„Dysfunktionale Demokratie“ im US-Kongress: Warum wurde McCarthy abgewählt?

Die Abwahl von Repräsentantenhaussprecher McCarthy durch Demokraten und acht Republikaner stellt die Mehrheitsfraktion vor eine schwierige Nachfolgedebatte. Zudem steigt der Druck im Haushaltsstreit – die Zeit droht, knapp zu werden.
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Parteirebellen aus den Reihen der Republikaner haben zusammen mit den Demokraten den Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy des Amtes enthoben.Foto: Win McNamee/Getty Images
Von 4. Oktober 2023

Nach der Abwahl des Repräsentantenhaussprechers Kevin McCarthy am Dienstag, dem 3. Oktober, droht den USA eine weitere Verschärfung des Haushaltsstreits. Zusammen mit den Demokraten hatten sieben Republikaner für eine Mehrheit von 216 zu 210 Stimmen zugunsten einer Amtsenthebung gesorgt. McCarthy hatte seit 2019 die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus geführt. Nachdem die Republikaner im Vorjahr dort die Mehrheit zurückgewonnen hatten, übernahm er den Posten des Sprechers.

Von Beginn an in einer angreifbaren Position

Seine Position war von Beginn an schwach gewesen. Er benötigte 15 Wahlgänge, um Sprecher zu werden. Vor allem der fiskalisch konservative Flügel der Republikaner hatte starken Druck ausgeübt. Schon damals erzwangen innerparteiliche Kritiker eine Regelung in der Geschäftsordnung, wonach ein einzelner Abgeordneter einen Absetzungsantrag stellen könne.

Von dieser Möglichkeit machte nun Matt Gaetz Gebrauch. Der aus Florida stammende Kongresspolitiker gilt als der Wortführer der Rebellen in den eigenen Reihen. Neben ihm stimmten noch folgende republikanische Abgeordnete für die Abwahl: Andy Biggs (Arizona), Tim Burchett (Tennessee), Ken Buck (Colorado), Matt Rosendale (Montana), Nancy Mace (South Carolina), Cory Mills (Florida) und Eli Crane (Arizona).

Hintergrund der Eskalation ist die Haushaltsdebatte. Bis Mitte November gilt noch ein 45-tägiger Übergangshaushalt. Diesen hatte McCarthy am 30. September bereits gegen erheblichen Widerstand aus den eigenen Reihen mit den Demokraten in Kraft gesetzt.

Enttäuschte Republikaner: „McCarthy hat Versprechen nicht gehalten“

Gegenüber der englischsprachigen Epoch Times erklärten mehrere Republikaner, von der Entwicklung nicht überrascht zu sein. McCarthy habe innerparteilich Vertrauen verspielt. Noch im Januar hatte er anlässlich der Wahl zum Sprecher erklärt, die Bundesausgaben auf das Niveau von vor der Corona-Pandemie zurückzuschrauben.

Stattdessen hatte er sich im April mit Präsident Joe Biden auf ein Paket zur Erhöhung der Schuldenobergrenze verständigt. Diesem zufolge wurde es möglich, das Niveau der Bundesausgaben auf dem Niveau von 2020 zu belassen. Damals hatte Präsident Donald Trump ein Notpaket im Zeichen von Corona geschnürt.

Dieser Schritt hatte zahlreiche seiner Parteikollegen gegen McCarthy aufgebracht. Er hatte dann auch zugesagt, fortlaufende Budgetbeschlüsse oder Sammelausgaben zu vermeiden und die „reguläre Ordnung“ wiederherzustellen. Diese besteht in beiden Kammern des Kongresses darin, im Frühjahr in den Ausschüssen ein Dutzend größerer Ausgabenvorlagen zu erarbeiten.

Diese sollen im Sommer und Frühherbst vor dem 30. September, dem Ende des Haushaltsjahres der Bundesregierung, debattiert, abgeändert und schließlich verabschiedet werden. McCarthy hat es nach Überzeugung vieler republikanischer Abgeordneter versäumt, diese Prozedere durchzusetzen und dabei deutliche Ausgabenkürzungen zu erzwingen.

Im November droht erneut der Shutdown

Als sich keine Einigung abzeichnete, forderten Fiskalkonservative McCarthy dazu auf, die traditionelle Sitzungspause des Repräsentantenhauses im August abzusagen. Der Sprecher kam diesem Ansinnen jedoch nicht nach.

Ob eine Absage Druck aus dem Haushaltskonflikt genommen hätte, ist ungewiss. Fakt ist jedoch, dass die Zeit nach der Rückkehr der Abgeordneten nicht mehr auszureichen drohte, um den Haushalt für 2024 zu schnüren. Ein „Shutdown“, der ein Ende der Gehälter für Regierungsbeamte bedeutet hätte, war zum Greifen nahe – und droht nun im November erneut.

Nun sind vier von zwölf Vorlagen verabschiedet, die 74 Prozent aller Ermessensausgaben des Bundes abdecken. Am 29. September scheiterte ein erster Übergangshaushalt, der 30 Tage gelten sollte, die Ermessensausgaben um acht Prozent gekürzt und einen stärkeren Grenzschutz im Süden vorgeschrieben hätte.

Der am 30. September beschlossene Übergangshaushalt behält das derzeitige Ausgabenniveau bei und gilt für 45 Tage. Er sieht keine Hilfen für die Ukraine vor. Die Demokraten mussten sich zwischen dieser und den eigenen Beamten entscheiden – und votierten gegen einen drohenden Shutdown.

Republikaner wollen kommende Woche Nachfolger für McCarthy präsentieren

Gegenüber der englischsprachigen Epoch Times wirft ein Abgeordneter McCarthy vor, sein Wort nicht gehalten zu haben. Stattdessen habe er sich als zögerlich und unentschlossen erwiesen:

Er war ein unfähiger Anführer, der keine Vision hatte, die uns dazu gebracht hätte, diese Ausgabengesetze durchzubringen. Das hätte er tun sollen, das hat er versprochen, aber er hat es nicht getan.“

Nun wird das Repräsentantenhaus mindestens eine weitere Woche verlieren, um zu einer Einigung auf einen regulären Haushalt zu kommen. Als Interimsvorsitzender wird der Republikaner Patrick McHenry die Geschäfte führen, politische Entscheidungen wird er jedoch nicht treffen.

Bis Mitte der kommenden Woche wollen sich die Republikaner nun beraten, wer McCarthy in dessen Funktion als Sprecher nachfolgen könnte.

Favorit auf Nachfolge wegen Krebserkrankung in Behandlung

Von den Parteirebellen kommt keiner infrage, sie gelten nicht als mehrheitsfähig. McCarthy selbst wird zwar sein Mandat behalten, steht für eine neuerliche Kandidatur jedoch nicht zur Verfügung. Als möglicher Nachfolger wird unter anderem Mehrheitsführer Steve Scalise aus Louisiana genannt.

Er gilt auch unter konservativen Republikanern als konsensfähig – allerdings steht er wegen eines Multiplen Myeloms in Behandlung. Dabei handelt es sich um eine von den Plasmazellen des Knochenmarks ausgehende Krebserkrankung. Den Behandlungsfortschritt bezeichnet der Politiker als intakt. Als weitere potenzielle Kandidaten gelten beispielsweise der Justizausschussvorsitzende Jim Jordan (Ohio) und der Vorsitzende des Heimatschutzausschusses, Mark Green (Tennessee).

Unterstützer des bisherigen Sprechers zeigen sich enttäuscht über den Schritt und befürchten einen Schaden für die Partei. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Repräsentantenhauses, Michael McCaul (Texas), sprach von einer „dysfunktionalen Demokratie“, die dabei zum Ausdruck komme. „Und das ist nicht gut für das Land.“

Der Abgeordnete Tom Cole (Oklahoma) wirft den Parteirebellen vor, „keinen Plan“ zu haben. Die Republikaner würden sich allerdings nicht selbst zerstören. Die Demokratin Annie Kuster (New Hampshire), wirft McCarthy vor, sich von der „extremsten Seite seiner Partei“ abhängig gemacht zu haben. Diese hätte jetzt „im Wesentlichen die Kontrolle“, auch wenn dies „nicht den Willen des Volkes widerspiegelt“.



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