EU-Parlament stimmt für Lieferkettengesetz – trotz verstärkten Widerstands aus Deutschland

Die Mehrheit im EU-Parlament stimmte heute für die verschärften Regeln des EU-Lieferkettengesetzes. Dabei sollen die EU-Vorgaben schon bei Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern zur Anwendung kommen.
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Eine Lieferkette bezieht sich auf den gesamten Prozess, der erforderlich ist, um ein Produkt oder eine Dienstleistung von der Beschaffung der Rohstoffe über die Produktion bis zur Auslieferung an den Endkunden zu liefern.Foto: iStock
Von 2. Juni 2023

Heute fand die Abstimmung im EU-Parlament über das EU-Lieferkettengesetz statt. 366 Abgeordnete stimmten dafür, 225 Abgeordnete dagegen und 38 enthielten sich. Unternehmen in der EU sollen nach dem Willen des Europaparlaments künftig strenger darauf achten, dass ihre Produkte im Einklang mit Menschenrechten hergestellt werden.

Der Richtlinienentwurf sieht unter anderem vor, dass Firmen in der EU für Kinder- oder Zwangsarbeit sowie für Umweltverschmutzung ihrer internationalen Lieferanten verantwortlich gemacht werden sollen. Geplant ist auch, dass Unternehmen bei Nichteinhaltung vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können.

Dabei gab es im Vorfeld der Abstimmung bis zuletzt starke Kritik gegen den verschärften Text bezüglich der Größe der Unternehmen, für die strengere Vorgaben gelten sollen. Auch Finanzdienstleister wie Blackrock haben sich gegen das Vorhaben gewandt und eine Ausnahmeregelung gefordert.

Vorgaben bei Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern

Die Abgeordneten wollen dem aktuellen Entwurf zufolge unter anderem mehr in der EU ansässige Unternehmen in das Lieferkettengesetz einbinden als ursprünglich geplant. So sollen die Vorgaben schon für Firmen in der EU mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem weltweiten Umsatz von über 40 Millionen Euro gelten.

Ursprünglich war in dem Anfang 2022 vorgelegten Entwurf der Europäischen Kommission vorgesehen, dass das Lieferkettengesetz zunächst nur Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mit über 150 Millionen Euro Umsatz betreffen sollte.

Tiemo Wölken, rechtspolitischer Sprecher der Europa-SPD, sieht in dem EU-Gesetz die Chance, dafür zu sorgen, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen werde, „sondern dass wir dafür sorgen, dass Menschenrechte und Umweltschutz überall auf der Welt gleichermaßen gelten.“

Industrie und Arbeitgeber kritisieren den Entwurf

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) kritisierte, dem Gesetzesentwurf fehle es an Praxistauglichkeit, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit. „Das Lieferkettengesetz bürdet den Unternehmen ein neues und unkalkulierbares Haftungsrisiko auf: Von ihnen wird eine Kontrolle erwartet, die außerhalb ihrer eigenen Einflussmöglichkeiten liegt“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian.

Lieferketten bestünden oft aus mehreren Hundert, teils mehreren Tausend Firmen. In der Regel sei einem Betrieb aber nur der direkte Zulieferer bekannt. Kleine und mittlere Unternehmen würden „komplett überfordert“ mit den geplanten Richtlinien.

Der Arbeitgeberverband BDA warnt vor zusätzlicher Regulierung und einer Abwanderung von Unternehmen. „In Krisenzeiten brauchen Unternehmen Flexibilisierung und Spielräume für Innovationen – und weniger Bürokratie aus Brüssel“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Donnerstag). „Doch der Vorschlag des EU-Parlaments zum Thema Lieferketten bringt wieder lediglich mehr Regulierung – und keinen zusätzlichen Schutz für Menschenrechte.“

Widerstand, besonders in Deutschland

Die Zahl der Abgeordneten, die sich gegen das EU-Lieferkettengesetz ausgesprochen haben, sei laut „Spiegel“ in letzter Zeit noch angewachsen. Dies sei geschehen, nachdem Frankreichs Präsident eine „Regulierungspause“ in der europäischen Umwelt- und Klimapolitik angeregt habe. Seitdem habe sich besonders in Deutschland Widerstand entwickelt.

„Wir dürfen der Wirtschaft jetzt keine zusätzlichen Belastungen auferlegen“, sagte der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary, Chef der deutschen Gruppe in der konservativen EVP-Fraktion. Wie Caspary weiter ausführte, liege Macron ganz auf der Linie der Union.

Dabei habe der CDU-Politiker mit folgenden Worten argumentiert: „Wenn sich europäische Unternehmen wegen der Lieferkettenthematik aus Afrika zurückziehen, profitieren nicht die Menschen vor Ort, sondern dann profitiert am Ende China.“ Laut Caspary könne dies nicht im europäischen Interesse sein.

Änderungsanträge durch EVP

Die EVP hat schließlich noch am gestrigen Mittwoch, 31. Mai, verkündet, den Standpunkt des Parlaments zum Lieferkettengesetz in der Plenarsitzung am Donnerstag abzulehnen. Dazu hat die CSU-Politikerin Angelika Niebler mit zwei weiteren Abgeordneten eine Liste von Änderungsanträgen vorgelegt, die den Kompromissentwurf drastisch abgeschwächt haben.

Wie die CSU-Abgeordnete Niebler gegenüber der Zeitung „Correctiv“ mitteilte, habe sie jedoch auch schon zuvor die „Linie vertreten, dass kleine und mittelständische Betriebe durch die Vorgaben des Lieferkettengesetzes nicht überfordert werden dürften.“ Somit sei ihre Haltung „nichts Neues“.

„Bei meinen Überlegungen habe ich mich am deutschen Lieferkettengesetz orientiert, das ich für ausgewogener und balancierter halte.“ Niebler habe außerdem mit einem Rückhalt von mehr als 60 EU-Abgeordnete gerechnet, vor allem aus der konservativen EVP und der liberalen Fraktion Renew.

(mit Material von dpa)



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