Von Chile, Brasilien bis Venezuela – Eine „neue Art von Sowjetunion“

Lula da Silva ist zurück an der Macht. Ganz nach den Plänen des „Forum São Paulo“, einem seit Jahrzehnten im Hintergrund agierenden Netzwerk. Es vereint kommunistische Führer und revolutionäre Drogenhandelsguerillas.
Titelbild
Sao Paulo, Brasilien – die Flagge des Bundesstaates Sao Paulo an der Spitze des Leuchtturms von Santander (2022).Foto: iStock
Von 12. Februar 2023


„Ich freue mich, dass Brasilien zurück auf der Weltbühne ist“, sagte Bundeskanzler Scholz Ende Januar auf einem Treffen mit dem neuen Staatschef Lula da Silva. Obwohl Lula erst Anfang des Jahres das Amt übernommen hat, ließen die beiden Politiker kaum Zeit verstreichen, um ein persönliches Treffen zu organisieren. „Ihr habt gefehlt, lieber Lula“, so Scholz in dessen Amtssitz in Brasília.

Nach den Wahlen im Oktober hatte der deutsche Bundeskanzler bereits in einem Twitter-Beitrag betont, dass er sich auf eine „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit Brasilien freue. Die Erwartungen Deutschlands an das nun wieder links regierte Brasilien scheinen hoch zu sein. Was bedeutet das?

Lulas finanzielle Unterstützung kam von Kuba und Venezuela

Um mögliche Auswirkungen durch Lulas Wahlsieg zu verstehen, muss man tiefer in die Materie eindringen. Denn es ist kein Zufall, dass immer mehr lateinamerikanische Staaten linke Regierungen haben.

In dem Dokumentarfilm mit dem Titel „Brasilien: Ein letztes Aufbäumen auf dem amerikanischen Kontinent“ liefert der in Brasilien gebürtige Reporter Marcos Schotgues vom Fernsehsender NTD brisante Insiderfakten über Schlüsselfiguren Lateinamerikas und führt Interviews mit Experten.

Lula da Silva war bereits von 2003 bis 2011 Staatschef Brasiliens. Wie Schotgues berichtet, legte die „New York Times“ 2005 in einem Artikel offen, dass Lulas Wahlausschuss vor den Wahlen 2002 bis zu drei Millionen Dollar zugeflossen waren – und zwar aus Kuba.

Vor den Wahlen kam zudem der Fall von Hugo Armando Carvajal Barrio (Spitzname: „El Pollo“) ans Licht. Nachdem er jahrelang auf der Flucht gewesen ist, wurde er im September 2021 in Spanien verhaftet. Er war General in der venezolanischen Armee und Leiter des militärischen Geheimdienstes des Landes.

Vor der spanischen Justiz erklärte er: „Die venezolanische Regierung hat seit mindestens 15 Jahren illegal linke politische Bewegungen auf der ganzen Welt finanziert“. Er zitierte eine Liste von Personen, die er beschuldigt, von diesem System profitiert zu haben – darunter Lula da Silva.

Zudem wurde Lula, der auch Gründer der brasilianischen Arbeiterpartei ist, im Jahr 2017 wegen Geldwäsche und Korruption angeklagt. Er saß auch im Gefängnis deswegen. Aber die Mehrheit der Obersten Bundesrichter – viele davon von Lula selbst ernannt – erklärten das Urteil der ordentlichen Gerichtsbarkeit im November 2019 für ungültig und machten den Weg frei für seine neue Kandidatur.

Lula und das 1990 gegründete Forum São Paulo

Nach dem Sieg von Lula im Oktober 2022 trafen sich die kommunistischen Führer Lateinamerikas zügig mit dem neuen Staatschef und seinen Beratern. Eine rasche Wiederaufnahme der politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Ländern war ihr Ziel.

Was in den meisten Medien jedoch selten erwähnt werde, sei der Begriff „Forum São Paulo“. Und wenn, werde das Forum eher als Verschwörungstheorie bezeichnet, wie in der NTD-Dokumentation beschrieben wird. Zum Beispiel in einigen Berichten des Mediennetzwerkes „Mídia Ninjas“, kurz vor den jüngsten Präsidentschaftswahlen.

