Ein unterfränkischer Acker wird neuer Mittelpunkt der EU

Der EU-Austritt Großbritanniens hat nicht nur politische, sondern auch geografische Folgen. Der EU-Mittelpunkt rückt von Belgien nach Deutschland. Und dort wo jetzt ein Acker ist, soll eine Blumenwiese entstehen.
Titelbild
Symbolbild.Foto: istock
Epoch Times29. Januar 2020

Nach Jahren immer neuer Verschiebungen des Brexits können im unterfränkischen Gadheim am Freitag die Sektkorken knallen. Mit dem Abschied der Briten aus der Europäischen Union wird der Ortsteil von Veitshöchheim der neue geografische Mittelpunkt der Europäischen Union.

Bürgermeister Jürgen Götz schwankt angesichts der künftigen Rolle zwischen Stolz und Verdruss – der Stolz gilt dem neuen Status, der Verdruss dem Abschied Großbritanniens.

„Dieser Punkt wird zukünftig der neue geografische Mittelpunkt der EU sein,“ sagt Götz und zeigt dabei auf einen rot-weißen Markierungsstab, den die Gemeinde auf einem Felsbrocken anbringen ließ.

Es sei natürlich „etwas Historisches“, sagt Götz. Er blickt dabei auf das mit dem Brexit zu Bekanntheit gekommene Flurstück, das umgeben von Äckern und Wiesen an einer schmalen Straße weit entfernt von Wohnbebauung liegt.

Historische Veränderung

„Historisch“ findet der Bürgermeister dabei aber nicht die seit Generationen von Bauern beackerte bisherige landwirtschaftliche Fläche, sondern die politischen Umstände: „Weil es das erste Mal ist, dass der EU-Mittelpunkt sich verändert, weil ein Land austritt“, sagte Götz.

Das belgische Viroinval, Kleinmaischeid in Rheinland-Pfalz, Gelnhausen-Meerholz in Osthessen und zuletzt Westerngrund im fränkischen Landkreis Aschaffenburg: Im vergangenen Vierteljahrhundert wurden all diese Orte nur geografischer Mittelpunkt der EU, weil die Gemeinschaft immer weiter wuchs.

Dass es dieses Mal anders ist, bedauert nicht nur der Veitshöchheimer Bürgermeister. Auch Karin Keßler hat gemischte Gefühle bei der Verlegung des EU-Mittelpunkts. Ihr gehört der Acker, auf dem dieser liegt.

Keßler erinnert an ihren mit 93 Jahren verstorbenen Vater, der als Soldat im Zweiten Weltkrieg kämpfen musste und deshalb die EU als Friedensbündnis schätzte – den Ausstieg der Briten habe er nie verstanden.

Landwirtin Keßler will aber nun das Beste aus der besonderen Ehre machen. „Der Mittelpunkt der EU, das ist ja schon etwas ganz Tolles.“ Sie verpachtet einen Teil ihres Ackers an die Gemeinde. Das Grundstück ist schon lange für Besucher hergerichtet, Fahnenmasten stehen dort.

Blumenwiese am neuen EU-Mittelpunkt

Die Ackerfläche daneben will Keßler neu gestalten. Dort sollen Blumenwiesen entstehen. Paten können für 40 Euro je hundert Quadratmeter mieten, sie sät dort eine Saatmischung für eine Insektenwiese aus. Das wolle sie im Sinne der Insekten- und Artenvielfalt machen, die in Bayern beim Volksbegehren unter dem Motto „Rettet die Bienen“ vor einem Jahr so stark diskutiert wurde.

Geht die Saat wie geplant auf, ist der neue Mittelpunkt der EU also in Zukunft umgeben von bunten Blumen und wird umschwirrt von unzähligen Insekten. Dieser lebendige Eindruck dürfte sich dann bei den vielen Touristen einprägen, die sie in Gadheim erwarten. Am bisherigen Mittelpunkt Westerngrund kamen nämlich immer wieder Touristen vorbei.

Und dennoch hat Gadheims Bürgermeister Götz nichts dagegen, wenn sein Ort in einigen Jahren nicht mehr der Mittelpunkt der EU ist. Diese Veränderungen seien ja eigentlich etwas ganz Natürliches in der Gemeinschaft. Nur eine Verschiebung, weil ein weiteres Land aussteigt, das wolle er nicht: „Ich hoffe, dass bei der nächsten Verschiebung des Mittelpunkts das Ganze passiert, weil ein neues Land wieder dazu gekommen ist.“ (afp)



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