Dreistündiges Gespräch mit Putin: Xi skizziert seine Vision einer neuen Weltordnung

Der chinesische Staatschef Xi Jinping und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin trafen sich am Mittwoch, 18. Oktober, in Peking. Die Botschaften der beiden Staatsoberhäupter deuteten auf eine neue „Achse des Bösen“ hin, so ein Analyst.
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Der russische Präsident Wladimir Putin (r.) und der chinesische Staatschef Xi Jinping auf dem dritten Neue-Seidenstraße-Forum für internationale Zusammenarbeit in der Großen Halle des Volkes in Peking, 18. Oktober 2023.Foto: Grigory Sysoyev/Pool/AFP via Getty Images
Von 19. Oktober 2023


Auf ihrem gestrigen Treffen tauschten der russische Staatschef Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping herzliche Grüße aus. Sie bezeichneten sich gegenseitig als „alte“ und „liebe“ Freunde und begrüßten die Vertiefung des „politischen gegenseitigen Vertrauens“.

Der russische Staatschef lobte auch Xis Projekt der „Neuen Seidenstrasse“ („Belt and Road Initiative“, BRI, auch bekannt als „One Belt, One Road“) für ihre vermeintliche Rolle bei der Förderung einer „gerechteren, multipolaren Welt“ – einer neuen Weltordnung.

Zum Abschluss der Gespräche, die vor dem Hintergrund der Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten stattfanden, sagte Putin auf einer Pressekonferenz, dass bei dem dreistündigen Treffen verschiedene Themen – von der Wirtschaft bis zum politischen Engagement – behandelt wurden.

In der Diskussion wurde „die Situation im Nahen Osten ausführlich erörtert“, sagte Putin vor Reportern in Peking. Zudem hat Putin Xi Jinping „detailliert über die Lage in der Ukraine informiert.“

Der russische Staatschef bezeichnete die Konflikte in der Welt als „gemeinsame Bedrohungen“, was die Beziehungen zwischen Moskau und Peking stärke.

Putin erklärte, er habe „etwa anderthalb oder zwei Stunden“ über „sehr vertrauliche“ Themen gesprochen. Er nannte keine weiteren Einzelheiten zu den Gesprächen, sprach aber von einem „sehr produktiven und substanziellen“ Teil des Treffens.

Putin ordnete am 24. Februar 2022 eine Invasion in der Ukraine an. Das passierte weniger als drei Wochen, nachdem er und Xi am Eröffnungstag der Olympischen Winterspiele in Peking eine „Partnerschaft ohne Grenzen“ erklärt hatten. Seitdem hat Xi davon abgesehen, den Angriff zu verurteilen, und sich geweigert, Moskaus Vorgehen als Invasion zu bezeichnen.

Stattdessen beschuldigt die Kommunistische Partei Chinas (KPC) die Vereinigten Staaten, den Konflikt angezettelt zu haben, und hat ihren Handel mit Russland ausgeweitet. Für Moskau eine lebenswichtige Verbindung, da das Land von westlichen Sanktionen betroffen ist.

Vielschichtig verflochten

Der Handelsumsatz zwischen den beiden Nachbarn hat die Marke von 190 Milliarden Euro überschritten, sagte Putin zu Beginn des Treffens zu Xi. Er betonte, dass eine enge außenpolitische Koordinierung aufgrund der, wie er es nannte, „derzeit schwierigen Bedingungen“ besonders wichtig sei.

Xi bezeichnete Putin als seinen „alten Freund“ und wies darauf hin, dass sie sich in den vergangenen zehn Jahren 42 Mal getroffen und „eine gute Arbeitsbeziehung und tiefe Freundschaft“ entwickelt hätten, wie aus von Chinas Staatsmedien veröffentlichten Videoclips hervorgeht.

Das „politische gegenseitige Vertrauen“ der beiden Länder vertiefe sich, sagte Xi und bezeichnete ihre strategische Koordination als „eng und effektiv“.

Chinesischen Staatsmedien zufolge bekräftigte Xi die Unterstützung seines Regimes für Russland bei der Wahrung seiner nationalen Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen. Putin unterstützte im Gegenzug die territorialen Ansprüche Pekings auf das selbstverwaltete Taiwan.

Der jüngste Austausch zwischen den beiden Führern fand vor dem Hintergrund des Krieges zwischen Israel und der Hamas statt. Als Reaktion auf die Hamas-Anschläge vom 7. Oktober, die im jüdischen Staat mindestens 1.400 Tote und Tausende Verletzte forderten und bei denen mindestens 199 Menschen als Geiseln genommen worden waren, hat Israel Luftangriffe im Gazastreifen durchgeführt.

US-Präsident Joe Biden traf am 18. Oktober in Tel Aviv ein, um seine Unterstützung für Israel zu demonstrieren.

Moskau hat die Politik Washingtons für den derzeitigen Krieg zwischen Israel und der Hamas verantwortlich gemacht. Peking verurteilte zwar die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, ergriff aber keine Partei und erklärte, es sei ein Freund Israels und der Palästinenser. Am 14. Oktober forderte Chinas Außenminister Wang Yi Israel auf, seine Militäraktionen einzustellen, da es mit seiner Reaktion auf den grenzüberschreitenden Angriff der Hamas-Terroristen vor mehr als einer Woche „über die Selbstverteidigung hinausgegangen“ sei.

