China versteckt angeblich drei Billionen US-Dollar in „Schattenreserven“

China versteckt offenbar die Hälfte seiner Devisen in „Schattenreserven“. Das schreibt ein ehemaliger Beamter des US-Finanzministeriums in einem gerade veröffentlichten Fachbeitrag. Die mangelnde Transparenz in Bezug auf diese Reserven ist besorgniserregend.
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Die Regierung unter Chinas Präsidenten Xi Jinping verschleiert offenbar Billionen US-Dollar in „Schattenreserven“.Foto: Thibault Camus/AP/dpa
Von 12. Juli 2023

China hat offenbar drei Billionen US-Dollar an Devisen in „Schattenreserven“ versteckt. Damit hätte das Land mehr Devisenreserven als offiziell angeben. Das könnte auf lange Sicht Risiken für die Weltwirtschaft mit sich bringen, schreibt der ehemalige Beamte des US-Finanzministeriums, Brad Setser, in einem Fachbeitrag für das Onlineportal „The China Project“.

China bei Devisen immer intransparenter

Im Dezember letzten Jahres gab die staatliche Devisenbehörde des Landes an, dass sich 3,12 Billionen US-Dollar (rund 2,9 Billionen Euro) an ausländischen Vermögenswerten in chinesischem Besitz befinden würden. Setser schätzt aber, dass sich tatsächlich rund 5,5 Billionen US-Dollar in chinesischem Besitz befinden könnten.

„China ist so groß, dass die Art und Weise, wie es seine Wirtschaft und seine Währung verwaltet, für die Welt von enormer Bedeutung ist“, schreibt er in seinem Beitrag, „aber im Laufe der Zeit ist die Art und Weise, wie es seine Währung und seine Devisenreserven verwaltet, sehr viel undurchsichtiger geworden, was neue Risiken für die Weltwirtschaft schafft.“

Von 2002 bis 2012 sei die chinesische Zentralbank fast täglich am Devisenmarkt aktiv gewesen. Meistens kaufte die Bank Dollar. Mit dieser Maßnahme wollte China sicherstellen, dass der Renminbi – die chinesische Währung – nicht ansteigen konnte und der Export damit günstig blieb.

Die Devisenreserven stiegen in diesen Jahren stetig an. Es wurden nicht nur US-Dollars gekauft – auch Staatsanleihen der USA wanderten in das Devisenportfolio Chinas. Das Land kaufte vor allem Anleihen der staatsnahen Hypothekenbanken Freddie Mac und Fannie Mae. Das wurde vor allem von außenpolitischen Experten kritisch beobachtet. Die Angst ist bis heute groß, dass das Land bei geopolitischen Spannungen die Anleihen in großem Stil verkaufen und so eine Sicherheitskrise in eine Finanzkrise verwandeln könnte.

Plötzlich steigen Reserven nicht mehr

Wie Brad Setser weiter schreibt, passierte dann in den vergangenen zehn Jahren Merkwürdiges: Chinas Reserven stiegen plötzlich nicht mehr. Zwar würden die von den Devisenbehörden gemeldeten Zahlen immer mal wieder schwanken, da der Wert der langfristigen Anleihen naturgemäß steigt und sinkt.

Die von der People’s Bank of China (PBoC) – der chinesischen Zentralbank – gemeldeten Devisenreserven, die diese in ihren Bilanzen nach dem ursprünglichen Kaufpreis ausweisen, bleiben aber konstant.

Für Setser ist das tatsächlich ein Rätsel, zumal Chinas Handelsbilanzüberschuss immer weiter gewachsen ist. Der Ex-Ministerialbeamte schätzt das Volumen in seinem Beitrag auf größer als die 400 Milliarden US-Dollar, die China gerade erst offiziell gemeldet hat.

Die mangelnde Transparenz, die China in diesen Fragen an den Tag legt, sei ein Problem für die Welt, schreibt der US-Ökonom.

China ist ein zentraler Faktor in der Weltwirtschaft. Alles, was China macht, hat auch Auswirkungen auf andere Volkswirtschaften. Setser erinnert in diesem Zusammenhang an die Finanzkrise 2008.

Durch die enormen Ankäufe der Hypothekenanleihen durch China hätten auch Privatanleger in hochriskante Hypothekenpapiere investiert. Nachdem die Blase damals ins Wanken geraten war, löste das die Finanzkrise aus.

Wie konnten die Devisen verschleiert werden?

Die große Frage bleibt aber, wie China seine Devisenreserven einfach verschwinden lassen kann? Brad Setser, der 2020 auch zum Team um US-Präsident Joe Biden gehörte, das damals den Übergang der Präsidentschaft Trumps auf Biden organisierte, sieht nur zwei Möglichkeiten.

Die erste Möglichkeit für China sei ein Staatsfonds. Die Zentralbank würde an diesen ihre Devisen verkaufen. Hinter dem Fonds steht eine Regierungsbehörde, die mit dem Auftrag gegründet wurde, in riskante Vermögenswerte zu investieren.

2007 habe China konkret die China Investment Corporation (CIC) gegründet, die genau diesen Staatsauftrag habe. Der Großteil der 120 Milliarden US-Dollar, die der Fonds eingesammelt hat, sei aber nicht in Devisen investiert worden. Das gehe aus den Bilanzen der PBoC aus den Jahren 2009 und 2010 hervor.

