China hat international deutlich an Prestige eingebüßt – Gewalt in Hongkong würde Trend verstärken

Das Regime in Peking hat zuletzt mit unverhohlenen Drohungen aufhorchen lassen, die Proteste in Hongkong bei Bedarf auch militärisch niederzuschlagen. Der Preis wäre allerdings hoch. Bereits in den vergangenen Jahren hat die aggressive Machtpolitik der Kommunisten China einen deutlichen Imageverlust in der Welt eingehandelt.
Titelbild
Der große Buddha auf der Insel Lantau in Hongkong.Foto: iStock
Epoch Times16. August 2019

Das Sportzentrum an der Küste von Shenzhen, wo Soldaten des örtlichen Kommandos der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLA) untergebracht sind, ist 56 Kilometer vom Flughafen von Hongkong entfernt, lassen chinesische Truppen die Follower ihres WeChat-Accounts wissen. Es ist mehr als eine bloße Information über ihren derzeitigen Aufenthalt. Es ist eine unverhohlene Drohung.

Im nächsten Satz heißt es: „Die Truppen brauchen nur zehn Minuten, um die Grenze zu Hongkong zu erreichen.“ Die Nachricht ist an die Protestbewegung in der früheren britischen Provinz gerichtet, die als Bewegung von Gegnern eines Gesetzes begonnen hatte, das die Auslieferung von Bürgern des Stadtstaates an Peking erleichtern hätte sollen.

Mittlerweile ist daraus eine breite Demokratiebewegung geworden, deren Ziel es ist, die gewohnten bürgerlichen Rechte und Freiheiten in Hongkong gegen chinesische Versuche zu behaupten, diese kontinuierlich auszuhöhlen.

Peking will notfalls Ausnahmezustand erwirken

Satellitenbilder des Maxar-Dienstes vom Montag (12.8.) zeigen, dass mindestens 500 Panzer paramilitärischer Truppen in und um das Stadion des Geländekomplexes gruppiert sind. In einem weiteren WeChat-Eintrag verweist Peking auf Artikel 18 der Verfassung von Hongkong, der dem Nationalen Volkskongress das Recht einräumt, über den Stadtstaat den Ausnahmezustand zu verhängen, sollte die örtliche Regierung nicht in der Lage sein, Unruhen zu kontrollieren, die die nationale Einheit oder Sicherheit gefährden.

In der chinesischen Propaganda werden die Demonstranten jetzt schon als „Terroristen“ deklariert. Das Regime in Peking hat im Wesentlichen schon jetzt alle erforderlichen Vorbereitungen getroffen, um bei Bedarf in Hongkong einzumarschieren und die Protestbewegung niederzuschlagen. Eine Niederschlagung der Protestbewegung wäre der Armee mit großer Wahrscheinlichkeit ohne größeren finanziellen, technischen oder zeitlichen Aufwand möglich. Sollte die Regierung von Hongkong ein formales Ersuchen an chinesische Behörden zur Durchsetzung der öffentlichen Ordnung richten, könnte Peking sogar behaupten, die 1997 beim Übergang von britischer zu chinesischer Oberhoheit zugesicherten Autonomierechte durch den Eingriff nicht zu verletzen.

Es ist allerdings höchst unwahrscheinlich, dass der Rest der Welt, insbesondere der Westen, bereit sein würde, den Narrativ von einem „unvermeidbaren Anti-Terror-Einsatz“ zu schlucken. US-Präsident Donald Trump zeigt dazu jedenfalls keinerlei Bereitschaft. Er hat auf Twitter seine Besorgnis über die Drohungen und die Truppenbewegung zum Ausdruck gebracht und betont, die USA blieben „standhaft in ihrer Unterstützung von Rede- und Versammlungsfreiheit in Hongkong“.

Kongress stellt sich hinter Trumps Position

Dabei kann er Trump sich auch der Rückendeckung des Kongresses sicher sein. Der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, und Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi solidarisierten sich mit der Bevölkerung Hongkongs und mahnten zur Wahrung des Versprechens Pekings, das Prinzip „Ein Land – zwei Systeme“ aufrechtzuerhalten.

Eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste würden die USA als „völlig inakzeptabel“ betrachten.