Neue „Achse des Bösen“

Vor seinem Treffen mit Putin hatte Xi am selben Tag in seiner Eröffnungsrede auf dem Forum zum 10. Jahrestag seines Vorzeigeprojekts, der BRI, den Vereinigten Staaten einen Seitenhieb verpasst.

Ohne das Land beim Namen zu nennen, sprach sich Chinas Staatschef gegen „einseitige Sanktionen, wirtschaftlichen Zwang, Abkopplung und Unterbrechung der Lieferkette“ aus und bezog sich dabei auf Washingtons Bemühungen, gegen die unfairen Handelspraktiken der KPC und den Diebstahl geistigen Eigentums in den letzten Jahren vorzugehen.

Gleichzeitig stellte Xi sein Billionen Euro schweres Infrastrukturprojekt als globale Plattform für Zusammenarbeit und Wohlstand dar. Nach Xi lobte der russische Staatschef das Projekt der „Neuen Seidenstraße“ für seine Rolle bei der Schaffung einer „gerechteren, multipolaren Welt“.

Die Botschaften der führenden Politiker Russlands und Chinas sind für außenstehende Beobachter nicht überraschend.

„Putin verlässt sich jetzt auf die wirtschaftliche Unterstützung Chinas“, sagte Su Tzu-yun, ein leitender Analyst an Taiwans staatlich finanziertem Institut für nationale Verteidigungs- und Sicherheitsforschung, gegenüber Epoch Times.

Die Äußerungen der beiden Staatsoberhäupter verdeutlichten zudem, dass sich eine neue „Achse des Bösen“ gebildet habe, so Cheng Chin-mo, Experte für Russland und internationale Beziehungen an der taiwanischen Tamkang-Universität.

Diese neue Achse, zu der der Kreml, die Kommunistische Partei Chinas, Nordkorea und Teheran gehören, ziele darauf ab, die von den westlichen Demokratien gebildete Allianz herauszufordern, so Cheng gegenüber der Epoch Times.

„Mit anderen Worten: Es ist ein neuer Kalter Krieg entstanden.“

„Rückgrat der neuen Weltordnung“

Experten warnen seit Langem vor dem Ziel Chinas, eine neue Weltordnung zu schaffen.

Im Jahr 2020 schrieb Nadège Rolland, eine angesehene Mitarbeiterin des US-amerikanischen National Bureau of Asian Research, in einem Artikel, die Neue Seidenstraße sei das „Rückgrat der neuen Weltordnung, die die chinesische Führung anstrebt.“

„Ihre verschiedenen Komponenten dienen dazu, Chinas langfristigen Einfluss in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu festigen. Dieser stückweise Erwerb von Einfluss, der von Opportunismus getrieben ist, wird auch von einer strategischen Logik geleitet, die auf die Maximierung der Macht abzielt“, schrieb sie.

Rolland wiederholte ihren Standpunkt in einem Papier aus dem Jahr 2021.

„Die BRI zeichnet nicht nur die fiktive Karte von Chinas gewünschter Einflusssphäre, sondern dient auch als Testfeld für das von der chinesischen Führung angestrebte Subsystem, in dem China im Zentrum einer neuen wirtschaftlichen und politischen Ordnung steht und zunehmend Einfluss auf abhängige Länder ausübt“, kritisierte sie.

China und Russland arbeiten seit 2014 im Rahmen der BRI zusammen, wie Chinas staatliche Medien berichten.

Eurasische Wirtschaftsunion

Ein Artikel im Bericht 2019 des Internationalen Sicherheitsforums Bonn legt nahe, dass der Kreml Chinas BRI als Mittel zur Förderung seiner Ambitionen betrachten könnte. In dem von Dr. Vladislav Belov, einem stellvertretenden Direktor der Russischen Akademie der Wissenschaften, verfassten Artikel heißt es, dass die BRI „als alternativer Ansatz für die Umgestaltung der Weltordnung ‚von unten‘ betrachtet werden könnte.“

Belov argumentierte, dass die BRI mit der von Russland dominierten Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) – einem Zusammenschluss ehemaliger Sowjetstaaten – „im Einklang“ stehe.

„Die Verknüpfung dieser Projekte legt nahe, dass Moskau und Peking neue Formen der Weltordnung aufbauen, die effektiver sind als ähnliche Ansätze im Westen“, schrieb er.

Rabbi Aryeh Lightstone, ehemaliger Berater des US-Botschafters in Israel, David Friedman, sagte am 17. Oktober gegenüber NTD, dem Schwestermedium der Epoch Times, dass die Welt eine Neuordnung der globalen Machtdynamik erlebe.

„Wir erleben, dass Amerika auf der Weltbühne unglaublich schwach ist. Und wir sehen, dass andere dies ausnutzen“, sagte Lightstone im Vorfeld der Gespräche zwischen Putin und Xi. Er fügte hinzu, dass die von der Hamas begangenen Gräueltaten etwas seien, „das es seit den Zeiten des Holocaust nicht mehr gegeben hat“.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Putin Hails Deepened Ties With China as Xi Outlines His Vision for New World Order“ (deutsche Bearbeitung jw)



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