzten Militärflughafen Al-Asrak in Jordanien unterwegs. Über diesen erfolgt auch der Rückweg. Der Rettungseinsatz wird vom Befehlshaber der Division Schnelle Kräfte (DSK), Generalmajor Dirk Faust, geführt. Ihm sind auch sonst die Soldaten unterstellt, die die Bundeswehr für die Nationale Krisenvorsorge bereithält – also genau für Situationen wie nun im Sudan.

EU-Botschafter bleibt im Land

Der EU-Botschafter im Sudan soll anders als zahlreiche andere Diplomaten trotz der Kämpfe weiter in dem Land bleiben. Das Personal der Vertretung in der von schweren Gefechten getroffenen Hauptstadt Khartum werde evakuiert, schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Sonntagabend auf Twitter. EU-Botschafter Aidan O’Hara, der kurz nach Ausbruch der Kämpfe vor mehr als einer Woche selbst angegriffen worden war, werde weiterhin aus dem Sudan arbeiten.

Borrell schrieb weiter, er sei „erleichtert“, dass die Evakuierung mit der Hilfe des französischen diplomatischen Dienstes, der französischen Armee und des Nachbarstaats Dschibuti ermöglicht worden sei. „Wir sind weiterhin entschlossen, die Waffen zum Schweigen zu bringen und allen Zivilisten zu helfen, die zurückgeblieben sind.“

US-Botschaft in Khartum geschlossen

Die USA haben ihre Regierungsmitarbeiter bereits aus dem Land abgezogen und die US-Botschaft in der Hauptstadt Khartum auf unbestimmte Zeit geschlossen. Alle US-Diplomaten und ihre Angehörigen seien erfolgreich in Sicherheit gebracht worden, teilten das Weiße Haus und das US-Außenministerium in der Nacht zum Sonntag mit. US-Präsident Joe Biden rief die kriegführenden Parteien in einer Stellungnahme zu einem sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand auf. Er forderte sie außerdem auf, humanitäre Hilfe nicht zu behindern und den Willen des sudanesischen Volkes zu respektieren.

Seit Tagen hatte sich das US-Militär mit anderen westlichen Staaten auf die Evakuierung eigener Staatsbürger vorbereitet. Zusätzliche Streitkräfte waren dafür unter anderem nach Dschibuti verlegt worden. Das Land liegt knapp 1200 Kilometer südöstlich der sudanesischen Hauptstadt Khartum am Horn von Afrika. Von dort sei die Mission gestartet, erläuterte ein Regierungsvertreter nach dem Einsatz. Rund 100 US-Soldaten seien an der Evakuierung beteiligt gewesen. Der Einsatz mit Hubschraubern an der US-Botschaft selbst habe weniger als eine Stunde gedauert. Es habe keine Verletzten oder Todesopfer gegeben. Die Zahl der geretteten Menschen liege bei unter 100, darunter seien auch ein paar Kollegen anderer Missionen.

Auch Großbritannien evakuiert Diplomaten aus dem Sudan

Wie die USA holt auch Großbritannien diplomatische Vertreter aus dem umkämpften Sudan. Inmitten einer Eskalation der Gewalt und Drohungen gegen das Botschaftspersonal hätten britische Streitkräfte eine komplexe und schnelle Evakuierung von britischen Diplomaten und deren Familien abgeschlossen, teilte Premierminister Rishi Sunak mit. Er forderte die Konfliktparteien in dem afrikanischen Land zugleich zum Niederlegen der Waffen und zu einer sofortigen humanitären Waffenruhe auf, damit Zivilisten die Konfliktgebiete verlassen könnten.

Bei den Kämpfen wurde ein Mitarbeiter der ägyptischen Botschaft durch Schüsse verletzt. „Dies bestätigt die Notwendigkeit, das höchste Maß an Vorsicht zu wahren, um die Sicherheit unserer Bürger und unserer Vertretung zu erhalten“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Kairo. Mehr Details zu dem Vorfall nannte er nicht.

Angesichts der schweren Kämpfe im Sudan bereitet auch die italienische Regierung die Evakuierung von Zivilisten vor. Rund 140 Menschen mit italienischer Staatsangehörigkeit seien dazu aufgerufen worden, die weiterhin vollständig funktionsfähige Botschaft Italiens in Khartum aufzusuchen, um aus dem nordostafrikanischen Land evakuiert zu werden, sagte Außenminister Antonio Tajani im Fernsehen.

Man werde sich außerdem an der Evakuierung von Schweizer Staatsbürgern und den Mitarbeitern der apostolischen Nuntiatur vor Ort – also der vatikanischen Botschaft – sowie von etwa 20 weiteren europäischen Bürgern beteiligen. „Insgesamt etwa 200 Zivilisten werden von unserem Militär evakuiert werden müssen“, sagte der Politiker weiter.

Vor rund einer Woche waren im Sudan Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und ihren Einheiten ausgebrochen. Beide hatten das Land mit rund 46 Millionen Einwohner seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021 geführt. Nun kämpft De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Eigentlich hätte Daglos Gruppe der Armee unterstellt und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen werden sollen.

In Berlin tagt täglich ein Krisenstab

Der Flughafen in Khartum stand in den vergangenen Tagen im Zentrum der Kampfhandlungen. Ausländische Diplomaten bemühten sich immer wieder um eine stabile Feuerpause für die Evakuierung. Am Mittwoch wurde ein erster Versuch abgebrochen, Deutsche mit Maschinen der Luftwaffe außer Landes zu bringen, weil die Sicherheitslage in der umkämpften Hauptstadt als zu gefährlich für einen solchen Einsatz eingeschätzt wurde. In Berlin tagt täglich ein Krisenstab. Die Bundeswehr traf vor Tagen schon Vorbereitungen für einen neuen Anlauf zur Evakuierung deutscher Staatsbürger und weiterer zu schützender Personen.

Auch Sudanesen versuchen, den Kämpfen zu entfliehen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind in vergangenen Tagen bereits bis zu 20.000 Menschen in den benachbarten Tschad geflohen. Tausende weitere Menschen seien innerhalb des Landes aus stark umkämpften Gebieten vertrieben worden. (dpa)



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