Die Scheidung: Wie und wann wird ein Brexit vollzogen?

Wer reicht die Scheidung ein? Das muss London machen. Die Regierung stellt in Brüssel einen Antrag. Nur: Der scheidende Premierminister David Cameron will das seinem Nachfolger überlassen.
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Soll sich künftig wieder mehr entfalten können. Der Union Jack fast gänzlich verdeckt von einer EU-Flagge.Foto: Andy Rain/dpa
Epoch Times27. Juni 2016
Er ist quasi der Scheidungsanwalt der Europäischen Union: Der belgische Topdiplomat Didier Seeuws wird für den EU-Ministerrat die sogenannte Brexit-Task-Force leiten. Er ist Kummer gewohnt.

Als engster Mitarbeiter des früheren Gipfelchefs Herman Van Rompuy kennt er sich gut in heiklen Europa-Themen aus. Die Personalie ist aber quasi schon alles, was man über die Modalitäten der Scheidung weiß. Die nächsten Tage könnten mehr Klarheit geben.

Wer reicht die Scheidung ein? 

Das muss London machen. Die Regierung stellt in Brüssel einen Antrag. Nur: Der scheidende Premierminister David Cameron will das seinem Nachfolger überlassen. Und der soll spätestens bis Oktober gefunden sein. Dann will Cameron abtreten. Als Aspirant gilt Boris Johnson, Ex-Bürgermeister in London und exzentrischer Brexit-Verfechter. „Es gibt keine Eile“, meinte Johnson schon.

Wie lange könnte die Scheidung dauern?

Der Artikel 50 des EU-Vertrags regelt den Ablauf der Scheidung. Für sie ist zwei Jahre Zeit. Wenn alle zustimmen, kann die Frist aber sogar noch verlängert werden. Dabei heißt es im Volksmund: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Würde die EU so eine Hängepartie mitmachen?

Schon in der Frage, wann London den Antrag einreichen soll, sind sich die führenden Köpfe in Brüssel und den anderen EU-Hauptstädten uneins. EU-Parlamentschef Martin Schulz drückt auf die Tube und hätte am liebsten, dass Cameron den Antrag schon beim EU-Gipfel am Dienstag stellt. Kanzlerin Angela Merkel geht da sanfter mit den Briten um. Es gebe keinen Grund „jetzt besonders garstig zu sein“, sagte Merkel. Prompt hieß es aus Brüssel, Cameron müsse nicht sofort liefern.

Müsste der Premier in London nicht eh erst das Parlament fragen?

Ja, meint der deutsche Verfassungsrechtler Hans-Peter Schneider. „Das britische Parlament muss am Austrittsverfahren beteiligt werden. Es hat stets das letzte Wort“, sagte der emeritierte Juraprofessor. Auch das kann natürlich dauern.

Wird die Scheidung eventuell gar nicht vollzogen?

Die Regierung und das Parlament müssen sich – rein rechtlich gesehen – nicht an das Ergebnis des Referendums halten. Bisher galt es als sicher, dass die Abgeordneten sich dem Mehrheitswillen beugen. Doch der Druck der Brexit-Gegner nimmt zu. Im Internet haben Millionen eine Petition pro Exit vom Brexit gezeichnet. Ihr Argument: 52:48 sei viel zu knapp für eine solche historische Weichenstellung. Schneider macht ihnen Hoffnung: „Das Parlament kann jederzeit ein neues Referendum über dieselbe Frage einleiten und ein entsprechendes Gesetz verabschieden.“

(dpa)


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