Erstmals sagt Folteropfer der Franco-Diktatur in Spanien vor Gericht aus

Durch eine Amnestie kurz nach Francos Tod konnten alle politischen Straftaten, die während der Diktatur begangen wurden, nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Im Fall von Julio Pacheco Yepes ging es aber um Straftaten, die nach internationalem Recht nicht verjähren können.
Titelbild
Julio Pacheco (r.) und seine Frau Rosa Maria Garcia Alcon am 13. September 2023 in Madrid.Foto: Pierre-Philippe Marcou/AFP via Getty Images
Epoch Times14. September 2023

Als erstes Folteropfer der Franco-Diktatur in Spanien wird Julio Pacheco Yepes am Freitag in Madrid vor einem Gericht aussagen. Er hoffe, „eine Bresche in die Mauer der Straflosigkeit“ schlagen zu können, von der die Vertreter der Diktatur (1939–1975) bis heute profitierten, sagte Pacheco der Nachrichtenagentur AFP in Madrid, wo er in einem Arbeiterviertel lebt.

Fast 50 Jahre nach dem Tod von Diktator Francisco Franco würden die Opfer immer noch unter einer „Mauer der Straflosigkeit“ leiden, sagt der 67-Jährige. „Bis heute hat niemand, kein Richter, eine Klage angenommen, auch keine Opfer (der Franco-Zeit) angehört, das ist das erste Mal“, sagt Pacheco.

Der einstige Drucker hatte große Mühe, alle Dokumente zusammenzutragen, die er für eine Klage benötigte. Er beklagt eine völlige Blockade bei den Behörden, die in solchen Fällen nicht kooperierten. Nach Angaben der Opferorganisationen hat die spanische Justiz bisher rund hundert Klagen zu Straftaten während der Diktatur wegen Verjährung oder wegen der Amnestie-Gesetzgebung abgewiesen.

Zwei Jahre nach dem Tod Francos waren während des Übergangs zur Demokratie im Oktober 1977 die Amnestie-Gesetze in Spanien beschlossen worden. Demnach können alle politischen Straftaten, die während der Diktatur von Oppositionellen, aber auch von „Beamten und Mitarbeitern zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ begangen wurden, nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.

Im Fall von Pacheco hat die Richterin Ana María Iguácel im Mai aber die Klage zugelassen – wegen der „möglichen Existenz“ von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter“, wie aus dem damaligen Beschluss hervorgeht, den die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte. Solche Straftaten können nach internationalem Recht nicht verjähren.

In Spanien sei nach der Diktatur in der Gesellschaft ein „Pakt des Schweigens“ installiert worden, und es habe Jahre gedauert, ihn zu brechen, sagt Rosa María García Alcón. Die 66-jährige Ehefrau von Julio Pacheco war ebenfalls gefoltert worden, doch ihre Klage im Jahr 2018 war von der Justiz abgewiesen worden.

Am Freitag wird sie zumindest als Zeugin vom Gericht gehört werden. Die Polizei hatte ihren damaligen Verlobten gezwungen, bei ihrer Folter zuzusehen – als Teil seiner Folter.

Die beiden waren Aktivisten einer Studentenorganisation, die mit der Revolutionären Antifaschistischen und Patriotischen Front (FRAP) verbunden war, die gegen die Diktatur kämpfte. Julio Pacheco und Rosa María García wurden im August 1975 verhaftet, wenige Monate vor dem Tod des Diktators.

Sie wurden zur berüchtigten Direktion der Sicherheitsbehörde DGS an der Puerta del Sol im Zentrum von Madrid gebracht. Dort wurden sie tagelang von der Geheimpolizei gefoltert und dann unter dem Vorwurf des Terrorismus ins Gefängnis gesteckt.

Einen Monat nach Francos Tod, im Dezember 1975, kamen die beiden wieder frei. Wenige Monate später wurden sie begnadigt.

In seiner Klage wirft Pacheco konkret vier Polizisten vor, ihn gefoltert zu haben. Unter ihnen ist auch José Manuel Villarejo, ein dubioser Ex-Kommissar, der in mehrere Skandale verwickelt ist, welche die Wirtschafts- und Polit-Elite des Landes betreffen. Villarejo war im Juni zu 19 Jahren Gefängnis wegen Spionage verurteilt worden.

Pacheco würde gerne eines Tages seine Folterer „auf der Anklagebank“ sehen. Aber er ist auch schon zufrieden, wenn das Justizverfahren sein Land daran erinnert, „was der Franquismus war“.

„Die einzige Möglichkeit, die Wunden zu schließen, ist die Wahrheit“, sagt Pacheco. „Sonst werden sie ewig bluten.“

(afp/red)



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