Erdbeben in Marokko: Zahl der Toten steigt auf über 2.000
Ganze Dörfer sind zerstört, aus den Trümmern werden ständig weitere Leichen geborgen: Nach dem schwersten Erdbeben in der Geschichte Marokkos ist die Zahl der Toten auf mehr als 2.000 gestiegen. Es wird mit wesentlich mehr Toten gerechnet.
Am stärksten betroffen ist die Provinz Al-Haouz südwestlich der Touristenmetropole Marrakesch, dort wurde mehr als die Hälfte der Toten gefunden, wie das marokkanische Innenministerium am Samstagabend mitteilte. Aus der ganzen Welt kamen Beileidsbekundungen und Hilfsangebote für das Land.
Unter den Toten waren nach Angaben des französischen Außenministeriums auch vier Franzosen, 15 weitere Franzosen wurden demnach verletzt. Zu möglichen deutschen Opfern lagen angesichts der unübersichtlichen Lage vor Ort bis Sonntag keine Angaben vor. Das Team der deutschen Botschaft in Rabat richtete eine Notrufnummer ein.
Marokko mobilisierte nach Regierungsangaben sämtliche Einsatzkräfte, um in den betroffenen Regionen zu helfen. Das Bluttransfusionszentrum in Marrakesch rief die Bevölkerung zu Blutspenden für die zahlreichen Verletzten auf.
US-Erdbebenwarte: Stärke von 6.8
Der Königspalast rief nach einer Krisensitzung mit König Mohammed VI. eine dreitägige Staatstrauer aus, während derer die Fahnen an öffentlichen Gebäuden auf Halbmast gesetzt werden, wie aus einer von der staatlichen Nachrichtenagentur MAP verbreiteten Erklärung hervorging.
Nach Angaben des Innenministeriums wurden bis zum späten Samstagabend 2.012 Todesopfer des Bebens gezählt. Weitere mindestens 2.059 Menschen wurden demnach verletzt. 1404 von ihnen befänden sich in Lebensgefahr.
Das Erdbeben hatte das nordafrikanische Land in der Nacht zum Samstag erschüttert. Es hatte nach Angaben des marokkanischen Zentrums für wissenschaftliche und technische Forschung eine Stärke von 7,0. Die US-Erdbebenwarte USGS hatte zuvor die Stärke des Bebens mit 6,8 angegeben. Das Epizentrum des Bebens lag nach Angaben des USGS rund 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch in Al-Haouz.
In dieser Provinz wurden nach Angaben des Innenministeriums bis zum späten Samstagabend 1.293 Tote verzeichnet. Marokkanische Sender zeigten Luftaufnahmen von dem Erdboden gleichgemachten Dörfern in den Bergen von Al-Haouz. Die traditionellen Lehmhäuser der Berber in der Region konnten der Wucht des Bebens nicht standhalten.
Schäden auch in Marrakesch
Das Beben richtete auch in Marrakesch Schäden an. In der bei Touristen beliebten Altstadt lagen Trümmer auf den Straßen. An der Moschee auf dem Marktplatz Jemaa el-Fna stürzte ein Teil des Minaretts ein und verletzte zwei Menschen. Die Erschütterungen waren bis in die Küstenstädte Rabat, Casablanca und Essaouira zu spüren.
In dem Bergdorf Tafeghaghte nahe des Epizentrums stand praktisch kein Gebäude mehr. Am späten Samstagnachmittag durchforsteten Soldaten dort weiter die Trümmer. Die meisten Überlebenden begaben sich aber zum Friedhof, wo rund 70 Einwohnerinnen und Einwohner beigesetzt wurden.
„Drei meiner Enkel und ihre Mutter sind getötet worden. Sie liegen noch unter dem Schutt“, sagte der 72-jährige Dorfbewohner Omar Benhanna der AFP.
In Marrakesch berichtete der Franzose Michael Bizet, er habe in seinem Haus in der Altstadt im Bett gelegen, als das Beben die Stadt erschütterte: „Ich dachte, mein Bett fliegt weg. Ich bin halb nackt auf die Straße gerannt. Es war das totale Chaos, eine echte Katastrophe, verrückt.“
Internationale Unterstützung
Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sprachen Marokko ihr Beileid aus und sicherten Unterstützung zu. „In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens“, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Onlinedienst X (ehemals Twitter). Allerdings verhinderte nach Angaben des Technischen Hilfswerks (THW) das Zögern der marokkanischen Regierung einen Einsatz der Rettungskräfte.
Wie das THW am Sonntag mitteilte, standen seit Samstagabend Rettungskräfte am Flughafen Köln-Bonn bereit. Da aber zunächst kein internationales Hilfeersuchen aus Marokko eingegangen sei, seien die Kräfte wieder an ihre Standorte zurückgekehrt. Nun werde die Lieferung von Hilfsgütern geprüft.
Spanien entsandte am Sonntag ein Flugzeug mit 56 Rettungshelfern und vier Spürhunden nach Marokko. Die Spezialisten gehören zur militärischen Notfalleinheit UME, die bereits nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei im Einsatz war. Aus Frankreich traf ein Team von freiwilligen Feuerwehrleuten ein.
Das Nachbarland Algerien, das vor zwei Jahren die diplomatischen Beziehungen zu Marokko abgebrochen hatte, sprach dem marokkanischen Volk sein „aufrichtiges Beileid“ aus und kündigte die Öffnung seines Luftraums für Hilfsflüge nach Marokko an. Auch Israel, das erst seit 2020 diplomatische Beziehungen zu Marokko unterhält, bot die Entsendung von Rettungstrupps an.
Die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) erklärte, der Wiederaufbau in Marokko werde womöglich Jahre dauern. Die IFRC stellte umgerechnet mehr als 930.000 Euro an Soforthilfe für die Rettungskräfte in Marokko bereit.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dessen Land im Februar ein Erdbeben mit zehntausenden Toten erlebt hatte, sicherte seinen „marrokanischen Brüdern“ seine Unterstützung zu. Auch Israel, das 2020 diplomatische Beziehungen zu Rabat aufgenommen hatte, bot „jede notwendige Unterstützung“ an. (afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion