Unsicherheit in „Roter Zone“ in Norditalien – Quarantänegebiet mit Schlupflöchern

"Solange sie auf der Kreisstraße bleiben, ist es in Ordnung. Sie dürfen nicht die Nebenstraßen nehmen und in die Dörfer gehen", sagt ein italienischer Beamter. Und wie wird das überprüft? Der Uniformierte antwortet nur mit einem Schulterzucken.
Epoch Times25. Februar 2020

Der Soldat an der Straßensperre trägt keinen Mundschutz. Nähert er sich einem Autofahrer, zieht er seinen Schal über die Nase. Die Situation ist für ihn und die Menschen in der Lombardei neu. Seit Sonntag sind mehrere Dörfer und Städte in der norditalienischen Region abgeriegelt, um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu stoppen.

Zwei Zollfahrzeuge auf einem Kreisverkehr blockieren die Zufahrt nach Casalpusterlungo – eine der elf betroffenen Städte. Jenseits des Kreisverkehrs beginnt die sogenannte Rote Zone. Zehntausende Bewohner stehen dort unter Quarantäne, niemand darf das Gebiet verlassen – theoretisch.

Manche Autos, auch einige Radfahrer, lässt der Soldat dennoch passieren. „Die wohnen nicht in der Zone, sie sind nur durchgefahren“, erklärt er und räumt ein, dass die Abriegelung noch neu und nicht immer ganz strikt sei.

Offiziell dürfen nur Transporter mit Lebensmitteln und Medikamenten, medizinisches Personal, die Polizei und Menschen mit Sondergenehmigungen die „Rote Zone“ betreten. Viele Autos und Lastwagen werden zurückgeschickt, die meisten Fahrer bleiben ruhig. „Wo soll ich denn hin? Was soll ich denn machen?“, fragt einer jedoch verzweifelt.

„Im Allgemeinen ist die Bevölkerung sehr kooperativ“, sagt der Soldat. Auch von Panik ist nichts zu spüren. Was würde Angst schon bringen, meint Gianluca Bragalini und lächelt. Er arbeitet bei einem Wasserversorger und ist zusammen mit Kollegen auf dem Weg ins die „Rote Zone“. „Wir müssen sicherstellen, dass die öffentlichen Dienstleistungen funktionieren. Stellen Sie sich vor, das Trinkwasser würde knapp!“

Angela Grechi kommt zu Fuß an die Straßensperre. Sie macht sich Sorgen um 80 Katzen in der Gemeinde Somaglia, um die sich ihr Tierschutzverein kümmert. „Ich hatte gehofft, das Katzenfutter hier am Kreisverkehr unserem Mann vor Ort übergeben zu können. Aber man braucht die Erlaubnis der Präfektur“, sagt sie seufzend. „Ich weiß, es scheint lächerlich, sich um Katzen zu sorgen“, sagt Grechi und kehrt wieder um.

Quarantäne und geschlossene Einrichtungen

Elf Orte mit mehr als 50.000 Einwohnern stehen seit Sonntag unter Quarantäne. Italien ist das erste europäische Land, das derart drastische Maßnahmen ergreift, um die Coronavirus-Epidemie einzudämmen. Mehr als 200 Menschen in Norditalien haben sich mit dem Erreger der Lungenkrankheit Covid-19 infiziert, sieben Infizierte starben seit Freitag. In der ganzen Lombardei bleiben die Schulen eine Woche lang geschlossen und alle Sport- und Kulturveranstaltungen wurden abgesagt.

Einige Kilometer von Casalpusterlengo entfernt ist die Straße ebenfalls an einem Kreisverkehr abgeriegelt. Auch hier bleibt es ruhig, bis ein Krankenwagen in rasender Geschwindigkeit ins Sperrgebiet fährt. Der Fahrer trägt einen Schutzoverall, das gesamte Gesicht verschwindet hinter einer Maske.

Ein Mann spaziert mit seiner Frau und dem Baby im Kinderwagen aus der „Roten Zone“ zur Straßensperre. „Wir sind vorsichtig und halten uns von anderen Leuten fern“, sagt der 32 Jahre alte Schreiner.

Aus dem Quarantänegebiet berichtet er: „Es ist ruhig dort, es gibt keine Panikmache.“ Es sei aber „eine seltsame, absurde Situation“. Die Sorge des Schreiners gilt dem Familienunternehmen. „Ich bin gekommen, um die Carabinieri zu fragen, ob man innerhalb der Quarantänezone von einer Stadt zur anderen fahren darf“, sagt er. Eine klare Antwort bekommt er nicht.

In der Zwischenzeit lassen Polizisten mehrere Autos in die Zone einfahren. Warum, ist nicht ersichtlich. „Solange sie auf der Kreisstraße bleiben, ist es in Ordnung. Sie dürfen nicht die Nebenstraßen nehmen und in die Dörfer gehen“, sagt ein Beamter. Und wie wird das überprüft? Der Uniformierte antwortet nur mit einem Schulterzucken.

Krisentreffen in Rom

Italien ist binnen kurzer Zeit zum größten Herd des Virus in Europa geworden. In Rom findet deshalb am Dienstag ein Krisentreffen statt.

Zu den Beratungen lud die italienische Regierung unter anderen die Gesundheitsminister der Nachbarländer ein. Teilnehmen wird auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Bei dem Treffen soll nach Angaben des Zivilschutzes über mögliche gemeinsame Maßnahmen im Kampf gegen die Epidemie beraten werden.

Zuletzt starb in Italien ein 62-jähriger Mann aus dem Ort Castiglione d’Adda südlich von Mailand an der Coronavirus-Infektion. Laut Medienberichten soll er aber schon vor seiner Ansteckung an mehreren chronischen Krankheiten gelitten haben und auf Dialyse angewiesen gewesen sein.

Fußball-Liga vor leeren Rängen

Auch werden wegen der Epidemie mehrere bevorstehende Spiele der ersten italienischen Fußball-Liga vor leeren Rängen ausgetragen. Laut Sportminister Vincenzo Spadafora billigte die Regierung den Ausschluss des Publikums aus den Stadien bei Spielen der Serie A in Norditalien. Auch die Europa-League-Partie zwischen Inter Mailand und dem bulgarischen Meister Ludogorez Rasgrad am Donnerstag wird zum „Geisterspiel“, wie der italienische Club ankündigte.

Allerdings hat sich die Krise zuletzt außerhalb von China deutlich verschärft – mit insgesamt mehr als 2000 bestätigten Ansteckungsfällen und mindestens 30 Todesfällen in dutzenden Ländern. Größter Herd des Erregers außerhalb Chinas ist Südkorea. Dort stieg die Zahl der bestätigten Infektionsfälle bis Dienstag auf 893. Mindestens acht Menschen starben an dem Erreger. (afp)

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