Datennutzung ohne Widerspruchsrecht: „Das ist etwas, was nie durchs Parlament gehen wird.“

Diskussion um Entwurf der EU-Kommission zum Europäischen Gesundheitsdatenraum. Wer darf in welchem Umfang auf Informationen zugreifen?
Im Neurozentrum Tempelhof in Berlin ist eine elektronischen Patientenakte mit einem E-Rezept auf einem Bildschirm zu sehen.
Wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht, sollen Menschen keine Möglichkeit haben, eine Verwertung ihrer Patientendaten zu verweigern. Im Neurozentrum Tempelhof in Berlin ist eine elektronische Patientenakte mit einem E-Rezept auf einem Bildschirm zu sehen.Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Von 5. Juli 2023

In ihrem Entwurf für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) hat die EU-Kommission ein Widerspruchsrecht für die „Sekundärnutzung“ gar nicht erst vorgesehen. Das könnte nun Probleme bei der Beschlussfassung geben.

Tomislav Sokol, Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) und Berichterstatter der EU-Abgeordneten für den EHDS, hat dazu klar Position bezogen: „Das ist etwas, das niemals durch das Parlament gehen wird“, zitiert ihn das Nachrichtenportal „heise.de“.

Kommission will Daten im großen Stil zur Verfügung stellen

Nach dem Willen der EU-Kommission sollen Angaben etwa aus elektronischen Patientenakten „für Forschung, Innovation, Gesundheitswesen, Politikgestaltung und Regulierungszwecke“ im großen Stil zur Verfügung stehen.

Dabei soll den Betroffenen ein Widerspruchsrecht verwehrt bleiben. Dieser Bereich fällt unter den Begriff „Sekundärnutzung“. Bei der „Primärnutzung“ liegt der Schwerpunkt auf der Verwendung von Daten für Bürger und Angehörige der Gesundheitsberufe auf nationaler und EU-Ebene.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Förderung eines Binnenmarktes unter anderem für elektronische Patientendatensysteme (EHR) und medizinische Geräte.

Auch die Grünen wollen Freigabe erst nach Patienten-Zustimmung

Der Kroate Sokol schlug in seinem Entwurf für die Position der Volksvertreter zunächst eine sogenannte Opt-out-Regelung vor. Damit solle ein automatischer Zugriff etwa durch Pharmakonzerne auf die sensiblen Daten nicht möglich sein.

Patienten könnten damit Widerspruch gegen eine Sekundärnutzung einlegen. Im Mai sprach der 40-Jährige allerdings von einer „Herausforderung“ in dieser Frage. Dabei deutete er an, dass seine Idee möglicherweise chancenlos sei. Sokol betonte daher, dass ein Kompromiss zwischen den politischen Fraktionen gefunden werden müsse.

In Deutschland hatte sich eine Mehrheit der Bürger für einen Zugriff auf die elektronische Patientenakte (ePa) nur mit Zustimmung ausgesprochen. Auch die Grünen im EU-Parlament wollen daher eine Freigabe von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke grundsätzlich erst nach einer Einwilligung zulassen.

Ein solches Opt-in führt Sokol zufolge aber zu weit, wie er laut „Euractiv“ auf einer Konferenz der Denkfabrik „Centre for European Policy Studies“ (CEPS) am Donnerstag, 29. Juni, in Brüssel betonte. Damit hätten „wir einfach nicht genug Daten“, begründete er seine Haltung. Der EHDS würde so „nutzlos“.

Die Idee dahinter bestehe darin, große Datensätze („Big Data“) zu haben, um die Forschung etwa im Bereich seltener Krankheiten zu fördern. Es sei kompliziert, meinte der Verhandlungsführer. Es seien „nicht die medizinischen Fachkräfte, die die Daten nutzen“.

Vielmehr benötigten diese „Universitäten, die politischen Entscheidungsträger und natürlich die Industrie“. Dies sei „immer heikel“, räumte der EVP-Politiker ein.

Vorbehalte an Verwendung von „Big Data“ durch Politik

Für Sokol geht es darum, „ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit repräsentativer Datensätze, die tatsächlich nützlich sein können, und dem Schutz der Daten und der Privatsphäre der Patienten zu finden.“

Die unbequeme Frage dabei sei, wer und in welchem Umfang auf die Datensammlungen zugreifen könne. „Natürlich sind wir uns einig, dass es um Forschung und Innovation gehen sollte, aber was ist mit den politischen Entscheidungsträgern und in welchem Umfang?“

Außerdem gebe es im Parlament „große Vorbehalte“ gegen den Zugang zu Gesundheitsdaten von Firmen oder Behörden aus Drittländern. Die Mehrheit der Fraktionen sei dafür, diesen sehr eng zu begrenzen. Zudem habe die Debatte über Immaterialgüterrechte noch nicht einmal begonnen.

Dabei sind unter anderem Ausnahmebestimmungen für den Zeitraum klinischer Studien im Gespräch.



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