EU-Studie: Fälschungsmafia reißt Milliardenlöcher

Das Treiben der Fälschungsmafia nimmt nach Experten-Warnungen „alarmierende Ausmaße“ an. Es reißt in der EU empfindliche Löcher in die Kassen von Ländern und Firmen. Hunderttausende Jobs werden vernichtet. Aber die Gefahren sind noch größer.
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Gefälschte Designer-Taschen werden auf einer Straße in Mailand zum Verkauf angeboten.Foto: picture alliance / dpa/dpa
Epoch Times10. Juni 2020

Die zunehmenden und technisch immer aufwendigeren Aktivitäten der Fälschungsmafia verursachen nicht nur Staaten und Firmen einen wirtschaftlichen Milliardenschaden – nach dem jüngsten Bericht der zuständigen EU-Behörde stellen sie auch ein enormes Sicherheitsrisiko dar.

„Wie unsere gemeinsame Arbeit mit Europol zeigt, können die Erlöse aus Fälschungen auch die schwere organisierte Kriminalität wie etwa den Drogenhadel unterstützen“ – und Terrorismus finanzieren, warnt der Exekutivdirektor des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), Christian Archambeau. Die EU-Agentur mit Sitz im ostspanischen Alicante veröffentlichte ihren Status-Bericht 2020.

Wie groß das Problem ist, macht ein Blick auf einige Zahlen des Reports deutlich. Nach Schätzungen von EUIPO entgehen den Staaten der EU wegen der vielen Fälschungen Steuereinnahmen in Höhe von insgesamt 15 Milliarden Euro pro Jahr.

Geld, das dann etwa für Soziales und Gesundheit fehlt. Die Fälscher verursachen allein in den vier besonders betroffenen Branchen Kosmetik und Körperpflege, Weine und Spirituosen, pharmazeutische Erzeugnisse sowie Spielwaren und Spiele jährliche Umsatzeinbußen von bis zu 19 Milliarden Euro.

In Deutschland verlieren diese vier Branchen den Untersuchungen zufolge 2,3 Milliarden Euro pro Jahr. Das EUIPO beklagt, dass die Situation immer schlimmer werde. Seit der Analyse im vergangenen Jahr hätten die Umsatzeinbußen in der Kosmetik- und Körperpflegebranche um mehr als 2,5 Milliarden auf 9,6 Milliarden Euro zugenommen, hieß es. Diese Summe entspreche 14,1 Prozent des Gesamtumsatzes des Sektors in der EU.

Aber es geht nicht nur um Geld. EUIPO weist in seinem Bericht auch auf Gesundheitsrisiken hin, die die Fälschungen vor allem von Medikamenten, Kosmetika und gefährlichen Spielzeugen bergen. Im Zuge des Ausbruchs der Corona-Pandemie hätten sich Verbrecher verstärkt der Fälschung von Testkits und Schutzausrüstung fragwürdiger Qualität zugewandt. Sie hätten sogar gefälschte Arzneimittel in Umlauf gebracht, die angeblich gegen Covid-19 helfen sollen – obwohl es bisher immer noch kein wirksames Medikament zur Behandlung der Krankheit gibt.

Bei nicht weniger als 97 Prozent der an den EU-Außengrenzen sichergestellten und als gefährlich eingestuften Fälschungen seien „ernsthafte Risiken“ festgestellt worden. Es habe sich darunter nicht nur um Medikamente oder Kosmetika gehandelt, sondern unter anderem auch um Spielzeug, Babyartikel oder Kinderbekleidung.

Viele Konsumenten machen sich beim Kauf eines gefälschten Produkts nicht allzu viele Gedanken – seien es Appetitzügler oder das Potenzmittel Viagra im Internet oder eine Handtasche, Turnschuhe oder ein Lippenstift auf der Strandpromenade des Urlaubsorts. Man bekommt die Imitate, die dem Original oft täuschend ähnlich sehen, für wenig Geld. Und auch Hersteller und Händler verdienen etwas.

Archambeau kritisiert diese Sichtweise: „Fälschungen sind keine opferlosen Straftaten.“ Neben den genannten Einbußen und den Gesundheitsrisiken werden Hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet. Nach der Schätzung der Experten in Alicante sind das mindestens 671.000 in der EU.

„Um dem umfassend entgegenzuwirken, bedarf es abgestimmter internationaler Maßnahmen auf allen Ebenen“, meint Archambeau. Ähnliche Appelle wurden nach Veröffentlichung des Berichts auch in Deutschland laut.

„Der Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie muss angesichts des Bedrohungspotenzials einen höheren Stellenwert bekommen. Dazu gehören auch ausreichende Ressourcen für die Verfolgung dieser Art der Kriminalität“, forderte Volker Bartels, Vorstandsvorsitzender des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM).

Der branchenübergreifende Verband, der sich seit 1997 für den Schutz geistigen Eigentums einsetzt, klagt, dass die Aktivitäten der Fälschungsmafia ein „alarmierendes Ausmaß“ erreicht hätten. Fast sieben Prozent der in die EU importierten Waren seien inzwischen Fälschungen. „Im Vergleich zu anderen Kriminalitätsbereichen stehen hier sehr hohe Gewinnspannen einem vergleichsweise geringen Verfolgungsrisiko gegenüber“, heißt es.

Wer denkt, dass Corona und Kontaktbeschränkungen dieser Tage dem illegalen Business schaden, irrt laut APM. Zahlen der deutschen Zollstatistik belegten, dass der Onlinehandel für den Vertrieb von Plagiaten eine immer wichtigere Rolle spiele: Mehr als 80 Prozent der Fälschungen seien 2019 im Postsendungen entdeckt worden. „Im Internet erreicht man einfach und ohne größere Kontrollen Millionen von potenziellen Abnehmern, kriminelle Elemente nutzen diese Tatsache schamlos aus“, heißt es. Die Handelsplattformen müssten dagegen „noch viel mehr tun“. (dpa)



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