Der effektivste Weg, chinesische Devisen zu verschleiern, sei laut Setser das Bankensystem in China. In den Jahren zwischen 2003 und 2008 wurden beträchtliche Geldbeträge zwischen der chinesischen Zentralbank (PBoC) und staatlichen Geschäftsbanken wie der Bank of China, der Industrial & Commercial Bank of China (ICBC), der China Construction Bank und der Agricultural Bank of China transferiert.

Im Jahr 2003 wurden 45 Milliarden US-Dollar aus Chinas Reserven zur Rekapitalisierung der Bank of China und der China Construction Bank verwendet. 2005 erhielt die ICBC 15 Milliarden US-Dollar. Die chinesische Zentralbank übergab den Banken insgesamt 45 Milliarden US-Dollar an Reserven, ohne sie zu verkaufen, und erhielt im Gegenzug Anteile an den Banken.

Zusätzlich tauschte die PBoC Ende 2005 und im Jahr 2006 etwa 150 Milliarden US-Dollar mit den staatlichen Geschäftsbanken gegen chinesische Renminbi aus. Dieser Swap hatte für die Zentralbank technische Vorteile und wurde nicht in der offiziellen Bilanz der PBoC erfasst.

Die von den Banken erhaltenen US-Dollar wurden in ausländische Anleihen investiert. Das würden laut dem US-Ökonomen Setser auch die Bankdaten zeigen, wenn man genau hinschaut. Die Bestände an ausländischen Anleihen, die von „privaten“ chinesischen Anlegern gehalten wurden, stiegen von rund 50 Milliarden US-Dollar auf fast 200 Milliarden US-Dollar.

Zudem zwang die PBoC die Banken in den Jahren 2007 und 2008, ungefähr 200 Milliarden US-Dollar ihrer erforderlichen Reserven in Dollar zu halten, obwohl die Banken nicht viele Dollar-Einlagen hatten. Diese Transaktion ist ebenfalls in den Bankdaten sichtbar und wird in der PBoC-Bilanz als „andere ausländische Vermögenswerte“ ausgewiesen.

Insgesamt verfügte die chinesische Regierung Ende 2008 über „versteckte“ Reserven von rund 400 Milliarden US-Dollar, was damals etwa zehn Prozent des chinesischen BIP entsprach. Obwohl dies heute keine hohe Summe mehr ist, war es zu der Zeit bedeutend.

Nach Finanzkrise geht China neue Verschleierungswege

Nach der globalen Finanzkrise von 2008 und 2009 hat China eine neue Strategie entwickelt, um seine überschüssigen Devisenreserven zu nutzen. Ein Teil dieser Devisen wurde an große staatliche Banken wie die China Development Bank (CDB) und die Export-Import Bank of China übertragen, damit sie Kredite vergeben können, um Chinas boomende Auslandsinvestitionen zu unterstützen.

Zeichen für diesen Wandel in der Geldpolitik sei damals gewesen, als die China Development Bank begann, enorme Summen zu leihen, um die weltweite Ölproduktion zu steigern und den wachsenden Bedarf der chinesischen Wirtschaft zu decken.

Bereits 2011 bemerkte die Wissenschaftlerin Erica Downs, dass die China Development Bank seit 2009 Kreditlinien in Höhe von fast 75 Milliarden US-Dollar an nationale Energieunternehmen und Regierungsstellen in Brasilien, Ecuador, Russland, Turkmenistan und Venezuela erweitert hat.

Zum Beispiel erhielt die staatliche Ölgesellschaft Russlands einen Kredit in Höhe von 15 Milliarden US-Dollar, um die Produktion im Fernen Osten auszuweiten, und die russische Ölpipelinegesellschaft erhielt 10 Milliarden US-Dollar für den Bau einer Pipeline zur Vermarktung des Öls. Venezuela erhielt mindestens 30 Milliarden Dollar und Angola über 20 Milliarden Dollar.

Die CDB und die Export-Import Bank of China vergaben auch große Kredite an Länder, die chinesische Telekommunikationsausrüstung kaufen wollten. Dies hat dazu beigetragen, die globale Expansion von Unternehmen wie Huawei voranzutreiben, das über eine Kreditlinie von mindestens 30 Milliarden US-Dollar bei der CDB verfügt. Studien von Aid Data und der Weltbank belegen zudem, dass die Export-Import Bank of China ihre Unterstützung für den Bau von Straßen, Staudämmen und Kraftwerken weltweit verstärkt hat.

Das alles ist seit vielen Jahren bekannt. Intensiv wurde es schon 2013 diskutiert, als das chinesische Regime unter Xi Jinping das Projekt „Seidenstraße“ bekannt gab.

Weniger bekannt ist, dass die Auslandskredite der chinesischen Policy Bank dazu dienen, einen Teil der chinesischen Reserven zu verschleiern. Durch die Vergabe von „anvertrauten Krediten“ durch die China Development Bank (CDB) und die Export-Import Bank of China wird Geld von den offiziellen Reserven Chinas abgezogen.

Der genaue Umfang der anvertrauten Kredite ist nicht transparent, jedoch gibt es Hinweise darauf, dass er beträchtlich ist. Im Jahr 2015 wurden anvertraute Kredite in Höhe von 93 Milliarden US-Dollar in Eigenkapital der Policy Banken umgewandelt. Diese versteckten Mittel, die durch Devisen abgedeckt sind, könnten einen wesentlichen Grund dafür sein, dass die gemeldeten Reserven Chinas stabil bleiben.



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