Eine Schiffsblockade und die „Kleinen Blauen Männer“

Peking besetzt peu à peu das Südchinesische Meer. Proteste der Anrainerstaaten wie die der Philippinen werden ignoriert.
Titelbild
Offiziell nur Fischerboote: Einige Schiffe der „Kleinen Blauen Männer“ vor dem Hafen von Lianyungang, 1. August 2017.Foto: STR/AFP via Getty Images
Von 25. November 2021

Seit Monaten nehmen die Spannungen im Südchinesischen Meer zu. Die KP Chinas beansprucht fast das gesamte Meer für sich. Die Ansprüche wurden 2016 vom internationalen Schiedsgerichtshof in Den Haag zurückgewiesen. Pekings kommunistische Regierung ignoriert das Urteil.

Kürzlich gab es einen weiteren Vorfall, der international bekannt wurde. Die Philippinen beschuldigen die chinesische Küstenwache, Anfang November zwei philippinische Versorgungsschiffe blockiert zu haben, die auf dem Weg zu ihren Truppen auf dem Weg zum Second-Thomas-Shoal waren.

Manila verurteilt die Handlungen „auf das Schärfste“, meldet „CNN“. Drei chinesische Schiffe seien mit Wasserkanonen gegen die beiden philippinischen Schiffe vorgegangen. Die Versorgungsschiffe mussten daraufhin ihren Einsatz abbrechen, Verletzte gab es nicht.

Das Second-Thomas-Shoal, auch als Ayungin bezeichnet, ist ein Atoll, das bei Ebbe trocken liegt. Es ist tropfenförmig und von Korallenriffen gesäumt. Trockene Flächen befinden sich östlich und westlich des Randes. Die philippinische Marine unterhält ihren Stützpunkt auf dem absichtlich auf Grund gelaufenen 100 Meter langen Landungsboot „Sierre Madre“. Dieses wurde 1999 als Reaktion auf die chinesische Eroberung des Mischief Reed auf Grund gesetzt.

Neuer Anlauf der Versorgungsschiffe Ende November

„Die Aktionen der Schiffe der chinesischen Küstenwache sind illegal“, protestierte der philippinische Außenminister Teodoro Locsin. Peking müsse sich zurückziehen und beachten, dass es keinerlei Rechte in den betreffenden Gebieten habe. Loscin übermittelte dem chinesischen Botschafter Yuan Xilian und dem Außenministerium in Peking „in den schärfsten Worten die Empörung, Verurteilung und den Protest der philippinischen Regierung“. Peking hat sich bisher nicht zu dem Zusammenstoß geäußert.

Nach Gesprächen des philippinischen Verteidigungsministers Delfin Lorenzana mit dem chinesischen Botschafter erklärte Ersterer, dass er das Militär angewiesen habe, die Versorgungsschiffe erneut zu schicken und dass sich Peking dieses mal „nicht einmischen“ werde. Diese Schiffe erreichten am 23. November ungehindert ihr Ziel.

Die chinesische Küstenwache entsandte zu diesem Zeitpunkt ein kleines Boot mit drei Personen, die das Entladen von philippinischem Personal und Fracht aufzeichnete. „Ich habe dem chinesischen Botschafter mitgeteilt, dass wir diese Handlungen als eine Form der Einschüchterung und Belästigung betrachten.“

Lorenzana erklärte der Nachrichtenagentur Reuters: „Sie haben kein Recht, unsere Schiffe innerhalb unserer AWZ zu behindern, zu verhindern oder zu belästigen, unabhängig davon, ob wir fischen oder Vorräte in unsere Abteilung in der Sierra Madre im Ayungin Shoal bringen.“

Inselbesetzungen innerhalb der 200-Seemeilen-Zone anderer Staaten

Pekings Führung ließ Mitte der 1990er-Jahre das Mischief Riff vor den Philippinen besetzen und seither ausbauen – einschließlich Basketballfeld, Windgenerator und Stützpunkt. Als direkte Folge darauf stationierte die philippinische Marine auf dem rund 40 Kilometer entfernten Second-Thomas-Shoal Soldaten.

Die Versorgung des philippinischen Stützpunktes wurde bereits mehrfach von chinesischer Seite blockiert. Er befindet sich 105 Seemeilen (195 Kilometer) südwestlich der philippinischen Region Palawan und damit innerhalb der 200 nautischen Meilen großen Ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen.

Das Mischief Riff befindet sich südöstlich der Spratlys, das Second-Thomas-Shoal weitere 40 km östlich davon. Karte: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:South_China_Sea_claims_map.jpg

Eric Campbell, ein prominenter australischer Auslandskorrespondent, unternahm 2014 mit einem Filmteam eine Tour zu den Spratly-Inseln und den philippinischen Soldaten auf dem Second-Thomas-Shoal. Er nannte die Inselgruppe die „wahrscheinlich umstrittensten Inseln der Welt“. Sein Film ist hier zu sehen: www.abc.net.au/foreign/reef-madness/5466280.

China Maritime Miliz: Die „Kleinen Blauen Männer“

Unbeachtet bleibt oft, dass Peking nicht nur die weltgrößte Marine (angegliedert an die Volksbefreiungsarmee PLA) und die weltgrößte maritime Strafverfolgungsbehörde (MLE) besitzt. Zur MLE gehören unter anderem die Küstenwache und der Zoll. Zusätzlich gibt es eine irreguläre Maritime Miliz, die „People’s Armed Forces Maritime Militia“, PAFMM, die ebenfalls die weltgrößte ihrer Art ist.