Doch nach Jahren der Leugnung bedankte sich Lula jüngst ganz offiziell beim Forum von São Paulo: zum einen für seine Unterstützung bei der Aufhebung seiner Verurteilung und zum anderen, dass er für die Präsidentschaftskandidatur 2022 zugelassen wurde. Er sagte:

Ich möchte dem São Paulo Forum danken, das ist eine Organisation der lateinamerikanischen Linken“.

Was ist das „Forum São Paulo“? Es hat eine Geschichte von gut 30 Jahren. Anfang der 1990er-Jahre kamen nach dem Fall der Berliner Mauer und der damit verbundenen Niederlage des sowjetischen Sozialismus die linken politischen Parteien Lateinamerikas zusammen. Sie besprachen, wie sie ihre Ideale fortführen könnten.

Was das Forum São Paulo mit der Wahl Lulas zu tun hat

Der brasilianische Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva (l) und Kubas früherer Machthaber Fidel Castro gründeten 1990 das Forum São Paulo. Foto: NIURKA BARROSO/AFP via Getty Images

Auf Initiative von Lula und dem damaligen kubanischen Staatschef Fidel Castro wurde eben jenes Forum von São Paulo geboren. Es besteht aus über 120 Parteien und Organisationen in 28 Ländern, darunter der chilenischen MIR, der Partei der venezolanischen Diktatur, der Arbeiterpartei und auch der Kommunistischen Partei Brasiliens (PCB).

Die Beziehungen zu China seien laut Rafael Fontana eng. In einem Interview mit dem NTD-Reporter  berichtet der frühere Direktor der Kommunikationsabteilung des chinesischen Konzerns Huawei folgendes: „China ist der Sponsor und Russland der Garant für die Waffenlieferungen“. Für ihn stelle das Forum von São Paulo „eine der größten Gefahren für die Freiheit in Lateinamerika“ dar.

Feiern zum chinesischen Neujahr 2023 in Sao Paulo, Brazil. Foto: NELSON ALMEIDA/AFP via Getty Images

Vor den jüngsten Wahlen warnte Fontana:

Brasilien ist heute die letzte Bastion Südamerikas. Wenn Brasilien fällt, ist das eine sehr ernste Gefahr für den gesamten amerikanischen Kontinent“.

Eine „neue Art von Sowjetunion“ errichten: Kommunistische Führer und Drogen

Aus der NTD-Dokumentation geht zudem hervor, dass das Gründungsversprechen des São Paulo Forums darin bestehe, in Lateinamerika die durch den Kommunismus verursachten Verluste auszugleichen. Oder, wie es der oben bereits erwähnte Buchautor Paulo Henrique Araujo beschrieb, alle revolutionären Bewegungen in ganz Lateinamerika zu organisieren, um dort eine neue Art von Sowjetunion zu errichten. Dabei könne das Forum von São Paulo Wahlen gewinnen oder Revolutionen durchführen – soziale oder bewaffnete.

Eine ähnliche Meinung vertritt auch der Philosoph Pedro Henrique Alves. Im brasilianischen Internetportal R7 wird er mit den Worten zitiert: „Die Wahrheit ist, dass es sich um eine Organisation handelt, die kommunistische Führer aus Lateinamerika und der Karibik miteinander vereint“. Und weiter: „Ihre Absicht ist es, die Führer des Widerstands und die gebildeten Regierungen zu mobilisieren, um eine politisch-territoriale Vormachtstellung ihrer Agenden und Prinzipien zu erreichen“.

Lulas Worte an seine Unterstützer lauteten einst: „Lateinamerika kann das große Leuchtfeuer für die neue Linke sein, die wir in der Welt schaffen müssen“. Dies zeigt ein in der NTD-Dokumentation eingeblendeter Videoausschnitt mit dem brasilianischen Staatschef.

In einem anderen Videoausschnitt beschreibt der venezolanische Ex-Machthaber Hugo Chávez, was er 1995 auf dem Forum São Paulo in San Salvador erlebte. Auch Lula sei damals zugegen gewesen. Wie Chávez sich erinnere, hätte ihm jemand während der Versammlung die Hand auf die Schulter gelegt und gesagt: „Ich möchte mit Ihnen sprechen“. Als Chávez nach seinem Namen gefragt habe, hätte dieser entgegnet,  dass er Raul Reyes sei, einer der Anführer der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) – einer Drogenhandelsguerilla in Brasilien.

