EU-Verteilungskampf um hunderte Milliarden Euro – Wer Flüchtlinge aufnimmt soll belohnt werden

Mit über 60 Milliarden Euro pro Jahr fördert die EU die Entwicklung ihrer Regionen und Mitgliedstaaten. Mit Blick auf "Demokratiesünder" wie Polen und Ungarn fordert Deutschland, die Auszahlungen künftig an "rechtsstaatliche Prinzipien" zu knüpfen.
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Epoch Times11. April 2018

Mit über 60 Milliarden Euro pro Jahr fördert die EU die Entwicklung ihrer Regionen und Mitgliedstaaten. Durch den EU-Austritt Großbritanniens stehen deutliche Kürzungen an.

Mit Blick auf „Demokratiesünder“ wie Polen und Ungarn fordert Deutschland, die Auszahlungen künftig an „rechtsstaatliche Prinzipien“ zu knüpfen – und will gleichzeitig Geld für eigene Regionen und Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen.

Am Donnerstag läuten die EU-Mitgliedstaaten den großen Verteilungskampf ein.

Wieviel Geld steht zur Verfügung?

Ziel der sogenannten Kohäsionspolitik ist die Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU. Die Mittel werden für die siebenjährige EU-Haushaltsperiode festgelegt. Von 2014 bis einschließlich 2020 stehen 454 Milliarden Euro zur Verfügung. In den Verhandlungen, die am Donnerstag bei den Europaministern in Luxemburg geführt werden, geht es um die Mittel im nächsten EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027.

Wofür können die Mittel eingesetzt werden?

Die Kohäsionspolitik gliedert sich in unterschiedliche Bereiche: Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung stellt Mittel für Investitionen in wachstumsfördernde Bereiche bereit, der Europäische Sozialfonds unterstützt Beschäftigung und Bildungsmöglichkeiten. Und der eigentliche Kohäsionsfonds fördert Projekte für Umwelt, Energieversorgung sowie die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Hinzu kommen Gelder für den ländlichen Raum und Fischerei-Gebiete.

Wer kann Gelder bekommen?

Ursprünglich sollten nur die am wenigsten entwickelten Gebiete gefördert werden. Inzwischen können aber alle Regionen und Länder Mittel beantragen. Je nach Entwicklungsstand müssen Antragsteller über die sogenannte Kofinanzierung 15 bis 50 Prozent der Mittel selbst aufbringen.

Warum muss die Kohäsionspolitik durch den Brexit auf den Prüfstand?

Mit dem EU-Austritt Londons fällt der drittgrößte Nettozahler in der EU weg, was ein großes Loch in das europäische Budget reißt. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger schätzt die Brexit-Lücke auf zwölf bis 14 Milliarden Euro pro Jahr. Wollen Nettozahler wie Deutschland nicht deutlich mehr beisteuern, muss gekürzt werden. Oettinger hat Einschnitte von fünf bis zehn Prozent angekündigt. EU-Diplomaten halten auch höhere Einschnitte für möglich.

Wer bekommt am meisten?

Mit Abstand den höchsten Betrag bekommt Polen mit 86 Milliarden Euro. Es folgen Italien (42,8 Milliarden Euro), Spanien (37,4 Milliarden Euro) und Rumänien (30,8 Milliarden Euro). Deutschland steht mit 27,9 Milliarden Euro auf Platz fünf, Frankreich folgt an sechster Stelle (26,7 Milliarden Euro). Über 20 Milliarden Euro erhalten auch noch Portugal, Ungarn, Tschechien und Griechenland.

Warum soll die Rechtsstaatlichkeit ein Kriterium für die Mittelauszahlung werden?

Die EU liegt seit Jahren mit Polen und Ungarn im Clinch, weil deren Regierungen aus Sicht Brüssels gegen wichtige demokratische Grundprinzipien verstoßen. So läuft gegen Polen wegen der Beschneidung der Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts ein Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit. Gegen Ungarn leitete die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren wegen Gesetzen zu aus dem Ausland finanzierten Hochschulen und Nichtregierungsorganisationen ein. Doch Warschau und Budapest zeigen sich bisher unbeeindruckt.

Steht die Bundesregierung alleine?

Nein. Auch andere Nettozahler wie Frankreich, Niederlande, Finnland, Italien Schweden, Dänemark und Belgien unterstützen Diplomaten zufolge die Stoßrichtung. Eine Ländervertreterin räumt aber ein, dass die Frage „große Diskussionen“ auslösen dürfte und von einigen als „Sprengstoff“ für die Beziehungen zwischen den EU-Ländern gesehen wird.

Warum ist auch die deutsche Forderung nach Geldern für die Flüchtlingsaufnahme brisant?

Osteuropäische Länder wie Polen, Ungarn, die Slowakei und Tschechien verweigern seit Jahren die Aufnahme von Flüchtlingen zur Entlastung von EU-Ländern mit vielen Migranten. Die Bundesregierung will nun aufnahmebereite Staaten belohnen. Diplomaten betonen, es gehe keinesfalls um eine „Bestrafung“ der Aufnahme-Verweigerer. Tatsächlich könnte für sie aber weniger Geld aus der Kohäsionspolitik zur Verfügung stehen, wenn Länder mit Flüchtlingen stärker gefördert werden. (afp)



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