Diese Seemiliz fische nicht, erklärt Carl Schuster, ehemaliger Leiter des Joint Intelligence Center des US Pacific Command, gegenüber CNN im April 2021.

„Sie haben automatische Waffen an Bord und verstärkte Rümpfe, was sie aus nächster Nähe sehr gefährlich macht. Außerdem haben sie eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 18 bis 22 Knoten, wodurch sie schneller als 90 Prozent der Fischerboote der Welt sind.“

Aufgrund ihrer blau angestrichenen Schiffsrümpfe werden sie von Experten „Kleine Blaue Männer“ genannt. Peking bestreitet die Existenz dieser Miliz.

Diese Miliz sei eine Schlüsselkomponente der chinesischen Streitkräfte. Sie ist eine „staatlich organisierte, -entwickelte und -kontrollierte Truppe, die unter einer direkten militärischen Befehlskette arbeitet, um staatlich geförderte chinesische Aktivitäten durchzuführen.“ Das schrieben Conor Kennedy und Dr. Andrew S. Erickson, zwei führende amerikanische Experten, zu diesem Thema 2017 für das US Naval War College. Erickson wird als einer der besten Analysten des chinesischen Militärs in den Vereinigten Staaten bezeichnet (andrewerickson.com).

„Gewinnen ohne zu kämpfen“

Die tatsächliche Anzahl der bewaffneten Schiffe bleibt westlichen Experten unklar, sie sind in Chinas Fischereiflotte integriert, die mit mehr als 187.000 Schiffen die größte der Welt ist. Peking schweigt sich dazu aus, fügt Dr. Erickson hinzu.

Es seien Operationen in „Grauzonen“, bei denen Gegner mit „Schwärmen von Fischereifahrzeugen“ überwältigt werden, bestätigt Derek Grossmann, leitender Verteidigungsanalyst und außerordentlicher Professor an der University of Southern California. Grossmann diente zuvor als Briefing-Experte für den stellvertretenden Verteidigungsminister für asiatische und pazifische Sicherheitsangelegenheiten im Pentagon.

PAFMM spiele eine besonders wichtige Rolle beim Aufbau einer de facto chinesischen Präsenz in umstrittenen Seegebieten. Grossmann erklärt, sie „gewinnen, ohne zu kämpfen“. Die Schiffe provozieren und übernehmen Aufgaben im Rahmen von Inselbesetzungen – beispielsweise im Januar 1974 bei der Besetzung der Paracel-Inseln (Südvietnam). Damals landeten zwei chinesische Fischereitrawler 500 Soldaten der chinesischen Armee an. Vietnam kapitulierte daraufhin.

Maritime Miliz wurde auch eingesetzt, um die chinesische Ölplattform Haiyang Shiyou-981 in umstrittenen Gewässern durchzusetzen, dabei wurden vietnamesische Fischerei- und Küstenwachschiffe gerammt, wie Grossmann schreibt. Anfang 2021 versammelten sich an die 200 Schiffe in der Nähe des Pfingstriffes, das ebenfalls zu den Philippinen gehört. Ihre bloße Anwesenheit würde einer Besetzung gleichkommen, hieß es.

Kurz, es seien „als zivile Schiffe getarnte Hilfsschiffe“, die mit die Aufgabe hätten, die „Souveränität anderer Staaten zu untergraben und unrechtmäßige Ansprüche durchzusetzen“, formuliert der Bericht „Vorsprung auf See“ der US-Marine, des Marine Corps und der Küstenwache von Dezember 2020. „Sie militarisiert weiterhin umstrittene Gebiete im Südchinesischen Meer und erhebt maritime Ansprüche, die nicht mit dem Völkerrecht vereinbar sind.“

Peking will sich durchsetzen

Die Anrainer des südchinesischen Meeres, Brunei, Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Vietnam und Taiwan sind seit Langem mit dem Vorgehen Pekings über Kreuz. Die kommunistische Regierung in Peking reklamiert 80 Prozent des rund 3,6 Millionen Quadratkilometer großen und rohstoffreichen Meeresgebietes für sich, durch das wichtige globale Schifffahrtsstraßen führen.

Proteste gegen Peking und sein Vorgehen im Südchinesischen Meer am 9. April 2019 im Finanzviertel von Manila. Foto: TED ALJIBE / AFP über Getty Images

Zwischen den USA und den Philippinen existiert ein Abkommen, das „Visiting Forces Agreement“, durch das die Vereinigten Staaten dem Land zu Hilfe kommen können. In der jüngsten Vergangenheit war das Abkommen in den Philippinen umstritten und sollte ausgesetzt werden. Aufgrund inländischen Drucks kam es jedoch nicht dazu.

Die Souveränität der Philippinen über ihre Gewässer sei nicht verhandelbar, erklärte der scheidende Präsident Rodrigo Duterte. Damit könnte jede feindliche Aktion Pekings gegen philippinische Streitkräfte oder des Territoriums eine militärische Reaktion der USA hervorrufen.

Der Außenminister der Philippinen, Teodoro Locsin, wurde im Mai 2021 sehr deutlich: Er forderte China auf, sich aus den philippinischen Gewässern zu „verp*ssen“, wie „Russia Today“ dokumentierte.

Peking antwortete: „Wir hoffen, dass bestimmte Personen auf der philippinischen Seite grundlegende Manieren beachten und sich so verhalten, wie es ihrem Status entspricht.“ Die Philippinen sollten endlich anerkennen, dass das Chinas Territorium sei.



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