Vor allem aber könnte die mögliche Entscheidung des Regimes in Peking, die Ruhe in Hongkong in Form einer Friedhofsruhe wiederherzustellen, ungeahnte und höchst unerwünschte politische Folgen für die Volksrepublik und ihren „starken Mann“, Xi Jinping, haben.

Die Aussichten auf einen Marktzutritt für westliche Unternehmen in China, so tückisch auch die damit zusammenhängenden Auflagen sein mochten, hatten zur Folge, dass westliche Regierungen über Jahre hinweg bereit waren, die Fülle an Menschenrechtsverletzungen weitgehend zu ignorieren, die sich die kommunistische Führung in Peking erlaubt hatte – von der „Ein-Kind-Politik“ über das Massaker vom Tian’anmen-Platz bis hin zur Unterdrückung der Religionsfreiheit von Anhängern des Dalai Lama in Tibet, Muslimen in Xinjiang, Katholiken und Anhängern von Falun Gong.

Mangel an Fähigkeit zur Selbstreflexion

Die militärische Niederschlagung einer Demokratiebewegung auf einem Territorium, das Teil des Westens war und sich seine westliche politische Ordnung auch nach dem Übergang in den chinesischen Staatsverband erhalten wollte, das wäre jedoch ein Novum. Die USA würden darauf umgehend mit Sanktionen und einer verschärften Gangart im Handelskonflikt reagieren – ohne dass Europa es sich politisch noch länger leisten könnte, sich um Äquidistanz zu bemühen.

Michael Schuman betont im „Atlantic“, sowohl der Handelskonflikt als auch die Situation in Hongkong mache deutlich, dass die Schwüre des Regimes in Peking, allenthalben Win-Win-Situationen anzustreben und Interessen von Vertragspartnern zum Wohle beiderseitiger guter Beziehungen respektieren zu wollen, schnell an die Grenzen ihrer Gültigkeit stießen. Tatsächlich suche Peking eher das Nullsummenspiel.

Vor allem aber zeige sich ein eklatantes Defizit bezüglich der Fähigkeit zur Selbstreflexion. Dass der in Hongkong gewachsene Protest, der sich an ausschließlich innenpolitischen Fragen entzündet hatte und ausschließlich innenpolitische Fragen betrifft, nunmehr als von den USA gesteuerte „Farbrevolution“ dargestellt wird, zeige zum einen die Paranoia Pekings – und zum anderen, dass man die Lage in Hongkong in keiner Weise verstanden habe.

Auch wenn der Anstoß zu beiden Konfliktereignissen nicht von Peking kam, wären weder der Protest in Hongkong noch die Strafzölle der USA unabwendbar gewesen, hätte das Regime seine eigene Politik hinterfragt. Waren es im Handelsstreit schikanöse und zum Teil gesetzeswidrige Handelspraktiken gegenüber anderen Staaten und ausländischen Unternehmen, die Trump zum Handeln veranlasst hatten, war es im Fall Hongkongs die gezielte Aushöhlung der „Ein Land, zwei Systeme“-Vereinbarung durch das am Ende gescheiterte Auslieferungsgesetz und die zunehmende Einmischung in die Belange der autonomen Region.

Gewalt als kommunistische Strategie

Bislang habe Peking in seiner Diplomatie zunächst stets mit finanziellen Zusagen versucht, Probleme aus der Welt zu schaffen. Sobald dies jedoch nicht gefruchtet habe, sei man zu Zwangsmaßnahmen übergegangen. In Hongkong schlug diese Strategie fehl. Die Bürger des Stadtstaates wollen sich ihre Freiheiten nicht durch die Zusage einer Handvoll Infrastruktur abkaufen lassen. Die lange Zeit friedlichen Protesten stießen schon bald auf Gewalt vonseiten organisierter Schlägerbanden, die Demonstranten angriffen.

Ob Peking sie instruiert hat, ist nicht bewiesen – allerdings stellt es eine beliebte kommunistische Taktik zur Einschüchterung politischer Gegner dar, die von der Antifa in Deutschland bis hin zu den Colectivos in Venezuela zur Anwendung kommt. Die lokale Administration versuchte ihrerseits, durch immer härteres Vorgehen der Polizei Handlungsfähigkeit zu beweisen. Es ist ihr nicht gelungen, die Unzufriedenheit in der Öffentlichkeit dadurch entscheidend einzudämmen.

