Colmar Tropicale im Dschungel: Perfekt für die, die noch nie in Europa waren

Colmar mit seinem Fachwerk-Idyll und der romantischen Altstadt liegt im Oberelsass – oder? Oder doch im Dschungel von Malaysia? Aus dem Grün ragt ein tropischer Klon samt Zugbrücke, Erkern und Croissants.
Titelbild
Colmar Tropicale ist ein französisches Themenresort in Malaysia, das die Nachbildung eines Dorfes aus dem Elsass im 16. Jahrhunderts ist. Im Hintergrund der Dschungel der Berjaya Hills.Foto: iStock
Epoch Times20. März 2023

Die sanfte Stimme von Charles Trenet erklingt aus Lautsprechern, vorbei an bunten Fachwerkhäusern mit Erkern und Türmchen. „La Mer…“, singt der Chansonnier. Menschen schlendern über das Kopfsteinpflaster, aus einer Boulangerie strömt der Duft knuspriger Croissants. Typisch Frankreich, mag man meinen – wären da nicht der Monsunregen und der Dschungel ringsum.

Des Rätsels Lösung liegt in Malaysia. Eine Autostunde nordöstlich der Hauptstadt Kuala Lumpur steht ein Nachbau des Welterbe-Städtchens Colmar im Elsass. Der passende Name des Klons im Regenwald: Colmar Tropicale.

Die bizarre Idee hatte Malaysias Ex-Regierungschef Mahathir Mohamad (97). Er war nach einer Europa-Reise so begeistert vom Charme des Städtchens, dass er den befreundeten Milliardär und Baulöwen Vincent Tan in den 1990er-Jahren überredete, die Idylle nach Asien zu holen und ein „Klein-Colmar“ im Dschungel der Berjaya Hills zu finanzieren.

Bukit Tinggi in Malaysia. Foto: iStock

So entstand nach den Plänen des französischen Architekten Jean Cassou eine Art Themenpark samt Restaurants, Cafés und einem Resort mit 235 Hotelzimmern. Auf dem nächsten Hügel thront gleich noch ein Nachbau der berühmten Elsässer Burg Haut-Koenigsbourg, die im wirklichen Leben gut 25 Kilometer von Colmar entfernt steht.

Nachbau bis ins Detail

Von den gemusterten Satteldächern bis zu den hölzernen Balkonen, von den Fassaden in bunten Pastelltönen bis zu den dekorativen Fensterläden, von den Blumenkästen bis zu den Bistrotischen, von den plätschernden Springbrunnen bis zum Gebäck nach französischem Originalrezept – Colmar Tropicale ist alles andere als ein billiges Imitat.

Und es ist auch keine Art elsässisches Disneyland. Die Frankreich-Illusion ist – abgesehen von der lauen Äquatorluft – fast perfekt. Zumindest für Besucher, die noch nie in Europa waren.

„Für uns ist dies eine Möglichkeit, eine andere Welt kennenzulernen, ohne dass wir dafür nach Frankreich reisen müssen“, sagt Nor Atikah Omar, eine Lehrerin aus dem südlichen Bundesstaat Johor. Sie ist mit ihrem Mann zum ersten Mal da, auf Empfehlung von Freunden. Es gebe jede Menge zu besichtigen, und das Essen sei fantastisch. „Es ist wirklich eine tolle Touristenattraktion“, schwärmt die 43-Jährige.

Blick auf ein altes öffentliches Gebäude im französischen Stil in Malaysia, Juni 2022. Foto: iStock

Aber natürlich ist nicht alles originalgetreu – das hätte wohl selbst den finanziellen Rahmen eines Milliardärs gesprengt. „Wir haben versucht, Material aus den Steinbrüchen von Adamswiller zu importieren, aber das war zu teuer“, sagte Architekt Cassou während der Bauarbeiten 1998 dem französischen Magazin „L’Express“. „Wir mussten uns mit Steinen aus Indien begnügen.“ Auch die Inneneinrichtung wurde zumeist in malaysischer Heimarbeit gefertigt.

Kopieren, aber nicht konkurrieren

Der damalige Projektleiter Daniel Leong betonte gegenüber „L’Express“: „Unser Wunsch ist es nicht, mit dem Elsass zu konkurrieren, sondern einfach Colmar so gut wie möglich zu kopieren.“ Oder kurz: Den Flair des mittelalterlichen Abendlandes nach Malaysia zu zaubern. „Für uns sind Schlösser ja so eine Art Mythos“, sagte er.

Im Jahr 2000 war es endlich so weit: Das Colmar-Imitat öffnete seine Pforten und lockt seither Besucher aus nah und fern. Auch Politikveteran Mahathir und Milliardär Vincent Tan reisen ab und zu an, um durch ihre wahr gewordene Vision zu spazieren.

„Am Anfang habe ich mich wirklich gefühlt, als wäre ich in Frankreich“, sagt Al Fatah, der seit einem Jahr in der Boulangerie die Gäste bewirtschaftet. Gekonnt bedient er die Hebel der Kaffeemaschine und zaubert einen Café au Lait ins Glas, untermalt von der Stimme Edith Piafs.

Und wie fühlt er sich heute? „Als wäre ich in Malaysia“, lacht er. „Colmar Tropicale ist für die meisten etwas für einen einmaligen Besuch, und die Leute lieben es“, sagt er. Etwa die Hälfte der Gäste stamme aus Malaysia, die andere Hälfte zumeist aus arabischen Ländern sowie China und Russland, erzählt er.

Auch auf der anderen Straßenseite: französische Fachwerkhäuser in Malaysia. Foto: iStock

Wer das Original nicht kennt, dem erscheint die Kopie tatsächlich stimmig. Bei genauerem Hinsehen aber wird klar, dass auch etwas gemogelt wurde: So haben die Macher kurz entschlossen mehrere bekannte Sehenswürdigkeiten aus anderen Elsässer Gemeinden ins tropische Colmar integriert, wie den Uhrturm aus Riquewihr und den Wachturm aus Kaysersberg.

Am Eingang, gleich nach der Zugbrücke, hocken zudem zwei krächzende kunterbunte Papageien und warten darauf, sich mit Touristen fotografieren zu lassen. Das passt nicht wirklich zum Elsass.

Es mag auch überraschen, dass an einem Fachwerkhaus mit rosa Fensterläden ein „Starbucks“-Schild prangt. Aber das ergibt Sinn. Und zwar nicht nur, weil es auch im echten Colmar eine Filiale gibt – sondern vor allem, weil der steinreiche Vincent Tan mit seiner „Berjaya Group“ seit 2014 die gesamte US-Café-Kette in Malaysia kontrolliert. (dpa/red)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion