Die Gelder der Frau Lee – „Warum darf so eine Agentin ins Land?“

Kürzlich wurden britische Abgeordnete vor einer chinesisch-britischen Anwältin aus London gewarnt, die offenbar Spionage für die KP Chinas betrieb. Große Summen an Geldern flossen demnach an Abgeordnete und Parteien.
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Das Büro von Christine Lee & Co Solicitors in der Wardour Street am 13. Januar 2022 in London, England. Laut dem Inlandsgeheimdienst MI5 habe Frau Lee „im Namen der Kommunistischen Partei Chinas politische Einmischungsaktivitäten unternommen“.Foto: Rob Pinney/Getty Images
Von 19. Februar 2022

Mitte Januar gab der Sprecher des britischen Unterhauses, Sir Lindsay Hoyle, in einem Brief an die Abgeordneten bekannt, dass ihn der britische Inlandsgeheimdienst MI5 vor einer Chinesin gewarnt habe. Ein Name fiel: Christine Ching Kui Lee. Frau Lee ist eine chinesische Anwältin mit britischem Pass und Direktorin der Anwaltskanzlei „Christine Lee & Co Solicitors“, Birmingham. Den Angaben des Geheimdienstes nach soll sie „an politischen Einmischungsaktivitäten im Namen der Einheitsfrontabteilung der Kommunistischen Partei Chinas“ beteiligt sein.

Dem MI5-Schreiben nach soll Frau Lee als „eine Agentin der chinesischen Regierung“ identifiziert worden sein. Horrende Summen sollen an Abgeordnete und wohl auch an Parteien des ganzen politischen Spektrums in Großbritannien geflossen sein. Darunter auch an den Labour-Abgeordnete Barry Gardiner.

Rote Gelder für den Schattenminister

Gardiner war von 2016 bis 2020  Schattenminister für internationalen Handel im Kabinett der Labour Party unter deren damaligen Vorsitzenden Jeremy Corbyn. Gardiner war 2016 auch Energieminister. Einem „Daily Mail“-Bericht nach habe Gardiner Chinas Versuche unterstützt, sich stärker in der britischen Atomindustrie zu engagieren.

Frau Lees großzügige Zuwendungen begannen 2015 und endeten nach Gardiners eigenen Angaben im Juni 2020. Insgesamt soll der sozialdemokratische Politiker von der Chinesin rund 670.000 Pfund (791.000 Euro) erhalten haben – fast ausschließlich für seine Personalkosten. Dies geht aus den Registern der Wahlkommission hervor. Gardiner beteuerte, persönlich habe er „in keiner Weise von diesen Spenden profitiert“.

Bis zum Bekanntwerden des Falls arbeitete zudem der Sohn Anwältin im Parlamentsbüro des Abgeordneten Gardiner. Er kündigte kürzlich und verlor damit dem Zeitungsbericht nach den privilegierten Zugang zum Parlamentsgebäude. Es gebe allerdings keine Hinweise, dass er in die Aktivitäten seiner Mutter verwickelt sei, heißt es. Der „Daily Mail“ nach soll besagte Frau Lee auch an andere Teile der Labour-Partei (Arbeiterpartei) gespendet haben. Von Hunderttausenden Pfund ist die Rede. Fragen bezüglich Christine Lee kamen erstmals vor fünf Jahren auf. Maßnahmen wurden jedoch keine ergriffen.

Der Vorsitzende der oppositionellen Labour Party, Jeremy Corbyn (R), und der Schattenminister für internationalen Handel, Barry Gardiner, bei einer Pressekonferenz in London am 27. November 2019. Foto: Tolga Akmen / AFP via Getty Images

China sanktioniert die Wahrheit

Die konservative walisische Abgeordnete Fay Jones (Conservative Party) nannte den Fall Christine Lee eine besorgniserregende Entwicklung und begrüßt die Ankündigung einer Untersuchung durch den britischen Wirtschaftsminister. Großbritannien müsse um jeden Preis vor der Einmischung ausländischer Akteure geschützt werden, sagte Jones laut dem in ihrem Wahlkreis berichtenden „The Brecon & Radnor Express“. Die Abgeordnete erinnerte in diesem Zusammenhang auch daran, mit wem man es eigentlich zu tun hat.

„Die Kommunistische Partei Chinas ist verantwortlich für die Aufrechterhaltung eines brutalen und unterdrückerischen Regimes. Die systematische Verletzung der Menschenrechte, insbesondere gegen die uigurische Bevölkerung, ist gut dokumentiert und wird trotz internationaler Verurteilung fortgesetzt.“ Jones erinnerte an den Preis dafür, seine Stimme gegen die Unterdrückung zu erheben. „Fünf konservative Mitglieder des Unterhauses unterliegen derzeit chinesischen Sanktionen, nachdem sie sich mutig gegen das grausame kommunistische Regime und seine Behandlung der Uiguren ausgesprochen haben.“

Einer dieser sanktionierten Abgeordneten, der ehemalige Parteivorsitzende der Conservative Party und langjährige ehemalige Arbeitsminister Großbritanniens, Sir George Iain Duncan Smith, sagte gegenüber „Sky News“, dass Christine Lee gezwungen werden sollte, Großbritannien zu verlassen, und er sich Sorgen um die Menschen mache, denen er bei der Flucht vor dem chinesischen Regime helfe. Für den Politiker sei das Wirken von Frau Lee „eindeutig eine Form der Spionage“ und er wunderte sich, dass man sie „nicht rausgeschmissen“ habe: „Warum um Himmels willen darf so eine Agentin ins Land?“

Der Abgeordnete Iain Duncan Smith am 12. Juni 2021 in London auf einer Kundgebung für die Demokratie in Hongkong. Foto: Laurel Chor/Getty Images

Auf Twitter zweifelte Iain Duncan Smith an den britischen Gesetzen: Wie könne es sein, dass gegen eine „Agentin einer ausländischen despotischen und verabscheuungswürdigen Macht“ nichts getan werden könne, außer dass sie nicht ins Parlament dürfe?

Großbritanniens Innenministerin Priti Patel erklärte, dass sie wisse, „dass es für viele sehr beunruhigend ist, dass eine Person, die wissentlich politische Einmischung im Namen der Kommunistischen Partei Chinas betrieben hat, Parlamentarier ins Visier genommen hat“. Sie erklärte jedoch auch, dass die Beteiligung der chinesisch-britischen Anwältin an den Geschehnissen derzeit noch „unterhalb der kriminellen Schwelle“ liege. Innenministerin Patel fügte hinzu, dass gerade geprüft werde, welche weiteren Maßnahmen die Regierung ergreifen könne, und dass sie sich dafür einsetzen werde, dass es eine Änderung durch das Gesetz geben werde.

Frau Lee und die Einheitsfront der KPC

Über die in Hongkong geborene Frau Lee weiß man, dass sie früher als leitende Rechtsberaterin der chinesischen Botschaft in London und Rechtsberaterin des Büros für chinesische Angelegenheiten in Übersee fungierte. Sie ist außerdem Sekretärin der parteiübergreifenden China-Gruppe in Westminster und gründete 2006 das British-Chinese-Project, um Chinesen zu ermutigen, in Großbritannien zu wählen. Laut dem Geheimdienst habe sie„verdeckt in Abstimmung mit der United Front Work Department der Kommunistischen Partei Chinas (UFWD) gehandelt“.

Bei der UFWD handelt es sich um die sogenannte Einheitsfrontabteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas. Diese führt Spionageoperationen für die Partei durch und versucht im Ausland, Vertreter und Führer verschiedener ethnischer Minderheiten, politischer Gruppen und religiöser Bewegungen für das KP-Regime zu gewinnen. Nach Angaben der in Frankfurt ansässigen Menschenrechtsorganisation IGFM sei es das Ziel der Einheitsfront, „bedeutende Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft für die Ziele der Partei einzubinden“. Gleichzeitig sei die Einheitsfront aber auch dafür zuständig, „schädliche Elemente“ aufzuspüren und sie unschädlich zu machen.



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