Im Jahr 2003 hat der FARC-Kommandeur Reyes seine enge Verbindung zu Lula und der Arbeiterpartei zugegeben. 2008 wurde Reyes getötet und sein Laptop beschlagnahmt. Darauf gefundene und von mehreren Behörden überprüfte E-Mails belegen die Einmischung der kommunistischen Guerrilla in die brasilianische Regierung sowie Verbindungen zur Diktatur in Venezuela.

Brasiliens zukünftige Rolle

Die engen Beziehungen zwischen Drogen-Guilleras und linken Regierungen wurden auch durch andere Untersuchungen bestätigt. Amerikas Justiz klagte den oben erwähnten und verhafteten venezolanischen Geheimdienstler „El Pollo“ an. Der Grund: er sei ein Teil des „Cartel de los Soles“.

Damit werden Gruppen innerhalb der venezolanischen Sicherheitskräfte beschrieben, die mit Kokain handeln. „El Pollo“ verwies in seinen Aussagen besonders auf die Beziehung zwischen dem kubanischen Regime und den Drogenkartellen in Venezuela und anderen.

Auch der venezolanische Machthaber Nicolás Maduro ist in diese Anklage einbezogen. Der Ex-General wurde angeklagt, an einer, wie es das Gericht nannte, „narco-terroristischen Verschwörung“ beteiligt gewesen zu sein.  Wie es in den Gerichtsdokumenten heißt, planten die Drogenkartelle mithilfe der FARC, „die Vereinigten Staaten mit Kokain zu überschwemmen“.

Der venezolanische Staatschef Nicolás Maduro am 31. Januar 2023. Foto: YURI CORTEZ/AFP via Getty Images

Nachdem nun alle lateinamerikanischen Staaten – zu guter Letzt Brasilien – eine linksgerichtete Führung erhielten, steht wohl den Plänen des Forums São Paulo nichts mehr im Wege. Das erklärt die Warnung des abgewählten konservativen brasilianischen Staatschefs Bolsonaro: „Und wir haben ein paar andere Mächte, die ein Auge auf Brasilien werfen“.

Warum? Es sei Brasiliens geografische Lage und Größe, so Paulo Henrique Araujo. Seit Langem wird das Land illegal als Transportweg für Drogen in andere Länder genutzt. Nach Europa und in die Vereinigten Staaten. Die Bekämpfung dieser Routen würde aufhören, befürchtete der Autor, der ein Buch über das Forum São Paulo verfasst hatte. Es würde das passieren, was jetzt in Kolumbien passiert – es würde alles für den Drogenhandel geöffnet. Brasilien wäre also ein wahres Paradies für den Drogenhandel.

Für Lateinamerika klingt es daher eher wie eine Drohung, wenn der venezolanische Staatschef Nicolás Maduro aus einem Videoausschnitt der NTD-Doku tönt: „Jedes einzelne Ziel, das wir im Forum São Paulo festgelegt haben, haben wir erreicht. Eines nach dem anderen.“

Lulas „Wandlung“

Zurück zum aktuellen Geschehen. Im Vergleich zu seiner ersten Präsidentschaft hat Lula eine auffällige Wandlung durchlaufen. In seinen Anfangszeiten als Staatschef verkörperte er eine Figur der radikalen Linken, die den Brasilianern Angst einjagte.

Jetzt scheint es, als hätte er ein anderes Image angenommen. In den Medien wird kaum über seine Vorgeschichte berichtet, geschweige denn über das Forum São Paulo. Es scheint, als wäre seine Vergangenheit ausgelöscht. In Anzug und Krawatte wird er als Sieger bejubelt, der das Land in den Fortschritt führt und eine Vermittlerrolle im Ukraine-Krieg spielen soll. Kurzum eine Figur, die Liebe und Frieden verbreitet.

Nach dem Besuch von Bundeskanzler Scholz in Brasilien beschreiben ihn die Medien als denjenigen, der den Ukraine-Krieg so schnell wie möglich beenden wolle. Dem deutschen Kanzler hätte er klargemacht, dass Brasilien sich nicht einmischen und gegen Russland stellen würde. Es müsste eine diplomatische Lösung gefunden werden.

Möglicherweise steckt doch etwas anderes dahinter. Diese Frage darf sich jeder selbst beantworten.

Um mehr über die Machenschaften der linken Bewegung und das Forum São Paulo zu erfahren, ist diese Dokumentation empfehlenswert. Der Autor ist der in Brasilien gebürtige Reporter Marcos Schotgues vom Fernsehsender NTD, ein Insider Lateinamerikas.



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