„Doch kein Gewitter“ – Die Verantwortung der Meteorologen

Meteorologen können sich manchmal irren, aber nicht an Feiertagen? Kann eine falsche Vorhersage zur Entlassung des Leiters des meteorologischen Dienstes führen? In diesem Jahr ist der vorhergesagte Sturm am Jahrestag der ungarischen Staatsgründung nicht eingetroffen. Aber auch das Feuerwerk, das aufgrund der Wettervorhersage abgesagt worden war, fiel aus. Die Meteorologen wurden mit sofortiger Wirkung entlassen.
Kein Feuerwerk zum Nationalfeiertag in Ungarn - Chef-Meteorologen entlassen.
Das ungarische Parlament spiegelt sich in der Donau in Budapest.Foto: Ludovic Marin/AFP via Getty Images
Von 24. August 2022

Der 20. August ist in Ungarn ein besonderer Tag. Die Feier der Staatsgründung ist der größte Nationalfeiertag des Landes, mit einem großen Feuerwerk und Aufführungen. Die Menschen kommen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt, nicht zu vergessen die zahlreichen Touristen.

In diesem Jahr sagten die Meteorologen in den frühen Morgenstunden Regenwetter für den Abend voraus. Nach langen Überlegungen und wiederholten meteorologischen Bestätigungen beschloss die zuständige Regierungsstelle schließlich, das Feuerwerk abzusagen.

Diese Entscheidung ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass vor 16 Jahren ein Sturm fünf Todesopfer und Hunderte von Verletzten unter den Zuschauern forderte. Am 20. August 2006 lösten starke Windböen während des Feuerwerks eine Massenpanik unter den mehr als eine halbe Million Zuschauern aus.

Der Sturm ist doch nicht gekommen

75 bis 80 Prozent Gewitterwahrscheinlichkeit in den Abendstunden lautete die diesjährige Prognose. Eingetreten sind die anderen 20 bis 25 Prozent. Am Samstagabend regnete es in der ungarischen Hauptstadt nicht, sondern es herrschte angenehmes, leicht bewölktes Wetter. Es hätte also kein Hindernis für ein Feuerwerk gegeben.

In einer Erklärung entschuldigten sich die Meteorologen des Nationalen Meteorologischen Dienstes für die entstandenen Unannehmlichkeiten:

Der damals unwahrscheinlichste Fall trat ein. Dieser Unsicherheitsfaktor ist leider unserem Beruf inhärent, und wir haben versucht, dies zu kommunizieren. Wir entschuldigen uns für etwaige Unannehmlichkeiten!“

Kurz nach der Ankündigung des Nationalen Meteorologischen Dienstes entließ der zuständige Minister, László Palkovics mit sofortiger Wirkung die Präsidentin des Dienstes, Kornelia Radics, und den stellvertretenden Vorsitzenden, Gyula Horváth. Das teilte das Ministerium am Nachmittag des 22. August mit. In dem Schreiben wurden keine Gründe genannt. Über die neuen Leiter werde später entschieden.

Entlassung statt Arbeitslager

16 Führungskräfte des Nationalen Meteorologischen Dienstes haben in einer Erklärung gegen die Entlassung ihrer Vorgesetzten protestiert und erklärt, dass sie einen klaren Zusammenhang zwischen den Entlassungen und der – mathematisch korrekten – Vorhersage sehen. Die Entscheidung, das Feuerwerk abzusagen, haben andere getroffen.

In ihrer Stellungnahme erklärten die Meteorologen, dass sie unter ständigem Druck der Regierung stünden. Sie brachten auch ihre professionelle Ansicht zum Ausdruck, dass das Fehlerpotenzial in diesem Beruf sehr hoch sei und dass diese Entlassungen bedeuten würden, dass der Berufsstand seine wissenschaftliche Unabhängigkeit verliere und nicht mehr in der Lage wäre, die von ihm erwartete Rolle zu erfüllen.

Wir sind der festen Überzeugung, dass unsere Kolleginnen und Kollegen am OMSZ (Nationaler Meteorologischer Dienst), trotz des erheblichen Drucks von Seiten der Entscheidungsträger ihr Bestes gegeben haben, und nicht für einen vermeintlichen oder tatsächlichen Schaden verantwortlich sind.“

Ein renommierter Schriftsteller sowie Mitglieder der Ungarischen Akademie der Wissenschaften haben ebenfalls ihren Protest zum Ausdruck gebracht.

Die Akademiker erklärten: „In den letzten Tagen wurde an das Schicksal eines sowjetischen und eines ungarischen Meteorologen erinnert, die wegen ihrer ungünstigen oder irreführenden Wetterberichte in ein Zwangsarbeitslager geschickt wurden (der russische Wissenschaftler wurde später hingerichtet). Wir stellen erfreut fest, dass wir noch nicht so weit sind. Allerdings wurden zwei Leiter des Nationalen Wetterdienstes entlassen, was in einem eindeutigen und unbestreitbaren kausalen Zusammenhang mit der Prognose des Dienstes vom 20. August steht.“

Stellung der Regierung: der letzte Strohhalm

In seiner Antwort auf die Fragen, die im Rahmen des Informationsforums der Regierung aufgeworfen wurden, sagte Gergely Gulyás, Minister im Ministerpräsidentenamt, dass die Prognose vom 20. August nicht der Grund für die Entlassung der Leiter war, sondern nur der letzte Strohhalm. Er argumentierte, dass dieser Fehler allein nicht die Grundlage für derartige Konsequenzen sein kann. Es habe schon früher Probleme mit der mangelnden Kompetenzentwicklung des Managements gegeben.

Er behauptete, dass es sich um eine „fachliche Angelegenheit“ handele und dass die Regierung mit dem Entlassungsvorschlag des zuständigen Ministers „völlig einverstanden“ sei und ihre Position nicht ändern werde.

Die Forderung des meteorologischen Dienstes nach einer unabhängigen Untersuchungskommission wird von der Regierung als unbegründet angesehen. Gulyás fügte hinzu, dass auch viele beruflich anerkannte Meteorologen glauben, dass ein beruflicher Fehler begangen wurde.

Laut Kritikern der Regierung wurde die Arbeit der beiden Chefmeteorologen jedoch noch nie von der Regierung öffentlich kritisiert.

Lieber kein Feuerwerk statt erneut Tote

Im März diesen Jahres sagte Landwirtschaftsminister István Nagy: „Wir können mit Stolz sagen, dass wir in den Jahrhunderten der ungarischen Meteorologie und in den mehr als 150 Jahren der Tätigkeit des Nationalen Meteorologischen Dienstes so viel Erfahrung und modernes Wissen angesammelt haben, aus dem wir auch in Zukunft Nutzen ziehen können.“

Auf Anfrage des ungarischen Online-Nachrichtenportals index.hu erklärte eine der bekanntesten ungarischen Meteorologinnen, Lucia Pártai, dass sie am 20. August als Meteorologin für Eumet gearbeitet habe. Mit Hilfe fortschrittlicher britischer und amerikanischer Technologie sahen sie am Samstagmorgen schon, dass der Sturm rechtzeitig vorbeiziehen wird. Sie fügte aber hinzu, dass „es immer noch ein besseres Szenario war als 2006, als die Warnungen vor einem Sturm, der für die Feuerwerkszeit vorhergesagt war, die Bevölkerung nicht einmal erreichten“.



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