Corona-Hilfe: Warum Italien und Spanien ihre hohen Privatvermögen nicht mobilisieren können

Im Zuge der Debatte um das Corona-Hilfspaket der EU war vielfach gefordert worden, Italien und Spanien sollten Privatvermögen mobilisieren, um die Folgen zu bewältigen. Immerhin seien diese deutlich höher als in Deutschland. Eine Milchmädchenrechnung, meinen Skeptiker.
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Wohnungen in Giardini Naxos auf Sizilien.Foto: iStock
Von 21. Juli 2020

Die Einigung auf ein europäisches Corona-Hilfspaket, die nach tagelangen zähen Verhandlungen zustande gekommen war, hat für Länder wie Österreich oder die Niederlande, die auf mehr Anreize zu wirtschaftlicher Effizienz gepocht hatten, einen Teilerfolg erbracht. Deutschland hingegen wird wie geplant für etwa 130 von 750 Milliarden Euro des Pakets haften, von dem vor allem Italien und Spanien profitieren werden.

Einige Kommentatoren in Deutschland hatten zuvor ebenfalls gefordert, die Hilfen für die am stärksten von Corona erschütterten Volkswirtschaften an Reformen zu knüpfen. Andere forderten, Deutschland möge generell weniger zu einem Hilfspaket dieser Art beisteuern, weil die Privatvermögen in den südeuropäischen Ländern deutlich höher seien als hier und von Immobilienbesitzern oder anderen vermögenden Italienern und Spaniern Solidarität gefordert werden könne.

Aktienkultur und Immobilienbesitz ließen Südeuropäer zu Vermögen kommen

Im „Focus“ hat sich „Finanzen 100“-Experte Christoph Sackmann mit der Thematik befasst und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Hinweis auf höhere Privatvermögen in Italien und Spanien zwar zutreffend sei. Hilfsbedürftig blieben die beiden Staaten dennoch in hohem Maße.

Das durchschnittliche Vermögen in Deutschland ist mit etwa 35.310 Euro auch im EU-weiten Vergleich auffallend gering. Demgegenüber liegt es in Italien bei 91.889 Euro und in Spanien gar bei 95.360. Einer der Gründe dafür ist der Immobilienbesitz. Während in Spanien 77,1 Prozent der Einwohner in einer eigenen Immobilie leben und in Italien immerhin noch 72,4 Prozent, trifft dies in Deutschland lediglich auf 51,4 Prozent zu.

Auch die Präferenzen bei der Geldanlage haben zumindest in den Jahren von 2003 bis 2017 erheblich zu privatem Vermögenszuwachs in Spanien geführt. In dieser Zeit hätten spanische Anleger ihr Geldvermögen um etwa 70 Prozent vermehrt, schreibt das Portal „iFunded“. Während die Aktienquote in Deutschland zum Zeitpunkt der dort zitierten Vergleichsstudie der Allianz nur sieben Prozent betragen hatte, lag sie in Spanien bei 22 Prozent.

Auf diese Weise konnte Vermögen in Spanien auch in stärkerem Maße aus sich selbst heraus wachsen als in Deutschland – im Jahresvergleich in Spanien um 5,1 Prozent, in Deutschland nur um 2,9. An der Spitze liegt übrigens Finnland mit 5,8 Prozent.

Erst Hausaufgaben, dann Corona-Hilfe?

Die Forderung, Italien möge seine Corona-Schäden in einem nationalen Kraftakt stemmen, stützte sich auch auf die Erkenntnis, dass das Nettovermögen der Italiener insgesamt bei etwa 10 Billionen Euro liege – die Staatsschulden hingegen bei 2,5 Billionen. Für den deutschen Ökonomen Daniel Stelter war dies Anlass, zu fordern, Italien solle mittels erheblicher Steuererhöhungen für Vermögende oder Zwangshypotheken erst sein Staatsschulden aus eigener Kraft tilgen, ehe Rom europäische Solidarität in Sachen Corona einfordere.

Sackmann hält dieses Ansinnen für ebenso utopisch wie in der Sache verfehlt. In Deutschland sei das Verhältnis zwischen Privatvermögen und Staatsschulden mit 15 zu 2,3 Billionen noch ungleichmäßiger – und dennoch haben SPD und Linke mit ihren Forderungen nach Reichen- oder Vermögenssteuern nie Mehrheiten für sich mobilisieren können.

In Italien und Spanien sei der Besitz einer Immobilie zudem angesichts der hohen Mieten eine notwendige Vorsorge gegen Verarmung. Immerhin müssten Eurostat zufolge Spanier, die zur Miete wohnten, damit rechnen, bis zu 40 Prozent ihrer Einkünfte dafür aufzuwenden. In Italien, wo die Mieten etwas moderater sind, wären es 28 Prozent, in Deutschland nur 20.

In Italien und Spanien können sich Bürger im Notfall nicht auf Staat verlassen

Sozialwohnungen oder solche zu ermäßigten Mieten machen in Italien nur 10,7 Prozent und in Spanien 13,1 Prozent des vermieteten Wohnraums aus. In Deutschland sind es 19,3 Prozent, bei hoher Bestandssicherheit der Mietverhältnisse für alle, die es einmal geschafft haben, eine Mietwohnung in einer Genossenschaft zu ergattern.

Die hohe Sparneigung in Südeuropa hängt auch in hohem Maße mit dem geringen Vertrauen zusammen, das dem Staat entgegengebracht wird, wenn es um die Bewältigung von Notlagen geht. Die Pro-Kopf-Höhe an Sozialtransfers wie Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe liegt in Deutschland bei 10.792 Euro im Jahr, in Italien hingegen nur bei 7.857 und in Spanien bei 6.125. Die Wahrscheinlichkeit, in Notzeiten eigene Rücklagen angreifen zu müssen, ist dort deutlich höher.

Gleichzeitig sind die Steuern in Italien mit 48 Prozent jetzt schon fast so hoch wie in Deutschland und auch in Spanien liegen sie deutlich über dem OECD-Schnitt (36 Prozent). Zudem liegt das laufende Einkommen eines deutschen Haushalts pro Jahr mit 53.100 Euro deutlich über jenem in Spanien (34.500) und Italien (33.800).

Eine Konsumkrise lässt sich nicht mit höheren Steuern besiegen

Corona hat die Investitionen und den Konsum lahmgelegt. In einer solchen Situation die Steuerbelastung weiter zu steigern, würde diesen dauerhaft im Keller halten. In Italien oder Spanien würde ein Ansatz, wie Stelter ihn vorschlägt, zu einer Kapitalflucht ungeahnten Ausmaßes, zu Notverkäufen von Immobilien und einer Krise führen, die beide Länder noch auf Jahrzehnte von Transfers abhängig machen würde.

Der schlechte Deal für die Deutschen scheint vor diesem Hintergrund nicht die Solidarität mit Ländern wie Italien und Spanien zu sein, sondern die Bürger belastenden politischen Entscheidungen im eigenen Land – von der „Energiewende“ über Klimapakete bis hin zu hohen Lohnnebenkosten.



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