Auch die „Washington Post“ bescheinigt dem chinesischen Regime Versagen bezüglich einer richtigen Einschätzung der Lage in der Sonderverwaltungszone. Man habe von Beginn an ein falsches Bild von den Protesten gehabt, als man von „Terrorismus“ sprach und die USA – ausgerechnet unter dem interventionsaversen Präsidenten Donald Trump – als treibende Kraft hinter diesen witterte.

Der „Post“ zufolge ahne Xi Jinping, dass eine gewaltsame Lösung kontraproduktiv sein könne, weil die Folgen für Chinas Wirtschaft unabsehbar wären. Deshalb habe man versucht, die Protestbewegung langsam zu ersticken – aber auch das schlage fehl. Gespräche Xis und der Verwaltungschefin Carrie Lam mit den Demonstranten wären die einzig erfolgversprechende Option. Eine Bereitschaft dazu sei jedoch aufseiten des Regimes nicht zu erkennen.

Für Xi Jinping steht viel auf dem Spiel

Die „Welt“ weist darauf hin, dass der Preis, den Peking für ein militärisches Eingreifen in Hongkong bezahlen würde, noch deutlich höher wäre als US-Sanktionen und ein verschärfter Handelskrieg.

Xi Jinping rechne damit, in den kommenden Jahren eine Vielzahl prestigeträchtiger internationaler Großevents in China oder der Region als Schaufenster für angebliche und tatsächliche Errungenschaften seiner Regierungszeit nutzen zu können. Dazu gehören beispielsweise die Olympischen Winterspiele 2022.

Außerdem stehen harmonische Jubiläen wie der 70. Jahrestag der chinesisch-nordkoreanischen Beziehungen im kommenden Oktober oder der 100. Jahrestag der Kommunistischen Partei 2021 sowie der Wunsch nach einem Regierungswechsel hin zu einer Peking-freundlicheren Regierung in Taiwan im kommenden Januar auf dem Wunschzettel. Ein Einmarsch in Hongkong könnte viele dieser Vorhaben durchkreuzen – und das Ansehen Pekings in der Welt weiter untergraben.

In den vergangenen Jahren hatte dieses ohnehin in einer Weise gelitten, wie dies nicht im Interesse einer Macht sein kann, die weltweit zum führenden Player in Wirtschaft und Politik werden will. Nicht nur aus Washington weht Peking ein schärferer Wind entgegen. In der islamischen Welt hat China durch das Vorgehen gegen die Uiguren massiv an Ansehen verloren.

Immer mehr arme Länder haben „Belt and Road“ als Schuldenfalle durchschaut

Dazu ist das globale „One Belt One Road“-Infrastrukturprogramm in Asien, Afrika und Südamerika ins Zwielicht geraten, als ruchbar wurde, dass China in diesem Zusammenhang arme Länder so stark in Schulden gestürzt hat, dass diesen nichts anderes übrig blieb als Peking lukrative Häfen oder andere wichtige Einrichtungen für den internationalen Handel zu übertragen. China hat nun versprochen, mehr Transparenz zu gewährleisten und die Bedingungen zu verbessern.

Bereits die USA, die infolge der Selbstzerstörung Europas durch die Folgen hausgemachter Gewaltideologien im Laufe des 20. Jahrhunderts dieses als führende Weltmacht beerbt hatten, mussten in enormem Ausmaß Geld, Militär und Soft Power investieren, um in dieser Funktion Köpfe und Herzen zu gewinnen. Trotz massiven Gegenwindes durch antiamerikanische Kräfte wie Kommunismus oder radikalen Islam ist ihnen dies überwiegend gelungen.

China hingegen hat global in den vergangenen Jahren in empfindlicher Weise an Sympathien verloren. Einer Studie des Pew-Centers zufolge hatten im Jahr 2014 erst 32 Prozent aller Befragten in einer weltweiten Erhebung geäußert, ein negatives Bild von China zu haben. Im Vorjahr äußerten sich bereits 43 Prozent in dieser Weise. Eine Gewaltlösung in Hongkong würde diesen Pekings Interessen abträglichen Trend noch zusätzlich verstärken.



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